Am 17. September 2024 entschied das Oberlandesgericht (OLG) München, dass die Schadensersatzansprüche von Wirecard-Aktionären im Rahmen des Insolvenzverfahrens als Insolvenzforderungen gelten. Dies hat zur Folge, dass diese Aktionäre nicht erst bei einer eventuell ausbleibenden Liquidation berücksichtigt werden, sondern ihre Ansprüche gleichwertig mit anderen Insolvenzgläubigern geltend machen können.
Der Fall wurde von einer Kapitalverwaltungsgesellschaft angestoßen, die zwischen 2015 und 2020 Aktien der Wirecard AG erworben hatte. Nach dem Bekanntwerden eines Bilanzskandals, der 2020 zur Insolvenz der Wirecard AG führte, forderte die Klägerin Schadensersatz, weil sie behauptete, durch falsche oder irreführende Unternehmensinformationen zu Investitionsentscheidungen verleitet worden zu sein. Es war unklar, ob sie als Aktionärin an der Verteilung der Insolvenzmasse partizipieren durfte oder ob sie lediglich nachrangige Ansprüche geltend machen konnte.
Der Verlauf des Verfahrens
Das Landgericht (LG) München hatte zuvor entschieden, dass die Forderungen der Klägerin nachrangig seien, da sie als Aktionärin bewusst Eigenkapital in die Wirecard AG investiert hatte. Diese Entscheidung wurde jedoch vom OLG München in seinem aktuellen Urteil revidiert. Die Richter argumentierten, dass Aktionäre, die aufgrund von unerlaubten Handlungen des Unternehmens Vorstands geschädigt wurden, ihre Ansprüche in der Insolvenz auf pari mit anderen Gläubigern geltend machen können.
Die Generierung von Forderungen durch fehlerhafte Informationen fällt unter deliktische Ansprüche, die den normalstehenden Gläubigern gleichgestellt werden müssen. Im Klartext bedeutet dies, dass die Ansprüche der Aktionäre nicht mehr nur im hypothetischen Zuge einer Liquidation berücksichtigt werden, sondern dass sie gleichberechtigt an den Verteilungen der Insolvenzmasse teilnehmen können.
Auswirkungen auf zukünftige Verfahren
Das OLG München hat die Revision gegen sein Urteil zugelassen, was bedeutet, dass eine Überprüfung durch den Bundesgerichtshof (BGH) in der Zukunft wahrscheinlich ist. Es wird erwartet, dass der BGH die Entscheidung des OLG München unterstützen wird. Dieser Fall könnte damit bedeutenden Einfluss auf die Behandlung von Schadensersatzansprüchen in ähnlichen Insolvenzverfahren haben, da die bestehende Rechtslage hinsichtlich deliktischer Ansprüche von Aktionären bisher vage und umstritten war.
Die Bereitschaft, die Ansprüche von geschädigten Aktionären im Insolvenzverfahren zu akzeptieren, könnte weitreichende Konsequenzen für zukünftige Insolvenzfälle in Deutschland haben, insbesondere im Hinblick auf Vermögensverteilungen. Insolvenzverwalter sind gut beraten, die rechtlichen Implikationen dieser Entscheidung im Auge zu behalten, da sie nun möglicherweise vermehrt gefordert werden, auch Aktionärsansprüche zu berücksichtigen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das OLG München mit dieser Entscheidung einen wichtigen Präzedenzfall geschaffen hat. Aktionäre von Unternehmen, die aufgrund betrügerischer Handlungen oder falscher Darstellungen in eine Insolvenz geraten, haben jetzt realistische Chancen, an der Verteilung der Insolvenzmasse teilzuhaben. Damit könnte ein fundamentales Umdenken im Umgang mit Aktionärsrechten in Insolvenzfällen eingeläutet werden, wie www.haufe.de es ausführlich beschreibt.