
Der CERN, das europäische Labor für Grundlagenforschung in der Teilchenphysik, zeigt sich optimistisch hinsichtlich der Planung eines neuen Mega-Teilchenbeschleunigers. Generaldirektorin Fabiola Gianotti betont die entscheidende Bedeutung von Investitionen in die Wissenschaft, gerade in Zeiten geopolitischer Konflikte. Angesichts der aktuellen Herausforderungen sieht sie die Notwendigkeit, auch in Zukunft den wissenschaftlichen Fortschritt voranzutreiben, um neue Erkenntnisse über die Materie zu gewinnen. Ein aktueller Bericht von CERN enthält eine Machbarkeitsstudie mit über 1.200 Seiten, die ein solides Szenario für den geplanten Future Circular Collider (FCC) präsentiert. Unabhängige Gremien sollen diesen Bericht ebenfalls prüfen, bevor eine endgültige Entscheidung über den Bau der Anlage im Jahr 2028 getroffen wird. Der FCC, der in den 2040er-Jahren den Large Hadron Collider (LHC) ablösen soll, wird mehr als dreimal so groß sein und in einem Tunnel installiert werden, der zwischen Genf und Frankreich in einer durchschnittlichen Tiefe von 200 Metern verlaufen soll.
Der FCC wird als Proton-Proton-Kollisionsbeschleuniger konzipiert, der eine bisher unerreichte siebenfache höhere Kollisionsenergie im Vergleich zum LHC erreichen soll. In der ersten Ausbaustufe ist zudem ein Elektron-Positron-Kollisionsbeschleuniger vorgesehen, der als "Higgs-Fabrik" dienen könnte, um das Higgs-Boson eingehender zu untersuchen. Trotz dieser vielversprechenden Ansätze gibt es jedoch kritische Stimmen, die auf den hohen Energieverbrauch des geplanten Beschleunigers hinweisen. Laut Berichten könnte dieser Verbrauch dem einer Stadt mit 700.000 Einwohnern entsprechen und damit höher sein als der gesamte Energiebedarf des Kantons Genf mit seinen 500.000 Einwohnern.
Risiken und Herausforderungen
Das Ausheben des 90 Kilometer langen Tunnels würde außerdem eine beträchtliche Menge an Gestein generieren, die gelagert werden müsste. Diese Herausforderungen stehen im Kontrast zu den fundamentalen Fragen, die die Teilchenphysik anstrebt zu beantworten, wie etwa die Materie- und Energieverteilung im Universum. Die Entdeckung des Higgs-Bosons im Jahr 2012 durch den LHC stellte einen bedeutenden Fortschritt dar und vervollständigte das Standardmodell der Teilchenphysik. Dennoch gibt es weiterhin unerklärte Phänomene, einschließlich der Dunklen Materie und Dunklen Energie, die das Standardmodell vor Herausforderungen stellen.
Der LHC, der größte Teilchenbeschleuniger der Welt, ist 27 km lang und kostete rund 3 Milliarden Euro. Trotz seiner Erfolge sucht er seit 2010 nach neuen Teilchen, blieb jedoch bisher erfolglos. Widersprüchliche Reaktionen in der Fachwelt spiegeln die Unsicherheiten der Zukunft der Teilchenphysik wider. Einige Wissenschaftler fordern Geduld, während andere den Bau neuer, größerer Beschleuniger wie den FCC anstreben. Personifikationen wie Ingrid-Maria Gregor und Sabine Hossenfelder, zwei prominente Stimmen in der Diskussion der Teilchenphysik, haben unterschiedliche Ansichten hinsichtlich der Richtung der Forschung.
Die Perspektive der Teilchenphysik
Hossenfelder hat ihre Forschung in der Teilchenphysik eingestellt und kritisiert einige der etablierten Prinzipien, insbesondere das Konzept der Natürlichkeit. Für sie ist die Zukunft der Teilchenphysik ungewiss, vor allem in Anbetracht der ausstehenden Ergebnisse des LHC. Auf der anderen Seite bleibt Gregor optimistisch und sieht Potenzial für zukünftige Entdeckungen am LHC. Weitere Projekte wie der International Linear Collider (ILC), der mit geschätzten Kosten von 5 Milliarden Euro auch als präziser Ansatz für die Untersuchung bekannter Teilchen diskutiert wird, ziehen ebenfalls Interesse auf sich, auch wenn deren Finanzierung ungewiss ist.
Die Entwicklung der Teilchenphysik seit den 1960er Jahren zeigt, dass Wissenschaftler wie Joachim Mnich, Direktor am CERN, darauf hinarbeiten, Verständnis für die grundlegenden Bausteine der Materie zu erlangen, trotz der Hürden und Unsicherheiten, die der Weg mit sich bringt. Die zukünftigen Projekte, einschließlich des FCC, spiegeln den anhaltenden Drang der Wissenschaftler wider, die Grenzen des Wissens über das Universum zu erweitern und Antworten auf die fundamentalen Fragen des Lebens zu finden.
Die Diskussion um die Teilchenphysik bleibt spannend und wird sicherlich auch in Zukunft einen zentralen Platz in der wissenschaftlichen Debatte einnehmen. Die Perspektive auf neue Entdeckungen bleibt bestehen, jedoch sind Geduld und kritische Betrachtung der Ansätze unabdingbar.
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