In Lübeck, genauer gesagt im Stadtteil St. Jürgen, ist ein besorgniserregendes Phänomen aufgetreten: Über 40 Ratten sind in die Freiheit entlassen worden und durchstreifen nun die Umgebung. Das unerwartete Auftauchen dieser Nager hat sowohl Anwohner als auch die Tierrettung aus der Region fassungslos gemacht und mobilisiert. Holmer Zähle, 68 Jahre alt und Teil der Tierrettung Lübeck, hat sich bereit erklärt, bei der Jagd auf die Ratten zu helfen.
Das Problem zieht sich mittlerweile über einen Zeitraum von drei Wochen hin. Täglich müssen fleißige Helfer am Ufer der Wakenitz, einem wunderschönen Nebenfluss der Trave, ihre Fangversuche starten. Zähle und sein Team nutzen Keschern, um die flinken Nagetiere einzufangen und ins Tierheim zu bringen. Das klingt einfacher, als es in der Praxis ist, denn die Ratten sind zwar nicht besonders scheu, doch sie sind äußerst beweglich.
Woher kommen die Ratten?
Holmer Zähle hat eine Theorie darüber, woher die Farbratten stammen könnten. Er vermutet, dass sie aus einem Privathaushalt stammen, aus dem sie möglicherweise ausgesetzt wurden. „Die Tiere zeigen mehrere Verletzungen“, berichtet er. Bei einer großen Anzahl von Ratten auf engem Raum kann es zu Aggressionen kommen, was zu Bissen und Verletzungen führt. „Wahrscheinlich konnte jemand nicht mehr für sie sorgen und hat sie einfach ausgesetzt“, fügt er hinzu.
Die Fangaktion läuft auf Hochtouren, denn die Zeit drängt. Die Ratten sind extrem paarungswillig, und Zähle warnt: „Wenn nur ein Pärchen übrig bleibt und Nachwuchs bekommt, beginnt die ganze Prozedur von vorn.“ Daher ist es wichtig, die Nager schnell zu fangen, um eine Vermehrung zu verhindern.
Um die gefräßigen Tiere anzulocken, setzen die Tierretter verschiedene Lockmittel ein. Nutella, Thunfisch und Mais sind die Geheimwaffen, die in der Rattenwelt sehr beliebt sind. Die Herausforderung besteht allerdings darin, die Tiere zu fangen, bevor sie wieder in ihre Verstecke flüchten können. Innerhalb einer Stunde konnte das Team bereits vier Ratten einfangen, einige davon sind sogar trächtig.
Die gefangenen Tiere werden vorübergehend ins Tierheim Lübeck gebracht, wo sie zunächst in Quarantäne müssen, um sich von möglichen Parasiten und Bissverletzungen erholen zu können. Schließlich werden sie von dort aus in andere Tierheime vermittelt, da nicht alle Ratten dort bleiben können.
Ein eindrückliches Bild der Situation
Anwohner wie Johann Burmester haben bereits beobachtet, dass die Ratten zunehmend zutraulich werden. „Ich habe vor einer Woche einen Käfig unter der Brücke gesehen, in dem Ratten gefangen waren“, erzählt er. Obwohl der Käfig mittlerweile verschwunden ist, scheinen die Problemeanhaltend. „Ich habe eine Ratte auf meinem Balkon gesehen, die immer wieder zurückkommt. Man mag die Balkontür nicht mehr öffnen“, berichtet eine besorgte Nachbarin.
Die Erzählungen der Anwohner zeigen, dass die Ratten nicht nur am Wakenitzufer, sondern bereits in den Gärten und auf Balkonen sichtbar sind. Eine andere Anwohnerin, Marianne Siedler, berichtet von einer Ratte, die direkt neben ihr auf der Terrasse saß. „Ich hatte im Garten auch schon Nutrias und Waschbären. Die machen mir mehr Angst“, sagt sie. Diese Rückmeldungen verdeutlichen, wie sehr die Nager mittlerweile in das Alltagsleben der Menschen eingreifen.
Bereits in der kurzen Zeit haben die Tierfreunde 31 Ratten gefangen, und die Bemühungen gehen weiter. Jedes Mal, wenn sie zum Fang ansetzen, bleibt die Frage im Raum, wo diese Tiere hergekommen sind und warum sie ausgesetzt wurden. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Situation entwickeln wird und ob die Rattenplage bald eingedämmt werden kann.
Die Bedeutung der aktuellen Situation
Diese Rattenplage in Lübeck wirft wichtige Fragen auf, vor allem zur Verantwortung von Haustierbesitzern. Die Möglichkeit, dass eine solche Abhängigkeit entstehen kann, zeigt, wie wichtig es ist, sich um Tiere zu kümmern und sie nicht einfach auszusetzen, wenn man nicht mehr für sie sorgen kann. Dieser Vorfall könnte als Weckruf angesehen werden und fordert ein Umdenken in der Gesellschaft, was den Umgang mit Tieren betrifft. Die Bemühungen der Tierrettung verdeutlichen, wie entscheidend es ist, diesen Tieren zu helfen, bevor die Situation noch schlimmer wird.
Die Rattenplage in Lübeck wirft nicht nur Fragen zur Ursprung und Verbreitung der Tiere auf, sondern hat auch gesellschaftliche und gesundheitliche Implikationen. Ratten können Träger von verschiedenen Krankheiten sein, darunter Leptospirose und Hantavirus, die sowohl für Menschen als auch für Haustiere gefährlich sind. Daher ist es wichtig, die Situation ernst zu nehmen und geeignete Maßnahmen zur Eindämmung zu ergreifen.
In städtischen Gebieten wie Lübeck sind Rattenpopulationen oft ein Resultat von menschlichen Aktivitäten, darunter die unsachgemäße Entsorgung von Lebensmitteln und Abfällen. In vielen Städten hat die Zunahme von Recycling- und Kompostierungsprogrammen, die Lebensmittelreste anziehen, zu einem Anstieg der Rattenpopulationen geführt. Die Behörden arbeiten an Strategien, um dieses Problem anzugehen, oft in Zusammenarbeit mit Tier- und Umweltorganisationen.
Verschärfung der Situation durch Wetterbedingungen
Die jüngsten Wetterbedingungen in Schleswig-Holstein könnten ebenfalls eine Rolle bei der Zunahme der Rattenpopulation gespielt haben. Feuchtes Wetter und milde Winter schaffen optimale Bedingungen für Ratten, da sie weniger natürliche Feinde haben und sich in diesen Bedingungen leichter fortpflanzen können. Experten weisen darauf hin, dass solche klimatischen Faktoren nicht ignoriert werden dürfen, wenn man die Rattenplage in urbanen Umgebungen wie Lübeck betrachtet.
Die Behörden könnten in Erwägung ziehen, umfassendere Maßnahmen einzuführen, um diesen Herausforderungen zu begegnen. Dazu gehört die Überprüfung und Verbesserung der Abfallmanagementsysteme in betroffenen Gebieten sowie die Sensibilisierung der Bürger über die richtige Abfallentsorgung.
Maßnahmen zur Bekämpfung der Rattenpopulation
Um die Rattenplage wirkungsvoll zu bekämpfen, ist ein koordiniertes Vorgehen erforderlich. Die Lübecker Verwaltung hat bereits Maßnahmen ergriffen, um die Bevölkerung zu informieren und anzuregen, keine Nahrungsmittelabfälle im Freien zu lassen. Zusätzlich könnten professionelle Schädlingsbekämpfer engagiert werden, um die Population zu reduzieren. Der Einsatz von fangenden Maßnahmen, wie sie aktuell durch die Tierrettung durchgeführt werden, ist ebenfalls ein wichtiger Schritt.
Ein weiterer Aspekt ist die Aufklärung der Bevölkerung darüber, wie man Ratten fernhalten kann. Dazu gehört das Versiegeln von Mülltonnen, das Beseitigen von Wasserquellen und das Verhindern von Unterschlüpfen in Gärten oder rund um Gebäude. Eine informierte Gemeinschaft kann entscheidend dazu beitragen, die Rattenpopulation langfristig zu kontrollieren.
Die Berater und Fachleute im Bereich der Schädlingsbekämpfung betonen, dass bei der Bekämpfung von Ratten Geduld und ständige Überwachung erforderlich sind. Die Situation in Lübeck könnte ein Beispiel dafür sein, wie schnell sich ein Problem entwickeln kann, wenn die Vorbeugung vernachlässigt wird. Es ist zu hoffen, dass durch die laufenden Anstrengungen der Tierrettung und der Behörden die Rattenplage bald eingedämmt werden kann.
– NAG