Eine alarmierende Studie zeigt, dass in Deutschland fast die Hälfte aller Forschenden Anfeindungen aufgrund ihrer wissenschaftlichen Arbeit erlebt haben. Dies umfasst Drohungen, Hassmails und sogar Morddrohungen. Corinna Onnen, eine Soziologin an der Universität Vechta, ist eine der Betroffenen, die ihre eigenen erschreckenden Erfahrungen im Rahmen ihrer Forschung mit Geschlechterthemen teilen muss.
Im Jahr 2014 leitete Onnen eine Tagung zur Methodik der Geschlechterforschung. Zu ihrer Überraschung erlebte sie daraufhin eine Reihe von Anfeindungen, die mit ihrer Forschung in Zusammenhang stehen. Darunter war eine bedrohliche Nachricht, die darauf hinwies, dass ihr Sohn das Haus verlassen hätte und sie aufpassen solle, dass sie nicht auch aus dem Haus geht. Diese Nachricht kam von einer unbekannten Nummer und verunsicherte sie stark. Zudem wurde ihr Wikipedia-Eintrag manipuliert, in dem sie als „Feminazi“ diffamiert wurde. „Wir wurden richtig diskreditiert – auf eine richtig üble Weise“, betont die Professorin.
Statistiken: Das Ausmaß der Wissenschaftsfeindlichkeit
Eine Studie des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung ergab, dass 45 Prozent der Befragten bis zu diesem Zeitpunkt Anfeindungen in ihrem Beruf erlebt haben. Bei einer Umfrage unter 2.600 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern im Mai 2024 gaben 70 Prozent an, eine Zunahme solcher Übergriffe festgestellt zu haben. Laut Scicomm-Support, einer erst 2023 gegründeten Anlaufstelle für Betroffene, umfassen die Bedrohungen ein breites Spektrum, von verbalen Attacken bis hin zu extremen Gewaltandrohungen.
Die Organisation Scicomm zielt darauf ab, den Betroffenen von Wissenschaftsfeindlichkeit zu helfen. Die Unterstützung geschieht auf mehreren Ebenen. Dazu gehört eine 365 Tage im Jahr erreichbare Telefonberatung, die kostenlose Unterstützung bietet, und gegebenenfalls auch juristische Begleitung in mehreren Instanzen. Julia Wandt von Scicomm hebt hervor, dass die Organisation engagiert daran arbeitet, eine Anlaufstelle für die betroffenen Wissenschaftler zu sein.
Die psychologischen Hintergründe von Aggressionen
Corinna Onnen hat sich von den Angriffen nicht einschüchtern lassen. In ihrer Analyse dieser Angriffe erkannte sie, dass die Wurzeln der Aggression oft in den Selbstzweifeln der Täter liegen. „Mit der Forschung aufzuhören, war nie eine Option“, sagt Onnen und betont, dass es wichtig ist, sich dem negativen Druck entgegenzustellen. Sie nutzt ihre Erfahrungen, um ihre Studierenden über diese Mechanismen aufzuklären und ihnen Mut zuzusprechen.
Die Zunahme von Wissenschaftsfeindlichkeit wirft ein bedenkliches Licht auf den Zustand der akademischen Freiheit in Deutschland. Die erdrückende Zahl der Forscher, die Kündigungsängste und Selbstzweifel wegen ihrer Arbeit erfahren, ist besorgniserregend. Wissenschaftler wie Onnen stehen hier an vorderster Front und kämpfen nicht nur für ihre eigenen Rechte, sondern auch für die Integrität der Forschung insgesamt. Mehr Details zu diesen Entwicklungen sind bei www.ndr.de nachzulesen.