Die Gesundheitsproblematik im deutschen Bildungsbereich hat jüngst intensiv Aufmerksamkeit erregt, insbesondere wenn es um die Ausbildung von Kindern durch Erzieherinnen und Erzieher geht. Es wurde festgestellt, dass das Kita-Personal in bestimmten Ost-Regionen Deutschlands, wie Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, eine beunruhigende Anzahl von krankheitsbedingten Fehltagen verzeichnet. Diese Situation wirft Fragen über die Arbeitsbedingungen und die allgemeine Gesundheit dieser Berufsgruppe auf.
In den letzten Jahren hat sich die Anzahl der Fehltage aufgrund von Krankheiten bei Erzieherinnen und Erziehern deutlich erhöht. Daten der Bertelsmann-Stiftung und des Expertenforums zeigen alarmierende Trends: Im Jahr 2023 lagen die durchschnittlichen Fehltage in Sachsen bei 33, in Sachsen-Anhalt bei 34 und in Thüringen bei 31,8 Tagen. Dies sind etwa zehn Tage mehr als der nationale Durchschnitt von 30 Fehltagen für alle Berufe in Deutschland.
Mehr krankheitsbedingte Fehltage als in anderen Berufen
Die Erzieher in diesen ostdeutschen Bundesländern sind mit einem besonders hohen Krankenstand konfrontiert. Im Vergleich zur westdeutschen Region, wo die durchschnittliche Zahl an Fehltagen bei 29 Tagen liegt, zeigt sich eine erhebliche Diskrepanz. In den letzten zwei Jahren gab es einen Anstieg von 26 Prozent der krankheitsbedingten Fehltage, und das betrifft nicht nur körperliche Beschwerden, sondern verstärkt auch psychische Belastungen. Atemwegserkrankungen haben ebenfalls zur Tragweite dieser Problematik beigetragen.
Anett Stein von der Bertelsmann-Stiftung stellt fest: „Viele Kindertagesstätten befinden sich in einem Teufelskreis: Je mehr krankheitsbedingte Fehltage es gibt, desto mehr Fachkräfte fehlen, was die Arbeitsbelastung für die verbleibenden Fachkräfte weiter erhöht.“ Diese Aussage verdeutlicht das Dilemma, in dem sich viele Einrichtungen befinden – ein ständiger Kreislauf von Abwesenheit und Überlastung. Angesichts dieser Situation geht die Stiftung davon aus, dass deutschlandweit etwa 97.000 zusätzliche Vollzeitkräfte erforderlich sind, um die Abwesenheiten durch Krankheit, Urlaub und Fortbildung auszugleichen. Die finanziellen Auswirkungen dieser Maßnahmen wären enorm, schätzungsweise jährlich insgesamt 5,8 Milliarden Euro.
Ein aufmerksamer Blick auf die Ursachen dieser hohen Fehltage legt nahe, dass die Anforderungen an Erzieherinnen und Erzieher in den letzten Jahren gestiegen sind. Übermäßige Arbeitslast, psychische Stressoren und unzureichende Unterstützung sind ernste Faktoren, die es zu adressieren gilt. Laut Bertelsmann-Stiftung sind diese Herausforderungen nicht nur auf die Betreuung von Kindern beschränkt, sondern betreffen auch die Gesundheits- und Sicherheitsstandards innerhalb der Einrichtungen.
Dringender Handlungsbedarf für Programme zur Verbesserung
Um diese kritische Lage zu verbessern, sind gezielte Maßnahmen zur Gesundheitsschutz und zur Psychohygiene unerlässlich. Arbeitgeber in der Kinderbetreuung sollten Programme zur Stressbewältigung und Gesundheitsförderung einführen. Die Unterstützung des Personals in Form von Fortbildungen und zeitliche Entlastung könnte helfen, den Krankenstand nachhaltig zu senken.
Die Bertelsmann-Stiftung hat die Rolle der DAK-Gesundheitskasse hervorgehoben, die 12,2 Prozent der Erzieherinnen und Erzieher versichert und dessen Daten zur Analyse herangezogen wurden. Die Erkenntnisse stehen im Einklang mit den Trends anderer Krankenkassen, was die Dringlichkeit des Themas unterstreicht.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die steigenden krankheitsbedingten Fehltage bei Erzieherinnen und Erziehern nicht nur eine Herausforderung für die betroffenen Fachkräfte, sondern auch für die gesamte Gesellschaft darstellen. Ein Umdenken und investieren in die Gesundheit und das Wohlbefinden dieser Arbeitnehmer könnte langfristig zu einer stabileren und effektiveren Kinderbetreuung führen.
Historische Parallelen
Vergleiche zu ähnlichen Situationen in der Vergangenheit können interessante Einsichten geben. Eine vergleichbare Herausforderung fand in den 1990er-Jahren in der ehemaligen DDR statt, als viele Erzieherinnen und Erzieher unter enormen Belastungen litten. Nach der Wiedervereinigung war die Umstellung des Bildungssystems problematisch, was zu einer erhöhten Zahl an krankheitsbedingten Fehltagen führte. Trotz der historischen Unterschiede in den sozialen Rahmenbedingungen zeigt sich, dass Systemwechsel oft einen temporären Anstieg von psychischen und physischen Erkrankungen im pädagogischen Bereich nach sich ziehen.
Ein weiterer historischer Bezugspunkt ist die Zeit der COVID-19-Pandemie, die die Belastung im Bildungssektor verstärkt hat. Die stressbedingten Fehltage von Erzieherinnen und Erziehern nahmen während dieser Zeit erheblich zu, was auf die Herausforderungen von Fernunterricht und die gesundheitlichen Risiken, die mit dem Virus verbunden waren, zurückzuführen ist. Diese aktuellen Trends werfen einen Schatten auf die bereits bestehende Problematik des Fachkräftemangels und der hohen Belastungen in der Branche.
Hintergrundinformationen
Der Mangel an Fachkräften in der frühkindlichen Bildung ist ein zentrales Thema in Deutschland, das tief in politischen und sozialen Kontexten verwurzelt ist. Politische Entscheidungen zur Finanzierung der Kitas und die Wahrnehmung von Erzieherinnen und Erziehern als „nicht systemrelevant“ betreffen direkt die Attraktivität des Berufs. Ein unzureichendes Gehalt im Vergleich zu anderen Berufen und die notwendige hohe emotionale Belastbarkeit machen die Anwerbung und Bindung an Fachkräfte zu einer echten Herausforderung. Der demografische Wandel und der Anstieg der Geburtenraten in einigen Regionen führen zudem zusätzlich zu einem Druck auf die verfügbare Erwerbsbevölkerung.
Im Rahmen sozialer Veränderungen gewinnen auch Aspekte wie Inklusion und interkulturelle Bildung zunehmend an Bedeutung, was das Fachpersonal vor zusätzliche Herausforderungen stellt. Diese Faktoren verstärken nicht nur den Arbeitsaufwand, sondern bedingen auch, dass die Anforderungen an Erzieherinnen und Erzieher ständig steigen, während gleichzeitig die Ressourcen zur Bewältigung dieser Anforderungen nicht proportional wachsen. Diese Kombination führt zu einer Verdichtung der Arbeitsbedingungen und somit zu einem höheren Risiko von krankheitsbedingten Fehltagen.
– NAG