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Der in Seoul ansässige Fotograf Kim Seunggu hat sich in den letzten 15 Jahren der Erfassung dessen gewidmet, was er als „Freizeitkultur“ bezeichnet – vom Urlaub über das Entspannen am Pool bis hin zu gemeinschaftlichen Zusammenkünften in Südkorea. Mit seiner großen Filmkamera und oft in sportlicher Kleidung gekleidet, vermittelt er die Essenz dieser Momente in seiner fortlaufenden Serie „Better Days“. Diese Studie ist besonders bemerkenswert in einem Land, das international auf Platz vier für die längsten Arbeitszeiten liegt und wo das Phänomen der „gwarosa“ (Tod durch Überarbeitung) jährlich viele Leben fordert. Im Jahr 2023 sah sich die südkoreanische Regierung gezwungen, Pläne fallen zu lassen, die maximale Arbeitswoche von 52 auf 69 Stunden zu erhöhen, nachdem sich Widerstand von Arbeitnehmern der Millennial- und Gen-Z-Generation regte. Der vorgeschlagene Schritt sollte dem Arbeitskräftemangel des Landes entgegenwirken, der durch eine sinkende Geburtenrate und eine alternde Bevölkerung verursacht wird.
Die Freizeitkultur Südkoreas
Kim betont, dass die Freizeitkultur in Südkorea von dem Verlangen geprägt ist, eine Auszeit von den intensiven Arbeitsbelastungen und dem schnelllebigen Lebensstil des Landes zu finden. Im Jahr 2010, während seiner Studienzeit, begann Kim damit, diese Szenen festzuhalten. Sein Projekt brachte ihn zu verschiedenen Orten, darunter das beliebte Jangheung Hanok Schwimmbad, dessen mineralhaltige Gewässer vor dem Hintergrund eines traditionellen koreanischen Hauses liegen, sowie zum Royal Azaleas Hill, bekannt für seine blühenden Azaleen, dem Mulbit Park mit seinen ruhigen Naturwegen und verschiedenen Campingplätzen in städtischen Parks im ganzen Land.
Künstlerische Anerkennung und Ausstellungen
Die Arbeiten des Fotografen haben kritische Anerkennung gefunden und ihm den Grand Prix beim Tokyo International Photography Competition sowie eine Nominierung für die BBA Photography Prize eingebracht. Kims Werke wurden in renommierten Ausstellungen im Gyeonggi Museum of Modern Art und im Seoul Museum of Art präsentiert. Sein bald erscheinendes Buch „Better Days“ enthält fast 50 Fotos aus der Serie und vertieft Themen wie Gemeinschaft, Freizeit und Work-Life-Balance.
Die Kunst der Standortsuche
In vielen von Kims Fotografien ziehen trostlose Stadtlandschaften im Hintergrund in den Vordergrund, während fröhliche Freizeitaktivitäten im Vordergrund stattfinden. Dies erzeugt einen starken Kontrast zwischen den Belastungen des Alltags und den Momenten der Freude, die diesen durchziehen. In seinem Bild des Hanok-Schwimmortes zeigt Kim einen lebhaften Pool, der von traditioneller koreanischer Architektur umgeben ist, während Kinder im Wasser planschen und ihr Lachen fast spürbar wird. Eltern entspannen am Pool in bunten Badeanzügen, während andere auf aufblasbaren Reifen liegen.
Die soziokulturelle Dimension
Kims Locations für „Better Days“ konzentrieren sich häufig auf die Mittelschicht, statt sich auf die wohlhabenden Schichten der koreanischen Gesellschaft zu konzentrieren. Er meint: „Obere Klassen sind oft in luxuriösen, exklusiven Orten anzutreffen, die unzugänglich sind, wie z.B. in hochklassigen Resorts oder Hotels. Das macht es schwer, ihre Kultur genau zu beobachten.“ Er fügt hinzu: „Ich glaube, dass die Kultur, die die Mehrheit genießt, die koreanische Gesellschaft besser repräsentiert.“ Gleichzeitig verweist er auf die Darstellung des Alltagslebens in der Joseon-Dynastie, die auch europäische Genre-Maler inspiriert hat, lokale Feste und das Leben der Landbevölkerung darzustellen.
Kulturelle Resilienz im Wandel
Um die einzigartige Freizeitkultur Südkoreas besser zu verstehen, hat Kim auch die historische Kulisse berücksichtigt, insbesondere die kulturelle Stagnation nach den Jahrzehnten der japanischen Kolonialherrschaft und dem Koreakrieg. „In den 1980er und 90er Jahren führte der Druck auf politische Reformen – insbesondere nach dem demokratischen Aufstand von 1987 – zu einem starken Verlangen nach Freiheit und Demokratie, was die Akzeptanz westlicher Kulturen aus Amerika und Europa zur Folge hatte“, sagt er. Kim fügt hinzu, dass das Streben nach Individualität in Korea Hand in Hand mit einem Gemeinschaftsgefühl geht, das in konfuzianischen Werten verwurzelt ist.
Die duale Realität der südkoreanischen Gesellschaft
Die Fotografien von Kim sind ein Zeugnis für eine Gesellschaft, die trotz der Herausforderungen durch lange Arbeitszeiten und rasante Modernisierung Momente der Freude und Verbindung findet. Seine Arbeiten thematisieren nicht direkt politische Fragen, reflektieren aber die gesellschaftlichen „Widersprüche“ als Teil von „Wachstumsschmerzen auf dem Weg zu einer besseren Demokratie und einer besseren Welt“. Kim sieht diese Aspekte auch in „Better Days“ und betont: „Die koreanische Gesellschaft hat viele Herausforderungen durch die Kraft ihrer Bürger überwunden, und die Leidenschaft, die in unserer Freizeitkultur zum Ausdruck kommt, deutet auf das Potential zur Verbesserung hin.“
Ein Blick in die Zukunft
Kurze Pausen und lange Arbeitszeiten haben viele Südkoreaner dazu gezwungen, in der Nähe städtischer Zentren zu leben, wobei über 80 % der Bevölkerung in Städten lebt. Innerhalb von Kims Fotografien gibt es eine faszinierende Dualität – eine Spannung zwischen der bedrängenden Stadtlandschaft und den bunten Freizeitaktivitäten der Bewohner. Kim nutzt häufig lebendige Farben, Aufnahmen aus der Vogelperspektive und entfernte Blickwinkel, um den weiteren Kontext sozialer Interaktionen festzuhalten. „Die langen Arbeitsstunden und die kurzen Urlaube in Korea werden oft negativ betrachtet, doch ich sehe sie als Spiegel der Menschen, die sich anpassen und Herausforderungen überwinden“, sagt er und fügt hinzu: „Wir akzeptieren diese Widersprüche bis zu einem gewissen Grad, und darin liegt das Bestreben nach Zufriedenheit in der Freizeit.“
Er unterstreicht auch die Bedeutung seines kreativen Prozesses und sein Engagement für die „langsame Fotografie“, die Geduld verlangt, da er oft Stunden damit verbringt, bevor er ein einzelnes Bild festhält. Ironischerweise enthält seine Dokumentation der sich entwickelnden Freizeitkultur Koreas eine starke Arbeitsmoral. „Ich plane, bis zu meinem letzten Atemzug weiterzumachen“, sagt er. „Better Days“, veröffentlicht von Kehrer Verlag, ist jetzt erhältlich.
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