Die mentale Gesundheit von Rechtsanwälten hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen, insbesondere nach der persönlichen Erfahrung von Felicitas Kapp, einer ehemaligen Anwältin in einer Großkanzlei. Kapp, die Ende 2021 aus ihrem Job ausstieg, hat nun begonnen, offen über ihre Kampf mit Stress und Burnout zu sprechen. In einem kürzlich geführten Interview beschreibt sie ihre Erfahrungen, die von Erschöpfung und Panikattacken geprägt wurden.
Kapp berichtete von einer schleichenden Erschöpfung, die sich in physischen Beschwerden wie Rückenschmerzen und Migräne äußerte. Sie erklärte, wie sie durch den Druck des Berufs in einen Kreislauf der Überlastung geriet und Panikattacken über sich ergehen lassen musste. Diese Symptome führten schließlich zu der Erkenntnis, dass sie etwas verändern musste. Um ihre berufliche Situation zu verbessern, begann sie eine Ausbildung zum Business Coach, während sie gleichzeitig an ihrer Selbstständigkeit arbeitete.
Der Weg zum Coaching
„Ich habe mich mit Persönlichkeitsentwicklung beschäftigt und erkannt, dass ich die Kanzleikultur mitgestalten möchte“, so Kapp. Ihre Entscheidung, das Anwaltsberufsleben hinter sich zu lassen, fiel, als sie in einem Kreditinstitut mit regulierteren Arbeitszeiten arbeitete. Nach kurzer Zeit kündigte sie ihren Job in der Kanzlei, um sich voll und ganz ihrer Ausbildung zu widmen.
Die Entscheidung, ihre Geschichte öffentlich zu machen, hatte für Kapp eine bewusste Dimension. „Ich wollte die Diskussion über mentale Gesundheit in der Anwaltsbranche anstoßen“, erklärte sie. Laut ihrer Erfahrung stehen viele Juristinnen und Juristen unter enormem Druck, was zu einer hohen Dunkelziffer an psychischen Erkrankungen führt. In ihren Workshops erlebt sie immer wieder, wie wichtig es ist, über mentale Gesundheit zu sprechen.
Ein Bild von Stärke und Unnahbarkeit
In der Welt der Großkanzleien gibt es ein starkes Bild von Stärke und Unnahbarkeit, das auch die Anwälte beeinflusst. „Man muss die Rolle der starken Person einnehmen und Schwäche zeigen ist ein Tabu“, erläutert Kapp. Diese Denkweise führt nicht selten zu einer Selbstüberschätzung und kann die eigene Wahrnehmung stark beeinträchtigen. „Authentizität und innere Stärke sind entscheidend“, fügt sie hinzu. Kapp rät, frühe Warnzeichen eines Burnouts ernst zu nehmen, wie übermäßige Erschöpfung oder ein Verlust an Energie für Dinge, die früher Freude bereitet haben.
Das Wichtigste sei, sich selbst gegenüber ehrlich zu sein. Viele Betroffene neigen dazu, ihre eigenen Bedürfnisse zu leugnen, was die Situation weiter verschärft. „Radikal ehrlich mit sich selbst zu sein ist der erste Schritt, um Veränderungen herbeizuführen“, betont Kapp. Sie macht deutlich, dass es nicht immer eine komplette berufliche Neuorientierung braucht, manchmal genügt es bereits, sich seiner eigen Bedürfnisse bewusst zu werden.
Kapp sieht einen grundlegenden Mangel an Wertschätzung und Teamarbeit in vielen Kanzleien. „Die Arbeitsweise sollte viel mehr auf den Menschen ausgerichtet sein“, fordert sie. Flexibilität und individuelle Berücksichtigung seien notwendig, um eine gesunde Work-Life-Balance zu ermöglichen. Es gilt, eine Atmosphäre der Wertschätzung zu schaffen, in der man als Mensch und nicht nur als „Arbeitsmaschine“ wahrgenommen wird.
Die Diskussion um mentale Gesundheit im Anwaltsberuf ist somit aktueller denn je. Kapp zeigt, dass es Möglichkeiten zur Veränderung gibt und dass es wichtig ist, offen über Herausforderungen zu sprechen. Ihre Arbeit als Coach und ihre Workshops tragen dazu bei, die Thematik zu enttabuisieren und anderen betroffenen Kolleginnen und Kollegen Mut zu machen.
Felicitas Kapp ist mittlerweile zertifizierte Business- und Team-Coachin und widmet sich voll und ganz der Verbesserung der mentalen Gesundheit in der Anwaltsbranche. Ihre Sichtweisen und Erfahrungen tragen dazu bei, das Bewusstsein für ein oft übersehenes, aber wichtiges Thema zu schärfen und die Arbeitsbedingungen für Juristen zu verbessern.
Details zur Meldung