Bei der zentralen Feier zum Tag der Deutschen Einheit in Schwerin hat Bundeskanzler Olaf Scholz eine realistische Bilanz der Wiedervereinigung gezogen. Mehr als 34 Jahre nach dem Fall der Mauer machte er deutlich, dass die Deutsche Einheit zwar weit fortgeschritten sei, jedoch noch lange nicht perfekt. „Ich verrate hier kein Geheimnis: Vollendet in diesem Sinne ist die Deutsche Einheit auch nach 34 Jahren natürlich nicht“, erklärte Scholz. In Anbetracht der damaligen Ausgangslage sei jedoch viel erreicht worden.
Scholz wies darauf hin, dass Deutschland vor einzigartigen Herausforderungen stehe, die kaum ein anderes Land in den letzten Jahrzehnten bewältigen musste. „Vor der Herausforderung nämlich, zwei über vier Jahrzehnte hinweg geteilte, völlig verschieden organisierte Teilgesellschaften zusammenzubringen – wirtschaftlich, politisch, kulturell und mental“, so der Kanzler.
Die Auswirkungen der Wiedervereinigung
Der Kanzler erinnerte die Bürger daran, die negativen Folgen der Wiedervereinigung nicht aus den Augen zu verlieren. Während für viele Ostdeutsche der Umbruch eine „Befreiung und einen Neuanfang“ darstellte, erlebten andere einen dramatischen Zusammenbruch. „Für Millionen war der Umbruch in den Jahren nach der Einheit für vor allem eines: ein Zusammenbruch“, betonte er. Viele Menschen hätten durch die Veränderungen ihre Identität und ihren Lebensunterhalt verloren. Scholz wies darauf hin, dass diese Aspekte zur Geschichte Deutschlands seit 1990 gehören und niemals vergessen werden sollten.
In seiner Rede warnte Scholz auch vor den aktuellen politischen Herausforderungen. Besonders in Ostdeutschland sei der Einfluss extremistischer und populistischer Bewegungen spürbar. „Nicht nur in Ostdeutschland erleben wir Landtagswahlen, bei denen sich manchmal bis zu einem Drittel der Wählerinnen und Wähler gerade für eine autoritäre und nationalradikale Politik entscheidet“, so der SPD-Politiker. Diese Entwicklung schade der Gesellschaft sowie der Wirtschaft und dem internationalen Ansehen Deutschlands.
Trotz dieser Herausforderungen betonte Scholz, dass die Mehrheit der Bürger in Deutschland fest hinter dem Prinzip der freiheitlichen Demokratie stehe. „Das sind die Vernünftigen und die Anständigen. Das sind die, die nicht nur motzen, sondern anpacken für unser Land.“ Diese Gruppe sei größer als die radikalen Elemente an den politischen Rändern. Der Kanzler hob hervor, dass es wichtig sei, die Leistung und den Fortschritt, die seit 1990 im Osten geleistet wurden, nicht kleinzureden, sondern anzuerkennen.
Abschließend appellierte Scholz an alle Anwesenden, gemeinsam an einer stabilen und gerechten Gesellschaft zu arbeiten, die die Lehren aus der Vergangenheit nicht vergisst. Der Tag der Deutschen Einheit sei nicht nur ein Anlass zum Feiern, sondern auch eine Gelegenheit, die Herausforderungen der Zukunft aktiv anzugehen und zu meistern.
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