Die Lage ukrainischer Flüchtlinge in Deutschland ist ein Thema von wachsender Brisanz, insbesondere in Anbetracht der Herausforderungen, vor denen viele von ihnen stehen. Iana Kalynovska, eine 54-jährige Ukrainerin aus Kiew, ist ein Beispiel für die Entschlossenheit und den Kampfgeist dieser Menschen. Vor zweieinhalb Jahren, als die russischen Truppen ihre Heimatstadt bombardierten, fand sie Zuflucht in Deutschland. Heute ist sie engagiert auf der Suche nach einem Weg, ihre Unabhängigkeit durch berufliche Integration zu gewinnen. „Ich habe schon zwei Jobangebote“, sagt sie stolz in gutem Deutsch. Ihre Ausbildung zur Busfahrerin bei der Deutschen Bahn hat sie über das Jobcenter begonnen und sie überzeugt, dass der Busfahrer-Job eine praktische Möglichkeit sei, um eigenes Geld zu verdienen.
Doch die Realität sieht für viele ukrainische Flüchtlinge anders aus. Von den geschätzten 1,2 Millionen Flüchtlingen aus der Ukraine sind laut der Bundesagentur für Arbeit lediglich rund 249.800 sozialversicherungspflichtig beschäftigt oder haben einen Minijob. Diese Zahlen werfen Fragen auf: Warum sinkt der Anteil der Beschäftigung so drastisch? Olga Prigorko, eine Sozialarbeiterin im „Haus der Diakonie“ in Germersheim, hat mit vielen dieser Flüchtlinge gesprochen und bestärkt, dass „die meisten Ukrainer arbeiten wollen“, aber durch verschiedene Hürden gehemmt werden.
Hürden für die Integration
Kinderbetreuung stellt eines der größten Probleme dar, das insbesondere junge Mütter betrifft. Oftmals fehlen passende Plätze in Kitas, was es ihnen unmöglich macht, einer Arbeit nachzugehen. Zudem stehen viele Flüchtlinge vor der Herausforderung, die deutsche Sprache zu lernen, was für einige Männer frustrierend ist. „Statt einen Sprachkurs zu besuchen, suchen sie oft lieber schnell einen geringqualifizierten Job“, erklärt Prigorko. Dies ist laut ihr nicht nur ein individuelles Problem, sondern zeugt auch von der langwierigen deutschen Bürokratie, die viele Menschen in ihrem Integrationsprozess ausbremst.
Die Anerkennung der in der Ukraine erworbenen Qualifikationen ist oft ein langwieriger Prozess und verzögert die Integration unnötig. So berichtet die ukrainische Lehrerin Olena Helman über ihre frustrierende Erfahrung. Sie hat noch kein Feedback bezüglich der Anerkennung ihrer Papiere erhalten, obwohl sie sich in Deutschland bewähren möchte. Auch sie hat sich um einen Minijob bemüht und betreut nun ein behindertes Mädchen.
In der Zwischenzeit berichten viele Flüchtlinge von ihrem Wunsch, nicht mehr in die Ukraine zurückzukehren. Ihre persönliche Sicherheit und die Zukunft ihrer Kinder sind ihnen wichtiger als alles andere. Jüngste Entwicklungen im Land, wie der drohende Kriegsdienst für junge Männer, haben zur Flucht noch mehr junger Menschen geführt, die sich in Deutschland eine neue Existenz aufbauen möchten. Juliia Suhak, eine alleinerziehende Mutter, hat ihren Traum, Sozialarbeit zu studieren, vorerst aufgegeben, um in einem Lager eines Logistikunternehmens zu arbeiten. „Ich wollte einfach mein eigenes Geld verdienen“, erklärt sie.
Iana Kalynovska denkt derweil darüber nach, wie sie rechtzeitig zu ihrem neuen Job kommt, denn der öffentliche Nahverkehr bietet zur Frühschicht und nach der Spätschicht keine passenden Verbindungen an. Der Vorschlag des Jobcenters, ein Fahrrad zu nutzen, klingt zwar praktikabel, ist jedoch nicht für jeden Flüchtling realistisch.
Die Herausforderungen, vor denen viele ukrainische Flüchtlinge stehen, sind erheblich, doch ihre Entschlossenheit, sich ein selbstständiges Leben aufzubauen, bleibt ungebrochen. Es ist eine gemeinsame Geschichte von Hoffnung, Engagement und dem Streben nach einem neuen Anfang – trotz der Widrigkeiten, die sie bei ihrem Weg zur Integration überwinden müssen. Schließlich ist es nicht nur eine Frage des Überlebens, sondern auch der Lebensqualität und der Integration in eine neue Gesellschaft.
– NAG