
Die Partei Rassemblement National (RN) unter der Führung von Marine Le Pen ist in Aufruhr, nachdem die französische Politikerin am Montag wegen Veruntreuung von EU-Mitteln verurteilt wurde. Der Parteichef Jordan Bardella kündigte für das kommende Wochenende Proteste an, um gegen das als politisch motiviert empfundene Urteil zu demonstrieren. Le Pen selbst bezeichnete das Urteil als „Vernichtungsschlag“ des politischen Gegners und plant, gegen den Richterspruch Berufung einzulegen. „Die Franzosen sollten empört sein über diese Entscheidung“, betonte Bardella und kritisierte die unabhängigen Richter, die das Urteil gefällt haben.
Le Pen, die zu vier Jahren Haft verurteilt wurde, muss zwei Jahre davon in Haft verbringen, während die anderen zwei Jahre unter Hausarrest verbracht werden. Zudem wird sie mit einer Geldstrafe von 100.000 Euro belegt. Allerdings wird diese Strafe erst nach Abschluss des Berufungsverfahrens wirksam. Die Richterin Bénédicte de Perthuis hob hervor, dass Le Pen über vier Millionen Euro an EU-Geldern veruntreut hat. In einer aktuellen Umfrage unterstützen 57 Prozent der Franzosen das Urteil, während 42 Prozent es als politisch voreingenommen betrachten. Staatsanwalt Rémy Heitz verteidigte das Urteil, wagte jedoch den Hinweis, dass es Besorgnis über Drohungen gegen die Richterin gibt, die mittlerweile unter Polizeischutz steht.
Politischer Kontext und Reaktionen
Die Situation hat auch internationale Reaktionen hervorgerufen. Die italienische Premierministerin Giorgia Meloni und Vizepremier Matteo Salvini äußerten ihre Solidarität mit Le Pen und kritisierten das Urteil scharf. Der Rechtsstreit um Le Pen könnte zudem erhebliche Auswirkungen auf ihre Kandidatur bei der Präsidentschaftswahl 2027 haben, sollte der Berufungsprozess vor der Wahl stattfinden. Die Frage, ob dies möglich ist, bleibt nun beim Berufungsgericht.
Rechtsextremismus ist ein Thema von wachsender Bedeutung in Europa. Auch die europäischen Sicherheitsbehörden bewerten rechtsextremistische Gewalt und Rechtsterrorismus als hochgradige Bedrohung für die Demokratie. Nach Berichten von der Bundeszentrale für politische Bildung sind die Sicherheitsrisiken in EU-Staaten unterschiedlich ausgeprägt, jedoch übersteigt die Zahl rechtsextremistischer Anschläge oft die islamistischer Anschläge Europas. Während der niederländische Inlandsnachrichtendienst 2019 als Jahr mit den meisten rechtsterroristischen Anschlägen bewertete, erlebte Deutschland einen Anstieg an festgenommenen Terrorverdächtigen im Jahr 2018, was die Besorgnis über die Gefahr des Rechtsextremismus verdeutlicht.
Auswirkungen auf die Gesellschaft
Diese Entwicklungen sind besonders bedeutsam im Kontext der gesellschaftlichen Spannungen in Europa. Daten der Global Terrorism Database zeigen, dass EU-Staaten im Vergleich zu anderen Regionen nicht unter den am stärksten von Terroranschlägen betroffenen Ländern stehen. Dennoch ist das Potenzial für rechtsterroristische Gewalt in Ländern wie Deutschland im europäischen Vergleich hoch, insbesondere nachdem zwischen 2013 und 2018 die Zahl der rechtsterroristischen Vorfälle in demokratischen Verfassungsstaaten dreifach anstieg. Die Radikalisierung von Individuen wird oft durch soziale Medien begünstigt, die eine Plattform für extremistisches Gedankengut bieten.
Die Rassemblement National und ihre Unterstützer sehen sich angesichts der aktuellen rechtlichen und politischen Entwicklungen einer komplexen Situation gegenüber, die nicht nur die direkte Parteipolitik betrifft, sondern zugleich auch in einen größeren Kontext der europäischen Sicherheits- und Gesellschaftspolitik eingebettet ist. Während ein Berufungsverfahren ansteht, bleibt abzuwarten, welche Auswirkungen die kommenden Proteste und politischen Reaktionen auf die französische Politlandschaft haben werden.
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