Das sogenannte „Industrieviertel“ rund um den Wienerwald hat eine lange und bewegte Geschichte. Seit dem 18. Jahrhundert spielte diese Region eine entscheidende Rolle in der industriellen Entwicklung Österreichs. Die Nähe zu wichtigen Verkehrsadern und der aufkommende wirtschaftliche Aufschwung führten zur Blüte zahlreicher Gewerbe, vor allem in der Eisen- und Metallverarbeitung. Sogar das Jahr 1800 markiert den Beginn der industriellen Revolution in Österreich, ein prägender Zeitpunkt, der die wirtschaftliche Landschaft nachhaltig veränderte.
Der Blick durch das Objektiv: Ein fotografischer Streifzug
Der Fotograf János Kalmár hat in einer eindrucksvollen Buchveröffentlichung die Spuren vergangener Zeiten dokumentiert. Die Orte, die er besucht hat, sind nicht nur geografische Punkte, sondern stehen symbolisch für den grundlegenden Wandel, der in der Region stattfindet. Die Städte Mödling, Traiskirchen, Baden und Wiener Neustadt sind nur einige Beispiele für die Schauplätze seiner Bilder, die verlassene Industrieanlagen, leerstehende Geschäfte und historische Wirtshäuser zeigen.
Der Strukturwandel, der durch die Fortentwicklung der Gesellschaft und das Aufkommen großer Einkaufszentren in den letzten Jahrzehnten geprägt ist, macht auch vor diesen Städten nicht Halt. Diese großen Handelsketten haben den lokalen Kleinbetrieben, den einst blühenden Greißlern und den familiären Pensionen stark zugesetzt.
Auf den Spuren der Vergangenheit
Die Fotografien von Kalmár sind mehr als nur Bilder; sie sind Zeitzeugnisse, die eine faszinierende Geschichte erzählen. Sie zeigen nicht nur den Verfall und das Verschwinden von einst lebendigen Orten, sondern verdeutlichen auch die Herausforderungen, mit denen viele Gemeinden heute konfrontiert sind. Die Bilder sind so ausgewählt, dass sie sowohl den Charme als auch die Melancholie der verschwundenen Architektur einfangen und die Betrachter dazu anregen, über die Veränderungen in ihrer Umgebung nachzudenken.
Das Buch und seine Botschaft
Das Werk trägt den Titel „Verschwundenes Industrieviertel“ und umfasst 140 Seiten, die reich an Informationen sind. Neben den stimmungsvollen Fotografien von Kalmár kommen auch die Autoren Ernst Bruckmüller, Reinhard Linke und Christoph Mayer zu Wort. In ihren Texten wird nicht nur die Geschichte dieser Orte beleuchtet, sondern es wird auch eine Reflexion über den Wert des Vergangenen angestoßen. Im Vorwort heißt es: „Nicht allem, was es nicht mehr gibt, muss nachgeweint werden“, doch das Verschwundene würde immer seinen besonderen Reiz haben. Diese Aussage spricht für die ambivalente Beziehung, die wir zu unserer Vergangenheit haben.
Einladung zur Buchpräsentation
Interessierte können die Autoren live erleben und mehr über die Entstehung des Buches erfahren. Am 26. September um 18:30 Uhr findet in der Buchhandlung Kral in Maria Enzersdorf eine Buchpräsentation statt. Interessierte sollten sich telefonisch unter 02236/47834 anmelden, um einen Platz zu sichern. Diese Veranstaltung bietet die Möglichkeit, in die Welt der Erinnerungen einzutauchen und die Geschichten hinter den Bildern zu hören.
Eine wichtige kulturelle Reflexion
Die Erhaltung des kulturellen Erbes und die Reflexion über unsere Geschichte sind für die Identität einer Gemeinschaft von grundlegender Bedeutung. Während wir uns in einer schnelllebigen Welt befinden, in der Vergangenheit oft ignoriert wird, bringt der Blick auf die verlorenen Orte des Industrieviertels nicht nur Nostalgie, sondern auch eine Chancen zur Diskussion über den Wert von Tradition und Gemeinschaftsleben. Das Werk von Kalmár und seinen Co-Autoren lädt dazu ein, über den Verkauf von Erinnerungen nachzudenken und wie das Wissen um unsere Geschichte uns helfen kann, die Zukunft besser zu gestalten.