In einem beispiellosen Jahr beginnt die Weinernte in Wien unter extremen Bedingungen, die bislang kaum zu beklagen waren. Die frühe Lese in der Hauptstadt an der Donau ist nicht nur eine Besonderheit, sondern auch eine Herausforderung für alle Beteiligten. Bevor die Erntehelfer, die größtenteils aus Nordmazedonien stammen, ihren Arbeitstag beginnen, müssen sie sich an die Hitze und die Sonne anpassen. Ein Kopfschutz, reichlich Sonnencreme und große Mengen Wasser gehören mittlerweile zur Grundausstattung, während die traditionelle Wintersäcke und Tee der Vergangenheit angehören. Trotz der schicken langen Hosen, die gegen Zecken und Wespen schützen, ist die Vorbereitung auf die Hitze unerlässlich.
Die Lese beginnt bereits in den frühen Morgenstunden, wenn die Temperaturen noch erträglich sind. Drei Liter Wasser nimmt jeder Arbeiter mit auf die Felder, und sollte das nicht ausreichen, sorgt der Traktorfahrer für Nachschub, damit die Trauben schnellstmöglich zum Weingut transportiert werden können. Die Zeit drängt, denn die Trauben verlieren bei den hohen Temperaturen schnell an Qualität.
Qualität über Quantität
Wieninger, einer der größten Weinhauer Wiens mit 85 Hektar Anbaufläche, äußert sich optimistisch über seine Ernte. Obwohl die Trauben liebevoll betreut werden, spricht er von einer unterdurchschnittlichen, jedoch qualitativ hochwertigen Ernte. „Hier sieht es aus wie in Kalifornien – die Trauben sind gesund, alles wunderbar,“ sagt er und fährt fort, dass es jetzt entscheidend sei, zügig zu arbeiten. Zu süße Trauben resultieren in Weinen mit mehr Alkoholgehalt, was in der Branche nicht mehr gefragt ist. „13,5 bis 14 Prozent – das will niemand mehr,“ stellt er klar. Stattdessen geht es um die richtige Balance von säuerlichen Noten, Lebendigkeit und Charakter. Diese Veränderungen sind eine direkte Reaktion auf die Klimaveränderungen, die die Anbautechniken umgestalten müssen.
Um die Herausforderung zu meistern, hat Wieninger bereits einige Toplagen am Nussberg vorzeitig abgeerntet, nachdem ein Hagelgewitter Schäden verursacht hatte. Während andere Winzer die Trauben im Nassen bejammerten, war Wieninger bestrebt, schnell zu handeln, was seiner langjährigen Erfahrung und der professionellen Partnerschaft mit seinen Erntehelfern zugutekommt. Wer produktiv bleiben möchte, muss flexibel sein, und das weiß er nur zu gut.
Einzigartig sind die Methoden, die Wieninger im Weinbau nutzt. Seit etwa 15 Jahren bewirtschaftet er seine Weinberge biodynamisch und setzt auf Gründüngung mit Klee, um die Böden zu schützen. Diese nachhaltigen Anbaupraktiken tragen dazu bei, die Weingärten besser durch Extremwetter zu bringen. Viele der früheren Kritiker, die an traditionellen Methoden festhielten, sind mittlerweile auch auf den Bio-Zug aufgesprungen.
Einigkeit und Leidenschaft
Obwohl die Arbeiter von diesem „roten Gold“ nicht probieren dürfen, sorgt Wieninger dafür, dass sie während der langen Arbeitstage stets gut versorgt werden. „Wir sind ein Team. Jeder kann stolz auf unseren Wein sein.“ In Zeiten extremer Herausforderungen sind es solche starken Gemeinschaften, die den Unterschied machen und die Qualität der Ernte garantieren.