Die Erstausstrahlung von „Der Herr Karl“ am 15. November 1961 war ein epochales Ereignis in der österreichischen Medienlandschaft. Geschrieben von Helmut Qualtinger und Carl Merz und inszeniert von Erich Neuburg, brachte das einstündige Monologstück nicht nur Unterhaltung, sondern stellte gleichzeitig das Selbstbild vieler Österreicher auf die Probe. Als scheinbar harmloser Feinkostmagazineur entblößt der Protagonist, der opportunistische Herr Karl, die oft verdrängten Schattenseiten der österreichischen Geschichte und Politik, insbesondere den Umgang mit dem Nationalsozialismus. Dieser mit einem charmanten Lächeln versehene Antiheld wird als Mittäter der Vergangenheit entlarvt, was für eine Welle der Empörung sorgte, wie NOEN berichtet.
Ein Monolog voller Widersprüche
Der Herr Karl ist eine komplexe Figur, die sich über die Jahre als Verkörperung des „typischen Wieners“ etabliert hat. Er erzählt seine Lebensgeschichte aus dem Lager eines Lebensmittelgeschäfts und reflektiert dabei über die politischen Umbrüche in Österreich von der Ersten Republik bis in die Nachkriegszeit. Zuerst ein kleiner Sozialist, entpuppt sich Herr Karl schnell als Mitläufer und Opportunist, der sich bereitwillig an die jeweilige politische Macht anpasst. Der gängige Glaube der Opferthese, dass Österreich das erste „Opfer“ des Nationalsozialismus war, wird durch die Darstellung des Herrn Karl scharf hinterfragt. Die Ausstrahlung des Stücks brach tabuisierte Themen auf und führte zu einem Proteststurm in der Bevölkerung, da viele Leser sich in der Rolle des opportunistischen Mitläufers nicht erkennen wollten, wie auch Wikipedia anmerkt.
Im Laufe der Jahrzehnte hat sich „Der Herr Karl“ als eines der bedeutendsten Werke der österreichischen Nachkriegsliteratur behauptet. Die satirische Prägung des Monologstücks, gepaart mit Qualtingers charakteristischem Dialekt, spricht nach wie vor das Publikum an und schafft eine Verbindung zwischen den historischen Ereignissen und der heutigen Gesellschaft. Der Herr Karl, der von einem Schauspieler wie Klaus Rott oder zuletzt von Andreas Vitásek verkörpert wurde, bleibt nicht nur ein Bestandteil der Wiener Kulturszene, sondern auch ein Spiegel der menschlichen Natur und der „Banalität des Bösen“, die auch Hannah Arendt beschrieben hat.
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