In der malerischen Kulisse des kleinen Plöner Sees, eingebettet in die Holsteinische Schweiz, entsteht zurzeit eine spannende Kinodokumentation über die schwedische Schriftstellerin Astrid Lindgren. Der Kieler Filmemacher Wilfried Hauke und sein engagiertes Team arbeiten an einem Film, der sich mit Lindgrens weniger bekannten, aber bedeutenden Aspekten des Lebens befasst, insbesondere ihren Kriegstagebüchern aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs.
Die gegenwärtigen Dreharbeiten finden am Gut Wittmoldt statt, einem beeindruckenden Herrenhaus, das von üppigen Wäldern und glitzernden Seen umgeben ist. Hauke hat diesen Standort bewusst ausgewählt und bezeichnet ihn als „Bullerbü live“, ein Verweis auf die idyllische Umgebung, die eng mit Lindgrens literarischer Welt verbunden ist. Der Filmemacher, der mit den Geschichten von Pippi Langstrumpf und Ronja Räubertochter aufgewachsen ist, betont, wie wichtig es ist, die Zeit von 1939 bis 1945 zu verstehen, um den Kontext hinter Lindgrens berühmten Figuren und Geschichten zu erfassen.
Die Entstehung des Films
Wilfried Hauke hat für seine Dokumentation nicht nur Originalschauplätze in Schweden genutzt, sondern auch eng mit Lindgrens Familie zusammengearbeitet. Besonders berührend war seine Begegnung mit Lindgrens 90-jähriger Tochter Karin Nyman. Diese hatte Bedenken, dass Haukes Film möglicherweise ein verzerrtes Bild ihrer Mutter vermitteln könnte, und es dauerte fast ein Jahr, bis das Vertrauen aufgebaut war, um mit den Aufnahmen beginnen zu können.
Die Kriegstagebücher Lindgrens, die erstmals 2015 posthum veröffentlicht wurden, bieten einen tiefen Einblick in ihre Gedanken und Gefühle während des Krieges. Sie dokumentierte die Schrecken des Konflikts und den Alltag in ihrem Heimatland Schweden, als sie gleichzeitig die unvergessliche Figur der Pippi Langstrumpf erschuf. Diese Mischung aus Leid und kindlichem Optimismus wird ein zentraler Punkt in Haukes Film sein. „Diese Tagebücher zeigen das Geheimnis der Kraft hinter ihren Geschichten“, erklärt Hauke. „In einer Zeit voller Grauen schafft sie mit Pippi ein Symbol für Stärke und Hoffnung.“
Drehort und Casting
Die Dreharbeiten am See, die eine Szene aus dem Jahr 1942 darstellen, haben bereits begonnen. Hier wird Astrid Lindgren mit ihrem Ehemann und ihrer Tochter Karin dargestellt, gespielt von der jungen Edda Marta. Diese wählte zu ihrer Rolle: „Ich mag Pippi Langstrumpf, weil sie so stark ist.“ Auch die schwedische Schauspielerin Sofia Pekkari, die die Rolle der Astrid Lindgren verkörpert, zeigt sich begeistert von der Thematik. „Ich dachte nicht, dass ich noch etwas Neues über Astrid Lindgren entdecken könnte, aber die Arbeit an den Kriegstagebüchern hat mir eine ganz andere Perspektive gegeben“, sagt Pekkari.
Die filmischen Szenen, die ohne Dialoge auskommen, werden mit ausgewählten Textpassagen aus den Tagebüchern unterlegt. Dieser kreative Ansatz soll den Zuschauern ermöglichen, sich auf die emotionale Tiefe der Erlebnisse von Lindgren zu konzentrieren. Der Film, der auch von der Moin Filmförderung Hamburg und Schleswig-Holstein unterstützt wird, wird voraussichtlich im Frühjahr 2025 in Kinos und im Fernsehen, sowohl im NDR als auch auf Arte, ausgestrahlt. Ein passender Zeitpunkt, um den 80. Geburtstag von Pippi Langstrumpf zu feiern.
Eine Reise in Lindgrens Vergangenheit
Die Kombination von historischer Recherche und der kreativen Interpretation von Lindgrens literarischem Erbe macht diesen Film zu einem besonderen Projekt, das die Zuschauer dazu einlädt, die komplexe Persönlichkeit hinter der beliebten Kinderbuchautorin neu zu entdecken. Die Erkundung ihrer frühen Jahre im Kontext des Krieges gibt wertvolle Einsichten und positioniert Lindgrens Lebenswerk im Lichte ihrer eigenen Erfahrungen. Die Dreharbeiten in Schleswig-Holstein zeigen nicht nur die malerische Landschaft, sondern auch die fortwährende Bedeutung von Lindgrens Geschichten, die auch heute noch Generationen von Lesern und Zuschauern inspirieren weiter.
Die Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs auf Astrid Lindgrens Werk
Die Jahren des Zweiten Weltkriegs hatten tiefgreifende Auswirkungen auf das literarische Schaffen von Astrid Lindgren. In ihren Kriegstagebüchern schildert sie nicht nur persönliche Erlebnisse, sondern auch die gesellschaftlichen Verwerfungen ihrer Zeit. Der Druck, unter dem viele Autoren litten, und die Zensur, die in Europa während des Krieges kontinuierlich zugenommen hatte, zwangen viele Schriftsteller, ihre Perspektiven zu überdenken. Lindgren, die als Feministin und Humanistin bekannt war, formulierte durch ihre Geschichten gesellschaftliche Kritik und verwob diese mit den kindlichen Abenteuern ihrer Figuren. Ihr Werk spiegelt nicht nur ihre Kindheitserinnerungen wider, sondern auch ihren Wunsch, Kindern ein Gefühl von Hoffnung und Stärke zu vermitteln, selbst in grausamen Zeiten.
Ein Beispiel dafür ist die Figur der Pippi Langstrumpf, die in direktem Kontrast zu den Geschehnissen des Krieges steht. Lindgren schuf mit Pippi ein starkes, unabhängiges Mädchen, das gegen gesellschaftliche Normen aufbegehrt. Diese Figur wurde nicht nur zu einem Symbol für Freiheit und Individualismus, sondern auch zu einem festen Bestandteil der Kinderliteratur weltweit.
Die Bedeutung der Kriegstagebücher für die Forschung
Die posthume Veröffentlichung der Kriegstagebücher im Jahr 2015 hat neue Perspektiven auf Astrid Lindgrens Leben und Werk eröffnet. Historiker und Literaturwissenschaftler begannen, die Tagebücher nicht nur als autobiografisches Material, sondern auch als wertvolle historische Quelle zu betrachten. Diese Dokumente geben Einblicke in Lindgrens Gedanken über die politischen Entwicklungen in Europa, ihre persönlichen Erfahrungen mit dem Krieg und die Art und Weise, wie diese Erlebnisse ihr Schreiben beeinflussten. Studien haben gezeigt, dass literarische Werke, die während oder nach Zeiten großer gesellschaftlicher Umwälzungen geschrieben wurden, oft die inneren Konflikte und Ängste ihrer Autoren widerspiegeln und gleichzeitig als Widerhall zeitgenössischer Gedanken fungieren.
Ein Publikum, das in Lindgrens Geschichten ein Universum der positiven Werte sieht, kann die düsteren Details ihrer Tagebücher oft nur schwer zusammenbringen mit den Märchen, die sie geschaffen hat. Doch das Verständnis für diese Dualität eröffnet einen tieferen Zugang zu ihren Texten und zeigt, wie Lindgren durch ihre Literatur einen Raum für kindliche Fantasie schuf, der im Widerspruch zu der brutalen Realität ihrer Zeit stand.
Rezeption und Einfluss von Astrid Lindgrens Literatur
Astrid Lindgrens Einfluss reicht weit über die schwedischen Grenzen hinaus und hat sich weltweit entfaltet. Ihre Bücher wurden in über 100 Sprachen übersetzt und haben generationenübergreifend Leser begeistert. Die Geschichten vermitteln universal zugängliche Themen wie Freundschaft, Mut und Gerechtigkeit, die gerade in schwierigen Zeiten Resonanz finden. Pippi Langstrumpf wird oft als Ikone des feministischen Kinderbuchs betrachtet, da Lindgren eine starke weibliche Heldin präsentierte, die nicht den gesellschaftlichen Erwartungen ihrer Zeit entsprach.
Aktuelle Recherchen zu den Verkaufszahlen ihrer Werke belegen, dass Lindgrens Bücher auch heute noch einen bemerkenswerten Einfluss haben. Laut Schätzungen hat die Autorin mit ihren Geschichten über 150 Millionen Exemplare verkauft, was zeigt, dass ihre Botschaften von Freiheit und Unabhängigkeit weiterhin relevant sind. Zudem inspirierte ihr Werk zahlreiche Adaptionen in Film, Theater und anderen Medien, die den Charakter und die Werte ihrer Figuren inszenieren, um auch zukünftigen Generationen wichtige Lektionen zu vermitteln.
– NAG