Der Amazonas-Regenwald, bekannt für seine immense Biodiversität, steht jetzt im Mittelpunkt einer wegweisenden Studie, die unser Verständnis der regionalen Artenvielfalt revolutionieren könnte. Forscher des Britischen Centre for Ecology & Hydrology (UKCEH) haben gemeinsam mit Experten der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel untersucht, wie der Amazonas während der letzten Eiszeit, die vor etwa 2,6 Millionen Jahren begann und vor 11.700 Jahren endete, geformt wurde. Dr. Michaela Ecker, eine Kieler Archäologin und Co-Autorin der Studie, beschreibt, dass durch diese Forschung ein neuartiges Modell entwickelt wurde, das archäologische und geowissenschaftliche Daten kombiniert, anstatt sie isoliert zu betrachten.
Bisher gab es in der Wissenschaft verschiedene Ansichten über die Vegetation während dieser Eiszeit. Die verbreitete Annahme war, dass es „Waldinseln“ gab, die isoliert voneinander existierten. Einige andere Theorien argumentieren dagegen, dass der Regenwald durchgängig war und die Flächen ähnlich zu heutigen Verhältnissen waren. Die Ergebnisse der aktuellen Studie zeigen, dass die Wahrheit irgendwo dazwischen liegt. Es scheint, dass der Amazonas während dieser Zeit etwas von beidem hatte: eine reduzierte Waldbedeckung, jedoch verbunden durch lichter bewachsene Flächen, die Bewegungen von Tier- und Pflanzenarten ermöglichten.
Neue Erkenntnisse über die Biodiversität des Amazonas
Ein zentrales Ergebnis der Studie ist, dass anpassungsfähige Arten zwischen diesen Waldinseln migrieren konnten, während spezialisierte Arten, die auf bestimmte Lebensräume angewiesen waren, nur in den isolierten Waldgebieten überleben konnten. Diese Dynamik führte zur Entstehung einer großen Vielfalt von Arten, die sowohl lokal als auch weit verbreitet sind. Um solche komplexen Wechselwirkungen im Amazonas-Ökosystem zu verstehen, hat das Forschungsteam fortschrittliche Modellierungstechniken eingesetzt, die auch die Ergebnisse früherer Umweltforschungen berücksichtigen.
Ein spezieller Ansatz war die Verwendung von fossilen Pollenanalysen, die Informationen darüber liefern, welche Pflanzenarten während der Eiszeit im Amazonasgebiet vorkamen. Diese Daten haben jedoch meist nur lokale Relevanz. Computermodelle hingegen können überregionale oder sogar globale Klimaveränderungen analysieren. „Bisher wurden diese Methoden unabhängig verwendet“, erklärt Dr. Ecker. „In unserer aktuellen Studie haben wir sie kombiniert und das Modell direkt an die pollenanalytischen Daten angepasst.“ Dies erlaubt eine genauere Rekonstruktion der Vergangenheit des Amazonas und eröffnet neue Perspektiven für zukünftige Umweltmodellierungen.
Die Erkenntnisse dieser Studie liefern nicht nur eine Erklärung für die Artenvielfalt im Amazonas, sondern etablieren auch ein wichtiges neues Werkzeug für die Erforschung geschichtlicher Umweltverhältnisse. „Das Zusammenspiel zwischen Mensch und Umwelt seit der Steinzeit ist ein bedeutender Forschungsschwerpunkt in Kiel, insbesondere im Exzellenzcluster ROOTS“, sagt Dr. Ecker. „Wenn wir Daten der Archäologie direkt in unsere Umweltmodelle integriert nutzen können, bietet das völlig neue Möglichkeiten zur Rekonstruktion dieses komplexen Wechselspiels.“ Die Bedeutung dieser interdisziplinären Forschung wird künftig wohl entscheidende Impulse für das Verständnis von Ökosystemen und Biodiversität geben, wie www.uni-kiel.de berichtet.