Der Bundestag hat einen entschlossenen Schritt unternommen, um sicherzustellen, dass antisemitische Projekte künftig keine staatlichen Fördergelder mehr erhalten. Doch Kulturstaatsministerin Claudia Roth äußert Bedenken, dass dies auch die Förderung von William Shakespeares berühmtem Stück „Kaufmann von Venedig“ gefährden könnte. Roth scheint damit erneut zu zeigen, dass sie die kulturellen Implikationen ihrer Äußerungen nicht ganz durchschaut.
Die Debatte um Roths Verständnis von Kultur ist nicht neu. Nach dem antisemitischen Skandal auf der Documenta 15 und ihrer umstrittenen Unterstützung antisemitischer Reden auf der Berlinale ist die Kritik an ihrer Person lauter geworden. Der „Spiegel“ berichtete, Roth befürchte, dass die neue Regelung, die staatliche Mittel für antisemitische Projekte streichen soll, auch für eine Shakespeare-Inszenierung gelten könnte. Sie behauptet, dass bei einer solchen Aufführung „eindeutig kein antisemitisches Ziel“ verfolgt werde.
Shylock und die Antisemitismus-Debatte
Doch die Realität sieht anders aus. Shakespeares Darstellung des jüdischen Geldverleihers Shylock ist umstritten und kann durchaus antisemitisch interpretiert werden. Der Dichter Heinrich Heine beschrieb Shylock als ein „verhasstes Fabelgeschöpf“, das von der Gesellschaft geächtet wird. Roths Behauptung, dass es bei Shakespeares Werk keine antisemitischen Intentionen gebe, lässt viele im Kulturbereich aufhorchen. Historisch wurde das Stück oft für rassistische Propaganda missbraucht, wie die berüchtigte Inszenierung von 1943 am Wiener Burgtheater zeigt, die von den Nazis zur Verbreitung ihrer Ideologie genutzt wurde.
Selbst moderne Inszenierungen, wie die von Tilmann Köhler in Dresden, haben die Problematik nicht ausgeschlossen. Hier wurde im Programmheft behauptet, dass in Venedig „jüdische auf christliche Werte“ treffen, was die Verwirrung über die Identität der Charaktere und deren Werte nur verstärkt. Roths mangelndes Bewusstsein für die komplexen kulturellen und historischen Kontexte, die mit Shakespeares Werk verbunden sind, wirft Fragen auf. Es ist höchste Zeit, dass die Kulturpolitik in Deutschland die Augen öffnet und die Sensibilität gegenüber antisemitischen Strömungen in der Kunstszene erhöht, bevor Gelder vergeben werden.