Der Onlinehandel in Deutschland sieht sich derzeit mit erheblichen Herausforderungen konfrontiert. Nach einem enttäuschenden Jahr 2022, in dem die Umsätze stark zurückgingen, hat sich die Situation auch 2023 nur wenig verbessert. Anhaltende Unsicherheiten in der Konsumstimmung und ein sinkendes verfügbares Einkommen der Verbraucher führen dazu, dass Money gespart wird – oft zugunsten von Erlebnissen wie Reisen oder Veranstaltungen. Diese Entwicklungen haben es für viele Onlinehändler schwierig gemacht, ihre Wachstumsraten aufrechtzuerhalten.
Inmitten dieser Turbulenzen gibt es jedoch Lichtblicke, besonders unter den asiatischen Online-Plattformen. Der Modehändler Shein hat seinen Umsatz im vergangenen Jahr um beeindruckende 30 Prozent gesteigert und belegt nun den 18. Platz unter den umsatzstärksten Online-Shops in Deutschland. Temu, ein relativ neuer Akteur, der erst seit April 2023 auf dem deutschen Markt aktiv ist, hat den Einzug in die Top 10 nur knapp verpasst. Diese Erfolgsgeschichten stellen die etablierten Größen des Onlinehandels, allen voran Amazon, vor neue Herausforderungen.
Der Druck auf Amazon wächst
Besonders auffällig ist, dass Temu und Shein mittlerweile fünf Prozent aller Bestellungen im deutschen Onlinehandel ausmachen. Laut E-Commerce-Experten wird das für Amazon, das seit vielen Jahren den Markt dominiert, ein ernsthaftes Problem. Brancheninsider wie Alexander Graf betonen, dass Amazon bisher kaum auf die radikalen Geschäftsmodelle dieser asiatischen Plattformen reagiert hat, was mittelfristig negative Auswirkungen auf die Umsätze haben könnte.
Ein weiterer Faktor, der diesen Aufstieg begünstigt, sind die durch die Inflation geschaffenen Preiswahrnehmungen der Verbraucher. Temu und Shein bieten viele Artikel zu deutlich günstigeren Preisen an, was besonders in wirtschaftlich schwierigen Zeiten von Vorteil ist. Nach Angaben des Handelsverbandes versenden die beiden Anbieter zusammen täglich etwa 400.000 Pakete nach Deutschland, wobei Shein die Existenz dieser Zahlen bestreitet.
Unsicherheit unter Konsumenten
Die zweite Seite der Medaille ist die Skepsis, die viele Verbraucher gegenüber diesen neuen Anbietern hegen. Eine Umfrage des Kölner Handelsforschungsinstituts IFH zeigt, dass über 60 Prozent der Befragten Shein und Temu als unsicher empfinden. Vor allem besserverdienende Männer und ältere Menschen haben Bedenken bezüglich der Qualität der angebotenen Produkte. Dies ist eine Gelegenheit für andere Händler, sich durch qualitativ hochwertige Angebote abzuheben und Vertrauen zu schaffen.
Die Verunsicherung, die von den Konsumenten wahrgenommen wird, könnte also eben auch zu einer Differenzierung gegenüber diesen Plattformen führen. Experten wie Werner Reinartz, Professor für Marketing an der Universität zu Köln, argumentieren, dass Händler, die Vertrauen aufbauen können, hier einen Wettbewerbsvorteil erlangen könnten.
Neben der Ungewissheit gibt es jedoch auch positive Signale. Der derzeitige Trend, dass sich Einkäufe zunehmend ins Internet verlagern, zeigt, dass der Onlinehandel nicht aus der Mode gekommen ist. Trotz der gegenwärtigen Rückgänge gab es im vergangenen Jahr eine kleine Erholung, die die Branche hoffen lässt, dass die Talsohle durchschritten ist.
Die Reaktionen der Wettbewerber auf diese neuen Marktbedingungen bleiben abzuwarten. Die Bundesregierung beabsichtigt, zusammen mit anderen EU-Staaten die Kontrolle über Anbieter zu verstärken und strengere Vorschriften durchzusetzen. Denn die Bedenken über die Qualität und Sicherheit von Produkten aus asiatischen Online-Shops sind nicht unbegründet. Handelsvertreter fordern eine Regulierung, die sowohl faire Wettbewerbsbedingungen schafft als auch die Sicherheit der Verbraucher in den Mittelpunkt stellt.
Insgesamt zeigt sich das Bild des deutschen Onlinehandels als komplex: Während einige Akteure wie Shein und Temu Erfolge feiern, kämpfen viele etablierte Händler mit dem Aufwind der neuen Konkurrenz und den Herausforderungen eines sich verändernden Marktes. Eine klare Strategiefindung und die Anpassung an die Bedürfnisse der Konsumenten werden mehr denn je gefragt sein, um in dieser dynamischen Landschaft zu bestehen.
Die Entwicklungen rund um die Wettbewerber im Onlinehandel verheißen spannende Zeiten. Der Druck auf die großen Player wird weiter wachsen, und es bleibt abzuwarten, wie diese auf den Druck reagieren werden. Branchenbeobachter sind gefordert, die kommenden Veränderungen genau im Auge zu behalten, zumal die Verbraucher immer wählerischer werden und Qualität und Preisbewusstsein auch in Zukunft wichtige Entscheidungsfaktoren bleiben werden.