In den letzten Monaten wurden in Deutschland vermehrt Störche gesichtet, die auf den Feldern und Wiesen nach Nahrung suchen oder in ihren Nestern thronen. Laut Angaben der Naturschutzorganisation Nabu zeigt sich dieser Anstieg als Ermutigung, da Bernd Petri, ein Fachmann der Bundesarbeitsgemeinschaft Weißstorchschutz, von mindestens 13.000 Storchenpaaren in diesem Jahr ausgeht. Im Vorjahr waren es noch 12.122 Brutpaare. Die genauen Zahlen werden in naher Zukunft veröffentlicht.
Besonders hoch sind die Zahlen entlang des Oberrheins in den Bundesländern Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Hessen. In diesen Regionen ist die Dichte mit etwa sechs Brutpaaren pro 100 Quadratkilometer am höchsten. Insbesondere Baden-Württemberg verzeichnete mit 2.191 Brutpaaren die größte Anzahl, gefolgt von Niedersachsen mit 2.113 Brutpaaren.
Währungsumstellung in den Beständen
Ein entscheidender Faktor für den Anstieg der Störche ist das veränderte Zugverhalten. Immer mehr Störche, die normalerweise in den Winter nach Afrika fliegen, bleiben in Europa und ziehen stattdessen nur nach Spanien oder Portugal. Diese Route ist sicherer und bietet den Vögeln bessere Überlebenschancen. Der Nabu betont, dass die westziehenden Störche im Vergleich zu ihren ostziehenden Artgenossen, die eine gefährlichere Reise bis nach Afrika antreten, weniger Risiken ausgesetzt sind.
Historisch betrachtet erlebte der Storch in Deutschland besonders in den 1980er Jahren eine dramatische Bestandsverringerung. „1988 zählte man nur noch 3.000 Brutpaare“, berichtet Helmut Eggers von der Bundesarbeitsgemeinschaft. In dieser Zeit war der Storch in Teilen von Rheinland-Pfalz und Saarland als Brutvogel verschwunden. Seitdem hat sich die Populationszahl jedoch kontinuierlich erholt, vor allem durch gezielte Wiederansiedlungsmaßnahmen. In Rheinland-Pfalz etwa wurden 2023 über 620 Paar gezählt.
Die Situation in mehr östlich gelegenen Bundesländern aber zeigt ein anderes Bild. In Mecklenburg-Vorpommern beispielsweise war die Anzahl der Brutpaare in den 1990er Jahren viel höher als heute, was zum Teil auf den Einsatz von landwirtschaftlichen Monokulturen zurückgeführt wird, die den Lebensraum der Störche beeinträchtigen.
Entwicklung über Jahrhunderte
Die wissenschaftliche Forschung hat nun auch neue Erkenntnisse zur Herkunft des Weißstorchs in Norddeutschland geliefert. Eine aktuelle Studie zeigt, dass diese Vogelart erst seit dem Mittelalter in den nördlichen Regionen heimisch ist. Historische Funde belegen, dass der Weißstorch vor rund 1.000 Jahren sein Verbreitungsgebiet nach Nordosten erweiterte, was zeitlich mit der Erschließung landwirtschaftlicher Flächen in Verbindung gebracht werden kann. Dies hatte zur Folge, dass viele Wälder gerodet und neue Nahrungsflächen geschaffen wurden, was dem Storch zugutekam.
Die Verbreitungsgebiete der Störche deckten sich in dieser Zeit weitgehend mit den Grenzen des Römischen Reiches und waren somit auf intensive landwirtschaftliche Nutzung angewiesen. Historische Analysen basieren auf Funden von Vogelknochen, die in der Nähe von alten Siedlungen entdeckt wurden und helfen nun dabei, das Verständnis für die langfristige Bestandsentwicklung des Weißstorchs zu erweitern.
Die Naturschützer betonen, dass es für den Erhalt dieser Vogelart von Bedeutung ist, nicht nur die aktuellen Trends zu betrachten, sondern auch deren geschichtliche Entwicklung zu kennen. Nur so kann man erfolgreiche Schutzmaßnahmen entwickeln und verstehen, wie sich Arten in unterschiedlichen Umgebungen verbreiten oder zurückziehen. Diese Erkenntnisse finden nicht nur im Naturschutz Anwendung, sondern auch in der Archäologie, da sie aufzeigen, inwiefern menschliches Handeln die Natur beeinflusst.
Die wieder wachsenden Bestände der Störche in Deutschland sind nicht nur ein Zeichen für die positive Entwicklung der Natur, sondern auch ein Hinweis darauf, wie durch gezielte Schutzmaßnahmen und das Verständnis über die Zusammenhänge im Ökosystem Tierarten wieder Fuß fassen können. Dies könnte ein Weg sein, um den Lebensraum dieser eindrucksvollen Vögel weiterhin zu sichern.