Inga Krauss, eine 48-jährige Witwe aus Wangen, ist eine Kämpferin auf einem schwierigen emotionalen und finanziellen Terrain. Nach dem Verlust ihres Mannes, der 2017 an Krebs starb, musste sie sich nicht nur mit ihrer Trauer auseinandersetzen, sondern auch mit erheblichen finanziellen Sorgen. „Das war eine echte Katastrophe“, erinnert sie sich. Die Mutter von zwei kleinen Kindern war überwältigt von der Herausforderung, eine Lösung für die Zukunft ihrer Familie zu finden. Die schwierige Situation führte letztlich zu dem schmerzhaften Entschluss, ihr Haus verkaufen zu müssen.
Das deutsche Rentensystem bietet spezielle Regelungen, um Hinterbliebene nach dem Verlust eines Partners zu unterstützen, unter anderem durch die Witwenrente. Diese beträgt 55 Prozent der Rente des Verstorbenen, in bestimmten Fällen sogar 60 Prozent. Doch Krauss‘ Fall zeigt die Schwächen dieses Systems. Ihr Mann, ein Selbstständiger, hatte nicht kontinuierlich in die Rentenkasse eingezahlt, und aufgrund seiner Ehescheidung gehörten auch Rentenpunkte seiner Ex-Frau. Das Resultat war eine monatliche Witwenrente von nur 577 Euro, weit entfernt von dem, was die Familie benötigte, um die laufenden Kosten zu decken.
Der Weg zur Aktivistin
Im Laufe der Jahre hat sich Krauss von einer Betroffenen zu einer leidenschaftlichen Aktivistin entwickelt. Sie hat ein Buch mit dem Titel „Wenn der Tod dazwischenkommt“ geschrieben und eine Facebook-Gruppe mit mehr als 3000 Mitgliedern ins Leben gerufen. Ihr Ziel: Auf die oft ungerechte finanzielle Situation von jüngeren Verwitweten aufmerksam zu machen. In Deutschland beziehen etwa 1,2 Millionen Menschen im erwerbsfähigen Alter Witwenrente, wobei 85 Prozent davon Frauen sind. Viele dieser Frauen sind wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge einem hohen Risiko der Altersarmut ausgesetzt.
„Zwei bis drei Monatsrenten fallen weg für die nachgelagerte Besteuerung am Ende des Jahres“, erklärt Krauss. Diese Regelung frustriert viele Witwen, da sie somit noch weniger von der ohnehin schon geringen Rente haben. Sie sieht die Anrechnung des eigenen Einkommens als ungerecht an und stellt fest, dass es für viele Frauen unattraktiv wird, mehr zu arbeiten, weil dadurch der Freibetrag sinkt. „Die letzten Stunden, die ich aufstocken würde, liegen weit unter dem Mindestlohn“, sagt sie und betont das Absurde der Situation in einem Land, in dem es einen Fachkräftemangel gibt.
Politische Veränderungen in Sicht
In der aktuellen Regierung unter der Ampelkoalition hat man das Problem erkannt. Änderungen wurden in Aussicht gestellt, die, so Krauss, sie „irre gefreut“ haben: Ein Sockelbetrag von voraussichtlich 538 Euro im Monat soll künftig nicht auf die Witwenrente angerechnet werden. „Das sollte sicherstellen, dass eine Erwerbstätigkeit in Vollzeit zum gesetzlichen Mindestlohn nicht angerechnet wird“, heißt es aus Regierungskreisen.
Diese Reform ist Teil einer Initiative zur Förderung des Wachstums und sieht vor, Arbeitsanreize zu schaffen, um die wirtschaftliche Situation zu verbessern. Krauss erhält Unterstützung von politischen Akteuren wie Manuel Hagel, dem CDU-Fraktionsvorsitzenden im Landtag von Baden-Württemberg, der die Anstrengungen von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) lobt und dessen Reformen für eine erste positive Veränderung hält.
Doch trotz des Fortschritts bleibt Krauss kritisch. Sie betrachtet die Entscheidung, nur den Mindestlohn von der Anrechnung auszunehmen, als unzureichend und frauenfeindlich. „Warum nicht das Durchschnittseinkommen anrechnungsfrei machen?“, fragt sie. Für sie ist es klar, dass die eigentliche Lösung die vollständige Abschaffung der Hinzuverdienstgrenze sein sollte. „Wir brauchen eine grundlegende Reform, die wirklich gerecht ist und nicht nur halbherzige Lösungen bietet“, fordert sie.
Inga Krauss‘ Geschichte ist nicht nur die eines persönlichen Schicksals, sondern steht auch sinnbildlich für die Herausforderungen vieler Hinterbliebener in Deutschland. Der Kampf um eine gerechte finanzielle Unterstützung birgt die Hoffnung, dass in Zukunft nicht nur die Gesetze, sondern auch die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für Witwen und alle Betroffenen verbessert werden.