Die jüngsten Entwicklungen in der Ukraine rund um die Orthodoxe Kirche sorgen für Aufsehen und erregen die Gemüter. Mit einem klaren Votum hat das ukrainische Parlament ein Gesetz verabschiedet, das der Ukrainischen Orthodoxen Kirche (UOK) nahezu ihre legitime Existenzgrundlage entzieht. Präsident Wolodymyr Selenskyj bezeichnete das Vorhaben als einen entscheidenden Schritt hin zu geistlicher Unabhängigkeit. Diese Maßnahme folgt den Vorwürfen, dass die von Moskau abhängige Kirche Verbindungen zum russischen Regime und dessen militärischen Aktivitäten unterhält.
Die UOK, welche sich äußerlich nach dem Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine als unabhängig erklärte, steht im Fokus der Anklage, eine Institution zu sein, die das Leid der ukrainischen Bevölkerung nicht nur legitimiert, sondern sich sogar mit dem sogenannten Feind verbündet. Experten in Kiew sind sich einig, dass die Kirche nach wie vor als Teil der Russisch-Orthodoxen Kirche zu betrachten ist, was die Bedenken der Regierung verstärkt.
Religiöse Zugehörigkeit im Umbruch
Die Gläubigen der UOK haben bis zum Sommer nächsten Jahres Zeit, zu der national anerkannten Orthodoxen Kirche der Ukraine (OKU) zu konvertieren, die weiterhin legal operiert. Diese Entscheidung hat internationale Resonanz gefunden. Moskau reagierte mit scharfer Kritik und bezeichnete die ukrainischen Schritte als Versuch, die wahre Orthodoxie zu vernichten, was für viele als ein ernsthafter Eingriff in die Religionsfreiheit wahrgenommen wird.
Der Konflikt beleuchtet auf schmerzhafte Weise die Spannungen im religiösen Leben der Ukraine. Wissenschaftler und Kirchenrechtler äußern Bedenken, dass eine Zwangsmissionierung und die Teilung entlang konfessioneller Linien zu einer gefährlichen sozialen Spaltung führen könnten. Regina Elsner, Professorin für Ostkirchenkunde, beschreibt dies als besorgniserregend, da es einfache Gläubige in die Zwickmühle zwischen den politischen Zielen des Staates und der persönlichen Glaubensüberzeugung bringen könnte. Auch sie erkennt die legitimen Sicherheitsinteressen der Ukraine an, weist jedoch auf die Gefahren einer möglichen Radikalisierung hin.
Tradition und Unterstützung
Die UOK hat eine lange Geschichte in der Ukraine und verwaltet sich seit der Unabhängigkeit der Ukraine von der Sowjetunion selbst. Der Regierung zufolge gab es kleine Verletzungen von Bauvorschriften bei den historischen Klosteranlagen, die als weiteren offiziellen Grund angeführt werden, um den Nutzungsvertrag für das berühmte Höhlenkloster Lawra, einen der wichtigsten Orte der orthodoxen Christenheit, aufzulösen. Dieses Kloster ist nicht nur ein spirituelles Zentrum, sondern auch ein Teil des gemeinsamen historischen Erbes der Ostslawen.
Die nationale Orthodoxe Kirche der Ukraine (OKU) wurde im Jahr 2019 von Patriarch Bartholomaios I. von Konstantinopel anerkannt und stellt für viele Gläubige eine echte Alternative zur UOK dar. Diese erkennt die politischen Widerstände an und versucht dennoch, die kulturelle Identität und den Glauben in der Ukraine aufrechtzuerhalten. Die historische Bedeutung der Ukraine als Wiege des ostslawischen Christentums ist unbestritten und ist gleichsam ein Grund für diesen Konflikt zwischen den orthodoxen Kirchen, wobei das Moskauer Patriarchat weiterhin Ambitionen hegt, die Kontrolle über die Region aufrechtzuerhalten.
Diese Kirchenspaltung und die beabsichtigte Zusammensetzung des Glaubenslebens in der Ukraine spiegeln den tiefen kulturellen Graben wider, der das Land in der aktuellen politischen Lage betrifft. Der Umgang der Ukraine mit der UOK scheint also nicht nur eine Frage der religiösen Zugehörigkeit, sondern auch ein entscheidender Aspekt im größeren geopolitischen Machtspiel zu sein, das sich bisher in ganz Osteuropa abspielt.