In den letzten Jahren hat die Wissenschaftsfeindlichkeit in Deutschland besorgniserregende Ausmaße angenommen. Besonders auffällig ist, dass beinahe die Hälfte aller Forschenden in diesem Bereich bereits mit Anfeindungen konfrontiert wurde. Eine aktuelle Umfrage unter 2.600 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zeigt, dass 45 Prozent während ihrer Karriere solche Erfahrungen gemacht haben. Zudem geben 70 Prozent der Befragten an, eine Zunahme dieser Angriffe wahrzunehmen, die von hasserfüllten Kommentaren bis hin zu ernsthaften Morddrohungen reichen.
Ein besonders prägnantes Beispiel ist die Soziologin Corinna Onnen von der Universität Vechta. Während sie 2014 eine Fachtagung zur Methodik der Geschlechterforschung leitete, erhielt sie eine bedrohliche Textnachricht, die auf eine mögliche Gefährdung ihres Kindes hinwies. Diese Drohung wurde von einer unbekannten Nummer gesendet. Zudem wurde ihr Wikipedia-Eintrag manipuliert, in dem sie als "Feminazi" diffamiert wurde. Onnen glaubt, dass ihre Forschung so viel Kontroversen auslöst, weil das Thema Gender Studies in der Gesellschaft polarisiert.
Unterstützung für die Betroffenen
Um dieser bedenklichen Entwicklung entgegenzuwirken, wurde der Scicomm-Support ins Leben gerufen. Diese Initiative, die aus einer Gemeinschaft von Hochschulkommunikatoren und der Organisation "Wissenschaft im Dialog" hervorgegangen ist, bietet Betroffenen umfassende Unterstützung. Seit ihrer Gründung erhalten Menschen, die mit Drohungen oder Belästigungen konfrontiert werden, durch eine kostenlose Telefonhotline, die 365 Tage im Jahr verfügbar ist, rechtliche Beratung und Unterstützung, sogar auf mehreren Instanzen, wie Julia Wandt von Scicomm-Support erklärt.
Onnen selbst ist ein Beispiel für Resilienz und Durchhaltevermögen. Trotz der Aggressionen hat sie es geschafft, sich nicht einschüchtern zu lassen. Sie hat erkannt, dass die feindlichen Angriffe oft aus den Selbstzweifeln der Täter resultieren. In ihren Vorlesungen setzt sie sich aktiv dafür ein, ihre Studierenden über diesen psychologischen Mechanismus aufzuklären und ihnen Mut zu machen. "Mit der Forschung aufzuhören, war nie eine Option", betont Onnen.
Die Problematik der Wissenschaftsfeindlichkeit hat auch Einfluss auf die Darstellung von Forschungsergebnissen in der Öffentlichkeit. Wissenschaftler, die kontroverse Themen erforschen, stehen häufig unter zusätzlichem Druck, ihre Ergebnisse zu verteidigen. Diese angespannte Lage kann dazu führen, dass weniger Personen bereit sind, sich mit solchen Themen auseinanderzusetzen, was die Vielfalt an wissenschaftlicher Forschung und die Diskussion über wichtige gesellschaftliche Fragen schmälern könnte.
Der zunehmende Druck, dem Wissenschaftler ausgesetzt sind, wirft Fragen zur Zukunft der Wissenschaft in Deutschland auf. Sie könnte in einen Teufelskreis geraten: Je weniger sich Forschende mit strittigen Themen beschäftigen, desto weniger wird die wissenschaftliche Gemeinschaft an den entscheidenden Diskussionen teilnehmen. Die anhaltenden Anfeindungen und Angriffe könnten letztlich das Vertrauen in wissenschaftliche Erkenntnisse und deren Bedeutung für die Gesellschaft untergraben.
Abschließend ist zu sagen, dass das Thema Wissenschaftsfeindlichkeit nicht nur ein Problem für die Forschenden selbst darstellt, sondern auch für die breite Öffentlichkeit von Bedeutung ist. Wie diese Angriffe weiterhin zunehmen, bleibt abzuwarten, aber die Notwendigkeit für Unterstützung und Schutz für Wissenschaftler ist dringlicher denn je, um eine sichere und produktive Umgebung für Forschung und Bildung zu gewährleisten. Mehr Informationen zu diesem ernsthaften Thema finden sich in einem Bericht auf www.ndr.de.
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