In Schleswig-Holstein stehen große Renaturierungsprojekte an, um die vielen Flüsse und Bäche in der Region wieder in ihren natürlichen Zustand zu versetzen. Diese Maßnahmen sind nicht nur ökologisch sinnvoll, sondern auch dringend notwendig, um sogenannten Hochwasserschutz sicherzustellen. Allerdings sind die Anstrengungen mit Herausforderungen und hohen Kosten verbunden.
Der Zustand der Gewässer in Schleswig-Holstein ist alles andere als optimal. Seit den 1950er-Jahren wurden die meisten Flüsse in der Region begradigt, um Platz für landwirtschaftliche Nutzflächen zu schaffen. Die damalige Praxis beinhaltete den Bau von Querbauwerken wie Wehren und Schleusen, die die natürliche Fließdynamik der Gewässer beeinträchtigten. Inzwischen ist klar, dass diese Maßnahmen negative Auswirkungen auf die Ökosysteme haben und die Wasserqualität leidet.
Renaturierung: Rückkehr zur Natur
Das Ziel der Renaturierung ist es, die Flüsse und Bäche wieder in ihre ursprüngliche Form zu bringen. Dazu gehören Maßnahmen wie das Einbringen von Windungen und Schleifen oder das Verbreitern von Flussbetten. Diese Anpassungen verlangsamen den Wasserfluss und bieten weiteren Raum für Überflutungen, was nicht nur der Biodiversität zugutekommt, sondern auch Hochwasserereignisse entschärfen kann.
Dr. Michael Trepel, der im schleswig-holsteinischen Umweltministerium für den Schutz der Binnengewässer verantwortlich ist, erläutert: „Wir müssen es auch schaffen, den Fluss wieder in die Landschaft zu integrieren, sodass ein Fluss auch mal ausufern darf.“ Dadurch können Nährstoffe in die Auen gelangen und helfen, die Gewässer zu entlasten.
Um Tag für Tag an diesen Projekten arbeiten zu können, braucht es jedoch großflächige Abschnitte und eine Zusammenarbeit vieler Flächeneigentümer. Trepel betont die Herausforderung, lückenlos an die Flächen zu gelangen, da oft einzelne Abschnitte nicht zusammenhängend sind. „Das macht es einfach so schwierig, im Bereich der Auen-Renaturierung voranzukommen“, sagt er.
Langfristige Perspektiven und finanzielle Herausforderungen
Bereits seit über 20 Jahren engagiert sich Schleswig-Holstein in der Renaturierung. Geplant ist, bis 2027 insgesamt 6.000 Kilometer Flüsse und Bäche zu renaturieren, was eine massive Herausforderung darstellt. Im Rahmen der EU-Wasserrahmenrichtlinie müssen Gewässer in einen guten ökologischen und chemischen Zustand gebracht werden. In der Vergangenheit wurden bereits erfolgreiche Projekte wie die Renaturierung der Schwartau durchgeführt, wo viele Flächen im Landesbesitz waren und so die Anpassungen relativ unkompliziert vorgenommen werden konnten.
Die Wasser- und Bodenverbände, die für die Durchführung dieser Renaturierungsprojekte verantwortlich sind, berichten jedoch von schleppendem Fortschritt, da die derzeit geplanten Maßnahmen kostenintensiver und aufwendiger als die frühen Projekte sind. Der mangelnde Platz, um Flüsse zu verbreitern, ist ein häufiges Problem. „Das ist wichtig für viele Renaturierungsmaßnahmen“, erklärt der Landesvorsitzende der Verbände, Hans-Heinrich Gloy.
Ein zentraler Aspekt dieser Renaturierungsprojekte ist auch die gleichzeitige Flächennutzung. Gloy fordert eine Lösung, um die Konkurrenz um Flächen zwischen verschiedenen Interessensgruppen wie Landwirten, Unternehmen und Naturschützern zu entschärfen. „Auf einer Fläche müssen mehr Dinge passieren“, äußert Gloy. „Die Fläche ist nicht mehr vermehrbar, unser Planet ist endlich.“
Ein wichtiges Anliegen ist den Verantwortlichen die nachhaltige Einbeziehung der Landwirte, die oft sehr an den Flächen hängen, die sie bewirtschaften. Viele Bauern sind offen für Renaturierungsmaßnahmen, hätten jedoch gerne Ausgleichsflächen, die nicht mehr landwirtschaftlich genutzt werden, um die Balance zwischen Naturschutz und Landwirtschaft zu wahren. Gersteuer, der Generalsekretär des Bauernverbands in Schleswig-Holstein, führt an: „Da bräuchten wir nochmal eine grundsätzliche Lösung vom Gesetzgeber, dass man diese Flächen erschließt.“
Die kommenden Jahre werden entscheidend für die Umsetzung der Renaturierungsprojekte sein. Fachleute sind sich einig, dass für eine zufriedenstellende sowie effektive Renaturierung eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Landwirten, Umweltbehörden und Wasserverbänden notwendig ist. Schließlich werden nur so nicht nur die ökologischen Ziele erreicht, sondern gleichzeitig eine gute Grundlage für die regionale Entwicklung geschaffen.
Interessierte Bürger haben zudem die Möglichkeit, sich aktiv an der Überprüfung der Flüsse zu beteiligen, wie die ARD-Mitmachaktion #unsereFlüsse zeigt. Diese Initiative ermutigt Menschen, den Zustand ihrer lokalen Gewässer zu begutachten und so wertvolle Daten zu sammeln, die in die weiteren Renaturierungsstrategien einfließen können.