In einem entscheidenden Moment für die militärischen Beziehungen zwischen Deutschland und der Ukraine hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vor seinem Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj klargemacht, dass Berlin keine weiteren weitreichenden Waffenlieferungen an die Ukraine beabsichtigt. Scholz betonte, dass die bestehenden Reichweitenbeschränkungen für deutsche Waffen nicht aufgehoben werden. „Das ist mit meiner persönlichen Haltung nicht vereinbar. (…) Wir werden das nicht machen. Und dafür haben wir gute Gründe“, erklärte er.
Selenskyj hat fortlaufend an die Verbündeten appelliert, ihm bei der Lieferung von präzisen und weitreichenden Waffen zu helfen. Der ukrainische Präsident sieht in diesen Rüstungen einen entscheidenden Faktor, um russische Militärstandorte tief auf russischem Territorium, weit hinter der Frontlinie, anzugreifen. Der Raketenwerfer Mars II ist dabei die am weitesten reichende Waffe, die Deutschland bisher geliefert hat, mit einer Reichweite von 84 Kilometern. Für bestimmte Einsätze in der Nähe von Charkiw hat das Bundesministerium der Verteidigung jedoch auch den Einsatz dieser Systeme gegen russische Ziele genehmigt.
Scholz‘ Bedenken zur Eskalation
Scholz vertritt die Ansicht, dass eine Lieferung von weitreichenden Präzisionswaffen an die Ukraine, wie beispielsweise die Taurus-Marschflugkörper mit einer Reichweite von etwa 500 Kilometern, eine „große Eskalationsgefahr“ birgt. Insbesondere nach dem jüngsten Treffen mit Selenskyj in Kiew bekräftigte er, dass solche Rüstungen unabhängig von Bündnisentscheidungen nicht an die Ukraine geliefert werden. Dies geschieht vor dem Hintergrund, dass NATO-Partner wie die USA und Großbritannien bereits Marschflugkörper mit erheblichen Reichweiten an die Ukraine übergeben haben und derzeit die Diskussion über deren erlaubte Einsätze gegen russische Ziele geführt wird. Selenskyj plant, auch mit US-Präsident Joe Biden in Washington über diese Themen zu sprechen.
Selenskyjs Resümee und der Druck auf Kiew
Obwohl Scholz der Anfrage nach weitreichenden Raketen nicht nachgab, äußerte sich Selenskyj nach dem Treffen optimistisch. Er bedankte sich für die bisherige Unterstützung Deutschlands und hob dabei besonders die Rolle Berlins bei der Organisation einer Friedenskonferenz in der Schweiz hervor. Selenskyj muss jedoch weiterhin auf andere Partner hoffen, um die benötigte militärische Unterstützung zu erhalten, da der Druck auf die Ukraine insbesondere im Osten des Landes nicht nachlässt.
Kiew verzeichnet zunehmende russische Angriffe, und die Lage im Osten bleibt angespannt. Insbesondere im Raum Pokrowsk und Kurachowe erhält die ukrainische Armee Unterstützung durch unabhängige Beobachter, die bestätigen, dass die Ukrainische Armee versucht, den Vorstoß der russischen Streitkräfte zu bremsen. Der Generalstab in Kiew meldete, dass mehr als die Hälfte der 125 russischen Angriffe entlang der Frontlinie in diesem Bereich stattfanden. Das ukrainische Militär konzentriert seine Anstrengungen, um die Kontrolle über strategisch wichtige Städte zu halten und weitere Angriffe auf zivile Ziele abzuwehren.
In der Nacht verzeichnete die Ukraine außerdem weitere Luftangriffe seitens Russlands, mit Alarmberichten in mehreren Regionen. Insbesondere im Gebiet Saporischschja wurde eine kritische Infrastruktur betroffen, wobei auch ein Wohnhaus getroffen wurde. Tragischerweise hat ein Angriff bereits zu einem Todesopfer und mehreren Verletzten geführt.
In Anbetracht der aktuellen Entwicklungen bleibt abzuwarten, inwieweit die Ukraine wie gewünscht materielle Unterstützung von ihren Verbündeten erhält. Die Situation veranschaulicht einmal mehr die hohe Bedeutung der militärischen Entscheidungen auf beiden Seiten in einem ohnehin angespannten Konflikt.