Im kleinen Dorf Reichling in Bayern stehen die Bewohner vor einer großen Unsicherheit: Hier soll noch in diesem Herbst mit den Bohrungen nach Erdgas begonnen werden. Tanja Spindler-Kratzl, eine betroffene Anwohnerin, äußerte in der BR-Sendung „jetzt red i“ ihre Besorgnis über mögliche gesundheitliche Auswirkungen: „Es kann passieren, dass unsere Heimat bald nicht mehr lebenswert ist – weil sie zerstört ist.“ Ihre Sorgen teilen viele Bürger, die insbesondere die Nähe der Bohrstelle zu einem Wasserschutzgebiet, das nur 200 Meter entfernt ist, als alarmierend empfinden.
Die gesundheitlichen Bedenken sind nicht von der Hand zu weisen. Rainer Christl, ein weiterer Bürger, betont, dass in den Bohrtiefe Quecksilber und andere Schadstoffe freigesetzt werden könnten: „Die kommen natürlich mit rauf.“ Dieses Risiko sorgt für anhaltenden Unmut und Ängste in der Bevölkerung.
Kritik an den Bohrplänen
Die Bundestagsabgeordnete Lisa Badum von den Grünen stellte in der Diskussion klar, dass die geplanten Bohrungen nicht nur unverantwortlich, sondern auch ineffizient sind. „Hier werden ohne Not Bürger in Gefahr gebracht“, stellte sie fest und kritisierte die bayerische Staatsregierung für ihr Vorgehen. Badum, die die Vorsitzende im Ausschuss für Klimaschutz und Energie ist, verwies darauf, dass die Menge an Gas, die aus Reichling gefördert werden soll, in wenigen Tagen den Bedarf Bayerns decken könnte. Ihrer Meinung nach liegt der Fokus in der Energiepolitik nicht auf der Erforschung neuer Gasquellen, sondern auf der Förderung erneuerbarer Energien.
Als Antwort auf die kritischen Stimmen verteidigte Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) die Genehmigung des Bohrprojekts. Er erinnerte daran, dass der Antrag bereits 2022 eingereicht wurde – zu einem Zeitpunkt, als die Energiekrise in vollem Gange war und Deutschland auf eine zuverlässige Energiequelle angewiesen war. „Wir haben jetzt die Möglichkeit, Gas vor der Haustür zu gewinnen“, erklärte Aiwanger und sah in den Bohrungen eine Chance für mehr Energieautonomie.
Zusätzlich betonte Aiwanger, dass die Bohrungen nicht in die Tiefe gehen würden. Es soll nur ein vorhandenes Rohr aus den 1980er-Jahren genutzt werden, das für Erdölbohrungen errichtet wurde. Der Bohrturm selbst sei mit einer Höhe von 40 Metern nur „zehn Prozent so hoch wie ein Windrad“, was er als vertretbar ansah.
Wirtschaftliche Aspekte und Förderung
Ein weiterer Kritikpunkt von Badum war die fehlende Förderabgabe für Erdgas in Bayern, was bedeutet, dass die Region keinen direkten finanziellen Nutzen aus den Bohrungen sieht. Dies führte zu der Bemerkung, dass die Situation „dubios“ erscheine. Aiwanger wies jedoch darauf hin, dass die Förderabgabe bereits vor zwei Jahrzehnten abgeschafft wurde und betonte, dass die Gemeinden von den Bohrungen dennoch profitieren würden, unter anderem durch Gewerbesteuer.
Der Geschäftsführer der beauftragten Firma MRH, Daniel Jürgensen, gab in der Diskussion an, dass es sich um ein „Hochrisikoprojekt“ handle, dessen Erfolg von den Ergebnissen der Probebohrungen abhängt. Er betonte, dass der Bohrturm nach sechs Wochen wieder abgebaut wird und die Umgebung nach den Arbeiten mit einer Hecke bepflanzt wird, sodass die Anwohner „nichts sehen und nichts riechen“ werden. Doch ob diese Maßnahmen ausreichen, um die Bedenken der Reichlinger zu zerstreuen, bleibt fraglich.
Die Debatte um die Gasbohrungen in Reichling zeigt, wie sensibel das Thema Energieversorgung in Deutschland ist und wie sehr die Interessen von Bürgern, Politikern und Unternehmen aufeinanderprallen. Die Sorgen der Anwohner und die ökonomischen Überlegungen der Politik und Unternehmen stehen in einem angespannten Verhältnis zueinander.