Die Situation in den Wertachtal-Werkstätten in Kaufbeuren wirft Fragen auf, die weit über die hier beschäftigten Menschen hinausgehen. Bei einem Besuch der Werkstätten haben die Bundestagsabgeordneten Stephan Stracke und Wilfried Oellers Einblicke in die laufenden Herausforderungen und den Reformbedarf gewonnen. Diese Einrichtungen, in denen rund 300.000 Menschen mit Behinderungen in Deutschland beschäftigt sind, stehen an einem entscheidenden Punkt, der nicht nur die Lebensqualität der Beschäftigten, sondern auch die strukturelle Zukunft der Werkstätten selbst betrifft.
Am Standort der Wertachtal-Werkstätten sprachen Stracke und Oellers mit den Geschäftsführern Ralf Grath und Klaus Prestele, und den Werkstattleitern Christian Hobusa und Jürgen Chmiel. Auch Manuel Eder, der für die Betriebliche Inklusion zuständig ist, war Teil des Dialogs. Dabei wurden zahlreiche Hürden angesprochen, die die Arbeit und Entwicklung der Werkstätten behindern. Insbesondere die Sanierungsbedarfe und die steigenden Baukosten machen den Verantwortlichen große Sorgen. Prestele erläuterte, dass die Förderquote, die früher zwischen 50 und 60 Prozent lag, nun auf maximal 30 Prozent gesenkt wurde, was die Finanzierung der notwendigen Investitionen erheblich erschwert.
Die Dringlichkeit der Reform
Ein zentraler Punkt des Austauschs war die ungenügende Bezahlung der Werkstattbeschäftigten. Viele Menschen in diesen Werkstätten verdienen teils weniger als den Mindestlohn. Diese unhaltbare Situation hat die Verantwortlichen dazu gebracht, an die Politik zu appellieren. „Der Staat muss dringend mehr Geld bereitstellen“, so die klare Forderung der Wertachtal-Werkstätten. Diese sind eine Tochtergesellschaft der Lebenshilfe Ostallgäu-Kaufbeuren, die die Notwendigkeit einer grundlegenden Veränderung bei der Entlohnung der Beschäftigten erkennt.
Das Ziel der Reform, die im Bundesarbeitsministerium vorangetrieben wird, sieht eine verbesserte Eingruppierung auf Mindestlohn-Niveau und einen reibungsloseren Übergang auf den ersten Arbeitsmarkt vor. Stracke betonte, dass die Werkstätten für Menschen mit Behinderung an einem Wendepunkt stehen und dass das Zusammenspiel zwischen Werkstätten, Betrieben und Förderstätten essentiell für eine gelungene Teilhabe sei. „Ohne die Werkstätten würde ein bedeutender Partner in der Inklusion fehlen“, fügte er hinzu.
Die besorgniserregende Frage bleibt jedoch, was passiert, wenn die Rahmenbedingungen weiterhin unklar bleiben. Die Werkstätten fühlen sich unter Druck gesetzt, sich zu verändern, während gleichzeitig die Unsicherheiten in Bezug auf finanzielle Unterstützung und Strukturreformen zunehmen. Wie Grath feststellte, bleibt eine klare Perspektive, in welche Richtung sich die Werkstätten entwickeln sollen, bislang aus.
Die Wartung und Entwicklung dieser Einrichtungen ist nicht nur eine Frage der finanziellen Mittel, sondern auch eine gesellschaftliche Verantwortung, die die Inklusion unserer Mitmenschen mit Behinderung sichert. In Kaufbeuren wird die Uhr für eine positive Veränderung immer lauter, und die Hoffnung auf eine gründliche Reform wird von allen Beteiligten erwartet.
– NAG