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Theater Lübeck: Weinbergs Die Passagierin berührt und provoziert

Gerade in dieser Zeit, in der rechtskonservative Kräfte in Deutschland an Einfluss gewinnen, finden sich einige Theater, die sich dem Thema der Vergangenheit und ihrer Verarbeitung widmen. Besonders auffällig ist die Inszenierung der Oper „Die Passagierin“ von Mieczysław Weinberg, die trotz des schwierigen Themas durch Ästhetik und Nachdenklichkeit besticht. Nach ihrer Uraufführung 2010 bei den Bregenzer Festspielen wird das Stück zunehmend in deutschen Theatern aufgeführt, darunter aktuell im Theater Lübeck.

Die Oper basiert auf einem autobiografischen Roman der polnischen Schriftstellerin Zofia Posmysz und spiegelt Weinbergs eigene traumatischen Erfahrungen wider. Der Komponist überlebte das Schicksal, das den Nationalsozialisten Tausende von Menschen kostete, und diese Erfahrungen durchziehen die Handlung der Oper.

Die Inszenierung in Lübeck

Am Theater Lübeck haben Regisseur Bernd Reiner Krieger und Bühnenbildner Hans Kudlich eine beeindruckende Inszenierung geschaffen. Das Bühnenbild, das den Bug eines Schiffes darstellt, ist stark nach expressionistischen Vorbildern gestaltet. Um dem Publikum die Verflechtungen der verschiedenen Zeitebenen näherzubringen, wird durch einen halbtransparenten Vorhang zwischen der Gegenwart und den Erinnerungen der Protagonistin Lisa unterschieden. So werden die Zuschauer auf subtile Weise in die verschiedenen Emotionen und Erinnerungen hineingezogen.

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Ein zentrales Element sind die Erinnerungen von Lisa, die sowohl eine Aufseherin in Auschwitz war als auch ihre Rolle auf dem Schiff. Die Inszenierung erfasst das Leid der Häftlinge und die Verbrechen, die während des Holocaust begangen wurden, und lässt diese tiefen Emotionen für das Publikum greifbarer werden. Die Darstellung der unterschiedlichen Bühnenelemente zeigt eindrucksvoll, wie wichtig es ist, die Geschichte nicht nur zu erzählen, sondern auch durch Emotionen erlebbar zu machen.

Die musikalische Darbietung

Die Musik von Weinberg ist in ihrer Struktur genauso vielschichtig wie die Handlung. Das Philharmonische Orchester Lübeck, unter der Leitung von Takahiro Nagasaki, liefert eine dynamische und facettenreiche Aufführung, die das Publikum sowohl in die ruhige Einsamkeit der Inhaftierten als auch in die lauten, chaotischen Momente des Lagers eintauchen lässt. Die Vielfalt des Komponisten wird durch jazzige Einflüsse und volkstümliche Rhythmen lebendig, sodass die Musik die Geschehnisse auf der Bühne intensiv unterstützt.

Ein besonders eindrucksvolles musikalisches Element ist die Chaconne, die von einem im Kontrast zur Dramatik stehenden Walzer begleitet wird. Dies zeigt die Fähigkeit von Weinberg, mit seinem musikalischen Stil die düstere Vergangenheit angemessen zu reflektieren und gleichzeitig die emotionale Tiefe der Charaktere zu verdeutlichen. Dennoch gibt es Raum für ein noch tieferes Verständnis der musikalischen Elemente. Hier gibt es Potenzial für eine noch stärkere emotionale Ausdeutung.

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Die Darsteller haben eine entscheidende Rolle in dieser Aufführung gespielt. Marlene Lichtenberg überzeugt in der Hauptrolle als Lisa mit einem kraftvollen Mezzosopran und einer eindringlichen Darstellung der inneren Zerrissenheit ihrer Rolle. Konstantinos Klironomos als Walter und Adrienn Miksch als Marta ergänzen das Ensemble auf beeindruckende Weise. Miksch schafft es, die dramatische Spannweite von Marta eindrucksvoll darzustellen, von der Verletzlichkeit bis zur Stärke.

Besonders bemerkenswert war der Vortrag von Miksch, als sie das Gedicht von Sándor Petőfi vortrug, in dem sie sich zur Freiheit bekennt. Diese Darbietung tritt als emotionale Kernbotschaft der Oper hervor und verdeutlicht den Kampf für die Freiheit Ihrer Charaktere, unterstützt durch den stark wirkenden Frauenchor des Theaters Lübeck.

Die Inszenierung konnte durch einen überzeugenden Umgang mit der dramatischen Thematik, die sängerischen Fähigkeiten der Darsteller und das kreative Bühnenkonzept punkten. Jedoch bleibt die Frage nach der Intention dieser Aufführung in diesen politischen Zeiten unklar. Sicher ist, dass die Aufführung bei den Zuschauern einen bleibenden Eindruck hinterlässt und viele zum Nachdenken anregt.

Ein Besuch im Theater Lübeck ist daher nicht nur ein kulturelles Erlebnis, sondern auch eine Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte und der darüber hinausgehenden Bedeutung für die heutige Gesellschaft. Insbesondere die Frage nach dem Zeitpunkt und der Notwendigkeit einer solchen Darbietung bleibt offen. Die Antwort darauf scheint sich jeder selbst zu erarbeiten.

Mehr Details zu dieser bewegenden Inszenierung finden Sie in einem Artikel auf www.concerti.de.

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