Hermagor

Paolo Santonino : Ein bewegendes Theaterstück über Gewalt und Glaube

Beim beeindruckenden Schauspiel "Paolo Santonino" im malerischen Schloss Möderndorf schlagen Engelbert Obernosterer und Werner Wölbitsch mit einem dramatischen Blick auf mittelalterliche Gewalt an Frauen Alarm!

Im Gailtal gibt es momentan ein großes Aufsehen um das Theaterstück „Paolo Santonino“, das das Publikum in seinen Bann zieht. Die Produktion, unter der Regie von Werner Wölbitsch und verfasst von Engelbert Obernosterer, bietet einen tiefen Einblick in die dunklen Seiten des ausgehenden Mittelalters und behandelt brisante Themen, die auch heute noch von großer Relevanz sind.

Der Autor Engelbert Obernosterer hat auf der Grundlage historischer Aufzeichnungen des Paolo Santonino, einem weltlichen Begleiter des Bischofs von Caorle, ein kraftvolles Sittenbild des damaligen Lebens im Oberkärntner Raum geschaffen. Das Stück thematisiert die Reise von Santonino im Jahr 1485 in von Türken heimgesuchte Gebiete, um verwüstete Kirchen zu weihen und der ausgelieferten Bevölkerung beizustehen. Dies ist nicht nur eine historische Rückblende, sondern eine lebendige Auseinandersetzung mit der Gesellschaft der damaligen Zeit.

Die dramatische Handlung

Das Stück verfolgt fünf Akte, die verschiedene Facetten des menschlichen Schicksals, Glaubens und insbesondere der Gewalt aufzeigen. Der erste Akt spielt am Hof des Görzer Grafen Leonhard in Lienz. Hier beklagt die junge Gräfin Paola, die aus einer wohlhabenden Familie stammt, ihr unglückliches Schicksal in der kulturellen Öde des Dolomitenraums. Sie ist in eine unglückliche Ehe mit einem groben Mann geraten und sieht sich in einem goldenen Käfig gefangen.

Kurze Werbeeinblendung

Im zweiten Akt wird das Publikum Zeuge einer Ansprache des Bischofs in Kötschach, in der er den Türkeneinfall als göttliche Strafe für die Sünden der Menschen darstellt. Ein Narr drängt sich in die Szene, um die fragwürdigen Wahrheiten des Bischofs aus der Perspektive der einfachen Leute zu kommentieren. Dies zeigt schnell, dass die verschiedenen sozialen Schichten unterschiedliche Sichtweisen auf die gleichen Ereignisse haben.

  • Der dritte Akt behandelt die Visitation in St. Daniel, wo ein Fuhrmann verzweifelt um Hilfe bittet, nachdem seine Tochter von einem Grafen geschwängert wurde. Die Antwort des Bischofs hinterlässt ihn in einer noch verzweifelteren Lage.
  • Im vierten Akt beklagt ein Burgherr den Verfall der ritterlichen Werte und findet Trost in einer verbotenen Affäre mit der Burgherrin.
  • Der fünfte Akt bringt ein dramatisches Ende, als der Fuhrmann versucht, den Grafen öffentlich anzuklagen, aber dabei zu Tode kommt. Dieser Akt des Aufbegehrens konfrontiert das Publikum mit der Realität der Macht und der Ohnmacht.

Am Ende dieser komplexen Geschichte bleibt die Frage, ob es Sinn macht, die bestehende Ordnung aufrechtzuerhalten, ein Thema, das die Zuschauer nachhaltig beschäftigt. Das Stück nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn es um die dargestellte Gewalt und das Schicksal, insbesondere der Frauen, geht, was aktuelle gesellschaftliche Fragen aufwirft.

Die bedeutenden Darsteller

In diesem beeindruckenden Ensemble spielen viele talentierte Schauspieler. Michael „Buzgi“ Buchacher verkörpert den Paolo Santonino, während Günther Marizzi die Rolle des Bischofs übernimmt. Die junge Gräfin wird von Tina Pugelj gespielt, und Erhard Obernosterer selbst gibt den Grafen Leonhard von Görz. Viele weitere Darsteller aus verschiedenen Amateur-Theater- und Kulturgruppen der Region tragen dazu bei, dass diese Aufführung ein publikumswirksamer Erfolg ist.

Ein weiterer besonderer Aspekt dieser Aufführung ist, dass der Reinerlös der Vorführungen dem Soroptimist-Club Hermagor zugutekommt. Diese Organisation setzt sich für Frauen ein, die unter männlicher Gewalt leiden, was die Relevanz des Themas unterstreicht.

Das Stück läuft noch bis zum 1. September, und die Sehenswürdigkeiten des Gailtals sorgen für eine malerische Kulisse, die sowohl die traumatische als auch die kulturelle Tiefe der Aufführung ergänzt. Die letzten Plätze können bei den Raiffeisenbanken in Kötschach und Hermagor erworben werden.

Ein Stück mit zeitlose Relevanz

„Paolo Santonino“ ist mehr als nur ein Theaterstück; es ist eine Auseinandersetzung mit der menschlichen Natur, Machtstrukturen und der Rolle der Frauen in der Gesellschaft. Die eindringliche Darbietung und die gesellschaftlich relevanten Themen laden das Publikum nicht nur zur Unterhaltung, sondern auch zur Reflexion ein. In Zeiten, in denen Gewalt gegen Frauen ein drängendes Problem bleibt, schafft es das Stück, sowohl zeitlos zu sein als auch akuten Themen der Gegenwart einen Raum zu geben. Die verstärkte Sensibilisierung für solche Themen macht diese Theaterproduktion besonders wertvoll.

Historische Kontexte

Das Drama *„Paolo Santonino“* beleuchtet die gesellschaftlichen und politischen Umstände im späten Mittelalter, eine Zeit geprägt von instabilen Machtverhältnissen und sozialen Umbrüchen. Diese Epoche war nicht nur von militärischen Auseinandersetzungen, sondern auch von einem tiefen Glaubenskonflikt und dem Einfluss der römisch-katholischen Kirche gekennzeichnet. Die Erzählung von Paolo Santonino spiegelt die Herausforderungen und Veränderungen der damaligen Zeit wider, einschließlich der Auseinandersetzungen mit der osmanischen Expansion in Europa, die viele europäische Gesellschaften in Angst und Schrecken versetzte.

Im Vergleich lässt sich die Thematik der gewaltsamen Konflikte und ihrer sozialen Implikationen auch in den turbulenten Zeiten der Reformation und der Aufklärung erkennen. Während die Reformation den Glauben und die religiösen Strukturen in Europa in Frage stellte, offenbarten viele literarische und künstlerische Werke dieser Zeit die zunehmenden Spannungen zwischen alten Traditionen und neuen Ideen. Diese Parallelen zeigen, dass der Umgang mit Konflikten und Gewalt über Jahrhunderte hinweg ein zentrales Thema der menschlichen Erfahrung bleibt, das auch in der heutigen Zeit immer noch relevant ist.

Gesellschaftliche Auswirkungen und Themen

Die Auseinandersetzung mit Gewalt, insbesondere gegen Frauen, steht im Mittelpunkt des Werkes. In der heutigen Gesellschaft sind die Themen Gewalt gegen Frauen und soziale Gerechtigkeit immer noch von großer Bedeutung. Laut der aktuellen Statistik des Bundeskriminalamts in Deutschland wurden im Jahr 2021 mehr als 120.000 Fälle von häuslicher Gewalt registriert. Diese Zahlen verdeutlichen, dass trotz moderner Fortschritte im rechtlichen und gesellschaftlichen Verständnis von Genderfragen, die Probleme nach wie vor bestehen, und die Bewusstseinsbildung in der Gesellschaft unerlässlich ist.

Das Stück setzt sich auch mit dem Thema Glauben und dessen Rolle in der Gesellschaft auseinander. Der Bischof, der den türkischen Vorstoß als Strafe Gottes interpretiert, spiegelt die weitverbreitete Einstellung der damaligen Zeit wider, dass göttliches Eingreifen die menschlichen Konflikte beeinflusst. Ein solcher Glaubenssatz kann auch in modernen religiösen Diskursen gefunden werden, wo ethische Fragestellungen und die Rolle der Religion im Alltag immer wieder diskutiert werden müssen.

Rezeption und Bedeutung heutiger Aufführungen

Die Inszenierung von *„Paolo Santonino“* wird nicht nur als künstlerisches Ereignis, sondern auch als gesellschaftlich relevantes Projekt angesehen. Der Reinerlös der Aufführungen wird dem Soroptimist-Club Hermagor zugeführt, der sich für Frauen einsetzt, die unter männlicher Gewalt leiden. Diese Verbindung von Kunst und sozialem Engagement ist essenziell, um eine Plattform für Dialog und Veränderung zu schaffen. Theater hat sich historisch als kraftvolles Medium erwiesen, um Missstände anzuprangern und das Bewusstsein für soziale Themen zu schärfen.

Darüber hinaus zeigt die Vielzahl von Darstellern aus unterschiedlichsten Amateurgruppen das Engagement der Bevölkerung für kulturelle Ausdrucksformen. Solche gemeinschaftlichen Projekte fördern nicht nur die Kunst, sondern stärken auch das soziale Gefüge in der Region und tragen zur kulturellen Identität bei.

Quelle/Referenz
gailtal-journal.at

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"