Immer häufiger müssen Kommunalpolitiker in Deutschland mit Gewalt und Drohungen rechnen. Die alarmierende Entwicklung zeigt sich in einem Anstieg der registrierten Straftaten gegen Amts- und Mandatsträger, der laut aktueller Berichte des Innenministeriums Baden-Württemberg besorgniserregend ist. Die Zahlen sind im ersten Halbjahr dieses Jahres um 54 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen.
Die vorherrschenden Formen der Aggression reichen von beleidigenden Kommentaren in sozialen Medien bis hin zu direkten physischen Übergriffen. Ein Ortsbürgermeister erfährt beispielsweise, dass er „sich nicht so sicher fühlen soll“, während einem Parlamentarier offen gedroht wird, dass man „jederzeit zuschlagen“ könnte. Solche aggressiven Äußerungen sind nicht nur im Netz zu beobachten; auch auf der Straße und in anonymen Briefen sind Politiker zunehmend Anfeindungen ausgesetzt.
Zunahme der Gewalt und ihre Ursachen
Der Innenminister von Baden-Württemberg, Thomas Strobl (CDU), weist darauf hin, dass der jüngste Anstieg der Gewalt im politischen Kontext der bevorstehenden Europa- und Kommunalwahlen steht. „Die politische Stimmung ist aufgeheizt“, sagt Strobl, „und wir stellen erfahrungsgemäß mehr Gewalt und Aggression fest.“ Diese möglicherweise durchwachsene gesellschaftliche Stimmung könnte auch dazu führen, dass weniger Menschen bereit sind, sich politisch zu engagieren, aus Sorge vor Repressalien.
Strobl zeigt sich besorgt über das Potenzial dieser Entwicklung: Wenn immer weniger Menschen bereit sind, ein öffentliches Amt zu übernehmen oder sich für ihre demokratischen Rechte einzusetzen, sind die grundlegenden Werte unserer Demokratie in Gefahr. Die Verrohung der Gesellschaft zeichnet sich nicht nur im Bereich der politischen Aggression ab; auch Gewalt gegen Polizisten und Feuerwehrleute nimmt zu und führt zu einer allgemeinen Verunsicherung in der Bevölkerung.
Gesetzesinitiativen zum Schutz der Politiker
In Reaktion auf die steigenden Übergriffe fordert der Gemeindetag Baden-Württemberg seit Jahren schärfere Strafen, um Politiker vor Stalkern und anderen Angreifern zu schützen. Der Präsident des Gemeindetags, Steffen Jäger, hebt hervor, dass es keinen rechtsfreien Raum für Hass und Hetze geben darf. Er betont, dass Straftaten gegen Amts- und Mandatsträger stets von öffentlichem Interesse sind und daher nicht eingestellt werden dürfen, nur weil es an öffentlichem Interesse mangelt.
Vor einer Woche wurde ein Gesetzentwurf im Bundeskabinett vorgestellt, der darauf abzielt, den Schutz von Ehrenamtlichen und Einsatzkräften zu verbessern. Der geplante Gesetzesentwurf sieht vor, dass Angriffe auf politisch engagierte Menschen, darunter Mitglieder von Gemeinderäten oder des Europäischen Parlaments, als Straftaten gewertet werden. Dies könnte möglicherweise zu einem angemesseneren rechtlichen Rahmen führen, um solche Übergriffe schwerer zu bestrafen und damit einem weiteren Anstieg entgegenzuwirken.
Die Verunsicherung unter kommunalen Amtsträgern wächst und die Zahl derjenigen, die sich trauen, ein öffentliches Amt zu übernehmen, nimmt ab. Dies ist nicht nur ein Alarmzeichen für die Demokratie, sondern auch ein Signal dafür, dass die Gesellschaft als Ganzes darüber nachdenken muss, wie mit Aggression und Gewalt umgegangen wird.