In der Hansestadt Lübeck wird über den Bau einer Straßenbahn diskutiert. Diese Debatte gewinnt an Fahrt, nachdem ein Gutachten die Möglichkeiten und Vorteile eines Stadtbahnnetzes präsentiert hat. Die Stadtverwaltung hingegen erachtet das Projekt als nicht realisierbar und möchte es ad acta legen. Der Verkehrsbeauftragte Michael Stödter äußert deutliche Bedenken hinsichtlich der Umsetzbarkeit.
Der Vorsitzende des Vereins „Tram für Lübeck“, Lutz Kuwalsky, setzt sich vehement für die Wiedereinführung einer Straßenbahn ein. Seiner Meinung nach müsste Lübeck, die einzige deutsche Großstadt ohne ein derartiges Verkehrssystem, die Verkehrswende ernst nehmen. Er hebt hervor, dass eine Straßenbahn bis zu einhundert Prozent mehr Fahrgäste im Vergleich zu Bussen befördern könne und damit einen wirklichen Beitrag zur Klimaneutralität leistet. „Auf Schienen gleiten ist komfortabler. Ich kann dabei sogar Kaffee trinken“, so Kuwalsky.
Öffentliches Nahverkehrsziel unter Druck
Lübeck plant, bis 2040 klimaneutral zu werden, was bedeutend mehr Menschen dazu ermutigen müsste, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen. Derzeit wird nur etwa elf Prozent der zurückgelegten Kilometer mit dem öffentlichen Nahverkehr zurückgelegt. Das neue Ziel besteht darin, diesen Anteil auf 20 Prozent zu heben. Das Gutachten beweist, dass dies mit einem Straßenbahnnetz realistisch erreichbar wäre. Das vorgeschlagene Netz würde vier Linien umfassen, die die Stadtteile miteinander verbinden und im Zehn-Minuten-Takt fahren.
Allerdings gibt es aus der Stadtverwaltung klare Signale, die eher gegen eine Straßenbahn sprechen. Die derzeitige Haushaltslage ist angespannt, und die geschätzten Kosten von 330 Millionen Euro für den Eigenanteil sind zu hoch. Stödter ergänzt, dass die Verwaltung die Möglichkeit des Straßenbahnbaus für unrealistisch hält und stattdessen optimierte Buslinien und den Ausbau des Radwegenetzes bevorzugt.
Gegensätzliche Sichtweisen unter den Entscheidern
Die Meinungen unter den Stadtpolitikern sind gespalten. Während einige, wie Lutz Kuwalsky, an die positiven Effekte einer Straßenbahn glauben, sieht der Fraktionsvorsitzende der FDP, Torsten Fürter, diese Form des öffentlichen Nahverkehrs als veraltet und fordert „on demand“-Lösungen über digitale Plattformen. Historische Strukturen und Verkehrsdichte könnten der Einführung einer Straßenbahn im Weg stehen.
Im Gegensatz dazu betonen Befürworter wie Ulrich Brock von der CDU, dass Lübeck die Chance nutzen sollte, „groß zu denken“. Er ist überzeugt, dass der Bau einer Straßenbahn auch im historischen Stadtbild nicht unmöglich ist. Beispiele aus anderen Städten, etwa Bordeaux in Frankreich, zeigen, dass Straßenbahnen auch in engen Altstädten funktionieren können, ohne sie zu verschandeln.
Die Entscheidung über den weiteren Verlauf der Diskussion wird voraussichtlich Ende November getroffen, wenn die Bürgerschaft über den weiteren Schritt zu einem vertiefenden Gutachten abstimmt. Lutz Kuwalsky bezeichnet dies als eine entscheidende Gelegenheit für die Hansestadt: „Wir dürfen das Potenzial nicht verschenken.“ Mehr Informationen über die Thematik sind zu finden hier.