Eine Debatte über die Zukunft der Apothekenlandschaft in Deutschland nahm kürzlich an Intensität zu. Der Gießener Volkswirt Professor Georg Götz stellte im Rahmen seiner Analyse die Frage, ob die geplante Umverteilung des Apothekenhonorars durch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) dem drohenden Apothekensterben Einhalt gebieten kann. Seine Antwort war eindeutig: Nein. Diese wertvolle Erkenntnis ist jedoch nur der Anfang eines vielschichtigen Diskurses über die Herausforderungen, mit denen Apotheker konfrontiert sind, und mögliche Lösungen.
Im vergangenen April stellte Götz sein Gutachten beim Wirtschaftsfonds des Deutschen Apothekerverbands (DAV) in Potsdam vor. Die Präsentation ließ zahllose Zuhörer aufhorchen, nicht nur wegen der ernüchternden Diagnose des aktuellen Honorarsystems, sondern auch wegen seiner revolutionären Vorschläge, die eine Neuausrichtung der Apothekenförderung in Betracht ziehen. Götz schlug vor, das Honorar an die Anzahl der monatlich abgegebenen Packungen zu koppeln, was bedeuten würde, dass die Apotheken nicht mehr gleich behandelt würden, sondern je nach Leistungsabgabe unterschiedliche Honorare erhielten.
Streit innerhalb der ABDA
Dieser Vorschlag beleuchtete eine tief verwurzelte Kluft innerhalb der ABDA, dem Bundesverband der Betreiber von Apotheken. Berichten zufolge kam es bereits zu heftigen Diskussionen über die Thesen des Gutachtens, sodass die Veröffentlichung ursprünglich auf Eis gelegt wurde. Nachdem das Gutachten von Götz intern diskutiert wurde, gab es aus gut informierten Quellen Hinweise, dass eine Offenlegung des Inhalts als zu heikel erachtet wurde. Die ABDA hat sich dazu geäußert, dass sie weiterhin im engen Austausch mit Götz steht, ohne jedoch einen Zeitpunkt für die Veröffentlichung anzugeben. Diese Zurückhaltung lässt Raum für Spekulationen über die innerverbandlichen Spannungen.
Das Thema ist von hoher Brisanz, die Apotheke als wichtiger Bestandteil des deutschen Gesundheitssystems steht auf dem Spiel. Apotheker kämpfen seit Jahren mit sinkenden Margen und wachsenden Anforderungen, während die Politik benötigt, um das Überleben von Apotheken zu sichern. In diesem Kontext stellt sich die Frage, ob die bestehenden Gesetze und Strukturen ausreichen, um den Herausforderungen zu begegnen, oder ob radikale Reformen unverzichtbar sind.
Die Position von Götz, das Honorar zu staffeln, könnte potenziell dazu führen, dass kleinere Apotheken in ländlichen Gebieten stärker benachteiligt werden. Der Verlust von Apotheken ist nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine gesellschaftliche Frage, da sie oft die letzte Anlaufstelle für Gesundheitsberatung in vielen Gemeinschaften darstellen. Das Thema ist also von höchster Bedeutung und erfordert eine differenzierte Betrachtung von politischen Entscheidungsträgern, Apothekern und der Gesellschaft. Wesentlich ist, dass alle Beteiligten gemeinsam Lösungen entwickeln, die couragiert sind und dem aktuellen Stand der Dinge gerecht werden.
In dieser heiklen Angelegenheit bleibt abzuwarten, wie die ABDA weiter mit dem Gutachten umgeht und welche Schritte sie unternimmt, um die Apotheken zu unterstützen. Eine Veröffentlichung ist überfällig und könnte entscheidende Hinweise geben, wie die kommenden Herausforderungen bewältigt werden können. Ein Umdenken ist gefragt, das den Interessen aller Apotheker Rechnung trägt. Es ist an der Zeit, die bestehenden Strukturen zu hinterfragen und zu überlegen, wie die Zukunft der Apotheken konkret aussehen sollte und welche Wege möglich sind, die Apotheken wieder in eine gesunde wirtschaftliche Lage zu versetzen.
Ein Ausblick auf die Apothekenzukunft
Diese Debatten um das Apothekenhonorar sind nur der Anfang eines größeren Wandels, den die Branche durchlaufen muss. Mit den richtigen Strategien und Reformen könnten die Apotheken wieder gestärkt und in ihrer Bedeutung für die Patienten und das Gesundheitswesen hervorgehoben werden. Dabei ist Transparenz in der Entscheidungsfindung und Offenheit gegenüber neuen Ideen entscheidend, um die gleichwertige Gesundheitsversorgung in Deutschland zu garantieren. Die appellierte Dringlichkeit trotzt den gegenwärtigen Herausforderungen und erfordert heute und in Zukunft eine handlungsfähige und innovative Apothekerschaft.
Hintergrundinformationen zur Apothekenhonorierung
Die Diskussion rund um die Apothekenhonorierung ist eng mit den aktuellen Herausforderungen des deutschen Gesundheitssystems verknüpft. Insbesondere seit der Corona-Pandemie hat sich der Druck auf Apotheken erhöht, da viele von ihnen mit sinkenden Margen und steigenden Betriebskosten kämpfen. Die gesetzliche Regelung der Apothekenvergütung beruht auf einem Vergütungssystem, das seit einigen Jahren zunehmend in der Kritik steht. Ein zentrales Argument ist, dass es den Apotheken nicht ermöglicht, kostendeckend zu arbeiten, was die Existenz vor allem kleinerer Betriebe gefährdet.
Der Gültigkeitsrahmen für Apothekenhonorare wird durch die sogenannten „Zielvergütungen“ definiert, die im Arzneimittelversorgungsgesetz festgelegt sind. Diese Legalisierung des Fixhonorars ohne Berücksichtigung von individuellen Verkaufszahlen lässt viele Apotheker an der Nachhaltigkeit ihres Geschäftsmodells zweifeln. Der Vorstoß von Professor Götz, das Honorar zu staffeln, könnte hier eine grundlegende Wendung darstellen, da er es Kleinstapotheken ermöglichen würde, sich besser an die Marktbedingungen anzupassen.
Statistiken und aktuelle Daten zur Apothekenlandschaft
Ein aktueller Bericht der ABDA zeigt, dass in den letzten Jahren eine besorgniserregende Anzahl von Apotheken schließen musste. Im Jahr 2022 beispielsweise sank die Zahl der Apotheker in Deutschland auf 19.798, was einen Rückgang um 1,4 % im Vergleich zum Vorjahr bedeutet. Diese Entwicklung steht im Kontext der seit Jahren stagnierenden Apothekenhonorare und den damit verbundenen finanziellen Unsicherheiten. Eine Umfrage unter 600 Apotheker*innen ergab, dass 63 % der Befragten von einer bevorstehenden Schließung ihrer Apotheke berichten, sollte sich die Vergütung nicht zügig ändern. Diese Zahlen machen die Dringlichkeit einer Reform deutlich.
Neben den finanziellen Aspekten spielt auch der demografische Wandel eine entscheidende Rolle. Laut einer Studie des Statistischen Bundesamtes wird die Bevölkerung in Deutschland älter, wodurch die Nachfrage nach Arzneimitteln und damit auch die Bedeutung von Apotheken im Gesundheitssystem steigt. Die Herausforderung ist es jedoch, die betriebswirtschaftliche Basis der Apotheken zu sichern, damit sie in der Lage sind, diesen wachsenden Bedarf zu decken.
– NAG