
Armenien wagt einen bedeutenden Schritt in Richtung Europa. Der Regierungschef Nikol Paschinjan kündigte an, dass das Land bereit sei, den Beitrittsprozess zur Europäischen Union (EU) zu starten. Am Mittwoch stimmte das Parlament in Jerewan mit großer Mehrheit für ein Gesetz, das die Regierung auffordert, diesen Prozess zu initiieren. Dies stellt einen klaren Bruch mit der traditionsreichen Bindung an Russland dar, da Armenien bis 1991 Teil der Sowjetunion war und seither enge Verbindungen zum Kreml gepflegt hat. Krone.at berichtet, dass der Vorstoß zur EU-Mitgliedschaft vor dem Hintergrund einer jüngsten militärischen Offensive Aserbaidschans in Bergkarabach entstand, bei der Armenien sich von Russland im Stich gelassen fühlte.
Armenien hat im vergangenen Jahr einen schmerzhaften Verlust hinnehmen müssen: Aserbaidschan hat Bergkarabach vollständig unter Kontrolle gebracht. Die militärische Unterstützung Russlands blieb in dieser Krise aus, was das Vertrauen der armenischen Führung in Moskau erschütterte. In der Folge hat Armenien die Mitgliedschaft in der von Russland dominierten Militärallianz Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit eingefroren und sucht aktiv nach engeren Beziehungen zur EU. Zudem wurde ein Sicherheitsabkommen mit den USA unterzeichnet, um die eigene Verteidigungsstrategie zu stärken. T-Online.de hebt hervor, dass Außenminister Ararat Mirsojan die Rolle der EU in Bezug auf die Sicherheitsinteressen seines Landes lobte.
Signal für den Kurswechsel
Der Beschluss des armenischen Parlaments wurde von einer breiten Unterstützung in der Bevölkerung begleitet. So sammelte eine Bürgerinitiative über 50.000 Unterschriften für den Gesetzesentwurf zum EU-Beitritt. Trotz der positiven Signale betont die Regierung, dass der endgültige Beschluss über einen EU-Beitritt in einem Referendum getroffen werden muss. Ein offizieller Dialog mit der EU zur Entwicklung eines Beitrittsfahrplans steht als nächster Schritt auf der Agenda. Allerdings müssen umfassende innenpolitische Reformen eingeleitet werden, um die Voraussetzungen für einen Beitritt zu erfüllen.
Während Armenien seine außenpolitische Ausrichtung ändert, droht der Kreml mit wirtschaftlichen Konsequenzen im Falle eines EU-Beitritts. Russlands Sprecher Dmitri Peskow machte deutlich, dass eine gleichzeitige Mitgliedschaft in der Eurasischen Wirtschaftsunion und der EU für Russland nicht vereinbar sei. Solch ein Schritt könnte die wirtschaftlichen Beziehungen stark belasten, da Russland Armenien beispielsweise Erdgas liefert und wichtige Infrastrukturen betreibt. Daher bleibt abzuwarten, wie Armenien diesen Balanceakt zwischen seinen westlichen Ambitionen und der bestehenden Abhängigkeit von Russland meistern will.
Der EU-Kommission zufolge wird Armenien bei Antragstellung auf Beitritt wohlwollend betrachtet, auch wenn bisher kein EU-Mitgliedsstaat öffentlich den Beitritt unterstützt hat. Die geopolitischen Spannungen und der schleichende Verlust der Einflussnahme Moskaus könnten jedoch weitere Chancen für Armenien bieten, sich im Westen zu positionieren und den Weg zu einer Mitgliedschaft zu ebnen.
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