Marburg/Heidelberg (dpa/tmn) – Die Diagnose Krebs kann das Leben aus den Fugen geraten lassen. Plötzlich steht die Gesundheit im Vordergrund, und für viele ist der Weg zurück ins Berufsleben eine große Herausforderung. Nach einer oft langen und anstrengenden Therapie wünschen sich viele ehemalige Patienten, ihr altes Leben einschließlich des Jobs zurück. Doch wie gelingt das am besten? Welche Unterstützung gibt es, und was sollte man dabei beachten?
Ein zentraler Aspekt ist die frühzeitige Auseinandersetzung mit der beruflichen Wiedereingliederung. Prof. Ulf Seifart, Onkologe, Sozialmediziner und Ärztlicher Direktor der Klinik Sonnenblick in Marburg, betont, wie wichtig es ist, finanzielle Absicherung und berufliche Perspektiven rechtzeitig zu thematisieren, um einen effektiven Plan für die Rückkehr in die Arbeitswelt zu entwickeln.
Kampf um die Rückkehr ins Berufsleben
Die Rückkehr ins Arbeitsleben ist nicht immer einfach, selbst wenn die Patienten als geheilt gelten. Seifart merkt an, dass viele ehemalige Krebspatienten nach der Therapie nicht mehr so leistungsfähig sind wie zuvor. Besonders schwer haben es Arbeitnehmer in körperlich anspruchsvollen Berufen. auch ältere Arbeitnehmer und Beschäftigte in kleinen Firmen, die nicht über die notwendige Flexibilität verfügen, sehen sich oft mit großen Hürden konfrontiert. „Auf diese Gruppen muss man besonders Rücksicht nehmen“, betont Seifart.
Obwohl das deutsche Sozialsystem verschiedene Unterstützungsangebote bereitstellt, sind die Genehmigungen für Wiedereinstiegsprogramme und Umschulungen häufig langwierig und können bis zu einem Jahr dauern.
Unterstützungsangebote für Krebspatienten
Eine hilfreiche Möglichkeit ist die Feststellung einer Schwerbehinderung, die den Betroffenen besondere Schutzmaßnahmen zugänglich macht, wie etwa zusätzlichen Urlaub oder Schutz vor Kündigungen. Jürgen Walther, Leiter des Sozialdienstes am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen in Heidelberg, empfiehlt, diesen Schritt zu erwägen. Auch Integrationsfachdienste können wertvolle Hilfe leisten, um dauerhafte Arbeitsplätze zu finden.
Zusätzlich kann eine Reha-Maßnahme sinnvoll sein, um die Leistungsfähigkeit zu testen und eventuell bestehende Defizite zu behandeln, erklärt Walther. „So können Fähigkeiten, die eventuell verloren gegangen sind, wiederhergestellt werden.“ Dies kann eine wichtige Unterstützung auf dem Weg zurück in den Beruf sein.
Ein weiteres wichtiges Instrument ist das Betriebliche Wiedereingliederungsmanagement (BEM), das Arbeitgeber ansetzen müssen, wenn Mitarbeiter länger als sechs Wochen erkrankt sind. Dieses Programm ermöglicht vertrauliche Gespräche, um festzustellen, wie die Rückkehr in den Arbeitsalltag am besten gestaltet werden kann.
Arbeitnehmer, die möglicherweise auf Umschulungen, Weiterbildungen oder Hilfsmittel angewiesen sind, sollten sich auch an die Rentenversicherung oder die Agentur für Arbeit wenden, um weitere Informationen und Unterstützung zu erhalten.
Langsame Rückkehr ins Berufsleben
Für viele, die längere Zeit aus dem Job ausgeschieden sind, hat sich der Arbeitsplatz verändert. Um eine sanfte Rückkehr in die Berufswelt zu ermöglichen, raten Experten zu einer stufenweisen Wiedereingliederung, auch bekannt als das „Hamburger Modell“. Dabei beginnt der Patient mit einer reduzierten Stundenzahl und steigert diese allmählich. „Das empfinden viele als entlastend“, sagt Seifart, da man weiterhin krankgeschrieben ist und keinen Druck verspürt.
Ein Wechsel auf Teilzeit kann ebenfalls sinnvoll sein, wobei jedoch zu beachten ist, dass sich Sozialleistungen bei einer erneuten Erkrankung am letzten Gehalt orientieren. Dennoch kann die Nutzung von nicht genutztem Urlaub oder Überstunden eine Möglichkeit sein, doch voll zu verdienen, während man allmählich in den Job zurückkehrt.
Ein offener Dialog kann viel bewirken. Seifart empfiehlt, zumindest im Rahmen des Möglichen den Kontakt zu Arbeitgeber und Kollegen aufrechtzuerhalten. „Das Verständnis für eine eventuell verminderte Leistungsfähigkeit steigt dadurch enorm,“ fügt er hinzu. Arbeitgeber zeigen sich häufig bereit, gute Arbeitskräfte zu unterstützen, und es ist wichtig, die eigenen Bedürfnisse klar zu kommunizieren.
Kommunikation als Schlüssel
Der Schlüssel zum erfolgreichen Wiedereinstieg ins Berufsleben besteht in der Kommunikation. Die Experten betonen, dass es hilfreich ist, die eigenen Anforderungen klar zu benennen und gemeinsam mit den Arbeitgebern an Lösungen zu arbeiten. „Wir wollen Mut machen, sich zu öffnen und nach Lösungen zu suchen, die für beide Seiten vorteilhaft sind,“ erklärt Walther. Diese Herangehensweise hat in der Praxis oft zu positiven Ergebnissen geführt.
Die psychischen Herausforderungen der Rückkehr
Die Rückkehr in das Berufsleben nach einer Krebserkrankung stellt nicht nur eine physische, sondern auch eine erhebliche psychische Herausforderung dar. Viele Patienten kämpfen mit Ängsten und Unsicherheiten bezüglich ihrer Leistungsfähigkeit und der Reaktion ihrer Kollegen. Laut einer Studie des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) geben 30% der befragten Krebspatienten an, dass sie nach der Behandlung unter Angstzuständen leiden. Diese Ängste können sich auf den Alltag und die berufliche Leistung negativ auswirken und die Rückkehr in den Job erheblich erschweren.
Es ist daher wichtig, dass Patienten auch psychologische Unterstützung in Anspruch nehmen, um mit diesen Gefühlen umzugehen. Psychosoziale Beratungsangebote, die oft von Kliniken oder Selbsthilfegruppen angeboten werden, können wertvolle Hilfe leisten. Der Austausch mit Gleichbetroffenen kann ebenfalls einen positiven Effekt auf die mentale Verfassung haben, indem er das Gefühl der Isolation reduziert und das Verständnis für die eigenen Herausforderungen stärkt.
Rechtliche Rahmenbedingungen für Krebspatienten
In Deutschland gibt es mehrere rechtliche Rahmenbedingungen, die die Wiedereingliederung von Krebspatienten in den Beruf unterstützen. Zum Beispiel unterliegt die Kündigung von schwerbehinderten Menschen besonderen Vorschriften: Vor einer Kündigung muss eine Zustimmung des Integrationsamtes eingeholt werden, was den Kündigungsprozess für Arbeitgeber erschwert. Zudem haben schwerbehinderte Arbeitnehmer Anspruch auf Nachteilsausgleich, was bedeutet, dass ihnen etwa besondere Pausen oder der Zugang zu bestimmten Hilfsmitteln zusteht.
Die gesetzliche Rentenversicherung bietet für Krebspatienten außerdem verschiedene Leistungen an, wie etwa die Rehabilitation, Übergangsgeld und Umschulung. Diese Angebote zielen darauf ab, die berufliche Integration zu erleichtern und die Beschäftigungsfähigkeit zu erhalten. Der Zugang zu diesen Leistungen kann allerdings bürokratisch aufwendig sein, weswegen es ratsam ist, sich frühzeitig mit den relevanten Institutionen in Verbindung zu setzen.
Bericht über aktuelle Unterstützungsmöglichkeiten
Aktuell wird darauf hingewiesen, dass der Bedarf an spezifischen Unterstützungsangeboten für Krebspatienten stetig steigt. Eine Umfrage des Robert Koch-Instituts zeigt, dass fast 80% der Befragten angeben, dass sie mehr Informationen über Hilfsangebote und Ressourcen zur Wiedereingliederung wünschen. Um dem gerecht zu werden, haben zahlreiche Selbsthilfegruppen und Organisationen begonnen, Informationsveranstaltungen und Workshops anzubieten, um Patienten in die verschiedenen Unterstützungsmöglichkeiten einzuführen und den Prozess der Rückkehr in den Beruf aktiv zu begleiten.
Darüber hinaus sind digitale Plattformen entstanden, die es Krebspatienten ermöglichen, sich über Erfahrungen auszutauschen und konkrete Hilfsangebote zu finden. Diese Entwicklung zeigt, dass ein wachsendes Bewusstsein für die Herausforderungen von Krebspatienten besteht und den Betroffenen geholfen werden kann, ihren Weg zurück ins Berufsleben zu finden.
– NAG