Gmünd

Exploration der menschlichen Seele: Thomas Sautners Pavillon 44

Ein neues Buch von Thomas Sautner, „Pavillon 44“, entfaltet in Wien die Frage: Wer ist verrückter – die Patienten oder wir selbst?

Im neuen Roman „Pavillon 44“ von Thomas Sautner erleben Lesende eine ganz andere Welt als die gewohnte Erzählweise des Autors. Anstatt der tiefen Verwurzelung im Waldviertel oder den Geschichten der Jenischen, ist der Schauplatz dieses Werkes das Otto-Wagner-Spital in Wien, weit über den Dächern der Stadt. Hier trifft der Leser auf die vielschichtigen Herausforderungen und Fragen rund um psychische Gesundheit und die Grenzen von Normalität und Wahnsinn.

Der Roman zeigt mit seinem Hauptaugenmerk auf den Protagonisten Primar Siegfried Lobell und die Schriftstellerin Aliza Berg, wie es ist, in die Seelen der Menschen einzutauchen, die sich im Pavillon 44 befinden. Der Titel selbst verzichtet auf typische Krimielemente und präsentiert vielmehr eine tiefsinnige Erkundung der menschlichen Psyche. Sautner, der bereits langjährige Recherchen zu diesem Thema durchgeführt hat, beschreibt eine Welt, in der die Grenzen zwischen normalem Verhalten und psychischem Ausnahmezustand oft verschwommen sind.

Ein unkonventioneller Zugang zur Psychiatrie

Über seine Protagonisten, die Aliza Berg und Siegfried Lobell, bringt Sautner den Leser in einen Raum, wo Empathie auf unkonventionelle Behandlungsmethoden trifft. Lobell ist nicht nur ein erfahrener Psychiater, sondern auch jemand, der eine dezente Verbindung zur politischen Spitze Wiens pflegt. Diese Verbindung gewährt ihm eine gewisse Freiheit im Umgang mit den Patienten, die ihm die Arbeit mit diesen Menschen erleichtert. Während sein Rivale Christian Thaler histrionisch und akribisch am Einsatz von Psychopharmaka arbeitet, widmet sich Lobell den spannenden Fällen mit Empathie und Interesse. Hier prallen die verschiedenen Ansätze und Philosophien der Psychiatrie aufeinander.

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Die Charaktere im Buch sind alles andere als gewöhnlich. In dieser Welt gibt es Patienten wie einen Mann, der sich für Jesus hält, und andere, die mit ihrer eigenen Wahrheit kämpfen – eine schillernde Darstellung der Komplexität menschlichen Verhaltens und der Herausforderungen, die damit einhergehen. Im ständigen Spannungsfeld zwischen Wahnsinn und Normalität entfalten sich die Geschichten und laden dazu ein, über die eigene Wahrnehmung nachzudenken.

Aliza Berg hingegen sieht sich mit ihrer Rolle als Schriftstellerin und dem ungewollten Drang konfrontiert, in die Welt der „Verrückten“ einzutauchen. Sie empfindet eine unterbewusste Angst, selbst zur Patientin werden zu können und sich den Fragen zu stellen, die sie umtreiben. Sautner nutzt diesen Twist, um das Thema der psychischen Erkrankungen nicht nur als extern, sondern auch als innerliche Herausforderung zu präsentieren.

Ein vielschichtiger Plot und seine Entwicklung

Während sich die Geschichte entfaltet, ist es unübersehbar, dass Sautner dem Geschehen eine komödiantische Leichtigkeit verleiht. Das nicht-lineare Erzählen, das nahezu traumhafte Elemente aufweist, unterstützt den Leser darin, sich in der Komplexität der zwischenmenschlichen Beziehungen und der Wirklichkeit des Lebens in dieser besonderen Einrichtung zurechtzufinden. Die Erzählweise ermöglicht Einblicke in die Absurditäten des Lebens – wie im Fall der Gattin des Bürgermeisters, die aufregende Entdeckungen in der Physik macht und gleichzeitig ihrem Ehemann ein bemerkenswertes Ultimatum stellt.

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In der Mitte des Buches nimmt die Handlung eine überraschende Wendung. Sautner lässt seine Charaktere über die Mauern des Spitals hinausblicken. Ein Aufeinandertreffen mit dem Stephansdom sorgt für unkonventionelle Predigten und sorgt für Verwirrung, die den Leser in ein Labyrinth der Gedanken entführt. Diese Plottwist zeigt, wie die Charaktere auf neue Weise miteinander interagieren, indem sie die strikten Grenzen ihrer unterschiedlichen Rollen in Frage stellen.

„Pavillon 44“ ist mehr als nur ein Roman; es ist eine Einladung, über die Normen und Wahrnehmungen, die wir als Gesellschaft häufig unreflektiert hinnehmen, nachzudenken. Der schockierende Aspekt, dass die Autorin möglicherweise selbst in die Welt der psychischen Erkrankungen gezogen werden könnte, fungiert als Metapher für die Gesellschaft selbst: Wie viel Wahnsinn könnte in jedem von uns schlummern?

(S E R V I C E – Thomas Sautner: „Pavillon 44“, Picus Verlag, 458 Seiten, 26 Euro. Offizielle Buchpräsentation am 16.9., 19 Uhr, TheaterArche, Wien 6, Münzwardeingasse 2, Lesungen u.a.: 11.9., 19 Uhr, Thalia W3, Wien 3, Landstraßer Hauptstraße 2a/2b; 12.9., 19 Uhr, Bücherei Atzenbrugg/Heiligenreich, Hauptplatz 8; 13.9., 19 Uhr, Palmenhaus Gmünd, Schloßparkgasse 4.)

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