In einer bedeutenden Wendung hat Deutschland erstmals seit 2021 wieder Menschen nach Afghanistan abgeschoben, und das während laufender Asylverfahren. Dies geschah vor allem mit dem Ziel, verurteilte Straftäter zu repatriieren. Österreich hat diese Entscheidung begrüßt und plant, ähnliche Schritte zu unternehmen. Doch die Frage bleibt: Ist das so einfach möglich?
Friedrich Kinzlbauer, ein Asylexperte und ehemaliger Richter am Bundesverwaltungsgericht, erklärte in der ZiB2, dass die deutsche Abschiebung über einen offiziellen Kanals des Emirats Katar abgewickelt wurde. Dabei sind vermutlich umfangreiche finanzielle Mittel geflossen, um die Rückführungen zu ermöglichen. Die Herausforderungen und rechtlichen Hürden, die mit zukünftigen Abschiebungen nach Afghanistan verbunden sind, dürfen nicht unterschätzt werden.
Rechtsunsicherheiten und mögliche Klagen
Die rechtlichen Fragen, die mit der Abschiebung verbunden sind, sind sehr komplex. Kinzlbauer hebt hervor, dass jede Abschiebung eine Einzelfallentscheidung darstellt. Er sieht die aktuelle deutsche Praxis als potenziell anfechtbar an. Es ist durchaus möglich, dass die Abgeschobenen Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte einreichen. Sollten diese klagen, könnte das Gericht entscheiden, dass die Abschiebungen rechtswidrig waren. Hierbei müssen zahlreiche Faktoren berücksichtigt werden, wie die Frage, ob die Abgeschobenen in Afghanistan überleben können und ob sie dort soziale Netzwerke oder Sprachkenntnisse besitzen.
Kinzlbauer betont außerdem, dass zukünftige Abschiebungen nach Afghanistan nur in rechtssicherer Weise durchgeführt werden können, wenn Gespräche mit den Taliban geführt werden. Ohne eine Einigung mit dieser Gruppe sei eine Rückführung kaum realisierbar. Dies wirft neue Fragen auf, dass die Einhaltung von rechtlichen Standards möglicherweise von politischen Verhandlungen abhängt.
Mythen rund um Kettenabschiebungen
Ein weiterer Punkt, den Kinzlbauer anspricht, sind die Mythen über Abschiebungen in Drittländer. Oft wird von der Möglichkeit gesprochen, dass Abgeschobene in andere Länder weitergeschoben werden können. Diese Praktiken würden als „Kettenabschiebungen“ bezeichnet und sind rechtlich nicht zulässig. Kinzlbauer fordert hier eine transparente Kommunikation seitens der Politik. Die Bevölkerung sollte über die tatsächlichen Rechtslagen und Möglichkeiten informiert werden.
Im skandinavischen Raum, namentlich in Dänemark und Schweden, wird häufig auf deren Rigide Rückführungspolitik verwiesen. Kinzlbauer weist jedoch darauf hin, dass dieser Ansatz in der Praxis oft nur zu einem Vertreibungs-Effekt führt. Menschen ohne Aufenthaltsstatus in diesen Ländern versuchen aus verschiedenen Gründen, weiterzuziehen, was die Komplexität der gesamten Situation zusätzlich erhöht.
In der aktuellen Diskussion um die Rückführungen nach Afghanistan ist es entscheidend, die rechtlichen Rahmenbedingungen und die humanitären Aspekte klar zu definieren. Experten wie Kinzlbauer machen deutlich, dass es an der Zeit ist, eine ehrliche und sachliche Diskussion über die Möglichkeiten der Abschiebungen und deren Konsequenzen zu führen.