Gerichte in Deutschland stehen oft vor der Herausforderung, eine Vielzahl ähnlicher Fälle zu bearbeiten. Vor allem Massenverfahren, wie Klagen im Zusammenhang mit Abgasskandalen oder der Datenschutzgrundverordnung, belasten die Richter und das Personal erheblich. Ein Beispiel dafür ist das Landgericht Kiel, das seit einiger Zeit daran arbeitet, die hohe Anzahl an Klagen, besonders gegen private Krankenversicherungen, zu bewältigen. Diese Verfahren erfordern viel Aufmerksamkeit, da trotz ähnlicher Ausgangslagen jeder Fall einzeln betrachtet werden muss.
Richterin Luise Steinhausen betont, wie wichtig es ist, den Überblick über die Vielzahl der eingereichten Dokumente zu behalten. Um diesen Prozess effizienter zu gestalten, wurde die Software „LOGOS“ entwickelt, die derzeit beim Landgericht Kiel getestet wird. Diese Software gehört zur Kategorie der „Legal Technology“, die darauf abzielt, juristische Abläufe zu automatisieren und zu beschleunigen.
Technologie und deren Einsatz
Seit 2023 wird das Programm LOGOS, das Musterurteile und vordefinierte Textbausteine beinhaltet, ausprobiert. Die Software durchsucht neue Fälle nach bereits bekannten Mustern und schlägt geeignete Urteile vor. Dies soll den Richtern helfen, schneller zu einer Entscheidung zu kommen. Laut Richterin Steinhausen kann das Programm schon jetzt umfassende Urteilsentwürfe generieren, die die Richter dann lediglich noch anpassen müssen.
Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass LOGOS keine Künstliche Intelligenz ist. Die Entscheidungen werden nicht automatisch getroffen, sondern beruhen auf von den Richtern eingegebenen Informationen. Softwarentwickler Tilo Wend erklärt, dass Richter die für sie relevanten Werkzeuge aus der Software zusammenstellen können, um ihre Anforderungen zu erfüllen. Diese benutzerfreundliche Gestaltung der Software soll sicherstellen, dass auch Richter ohne tiefgehende technische Kenntnisse damit arbeiten können.
Ausblick und Herausforderungen
Aktuell sind die Ergebnisse des Projekts noch verhalten. Die Richterin erklärt, dass die erwarteten Zeitersparnisse bisher nicht erreicht wurden. Die korrekte Handhabung des Programms erfordere nach wie vor einen erheblichen Aufwand, da die richtigen Textbausteine und Strukturen geschaffen werden müssen. Dies zeigt, dass trotz der Fortschritte, die mit der digitalen Unterstützung gemacht werden, die Realität noch nicht den Erwartungen entspricht.
Das Landgericht Kiel plant, die Testphase bis ins Frühjahr 2025 zu verlängern und hofft, daraus wertvolle Erkenntnisse zu gewinnen. Vizepräsident Carl-Sebastian Zoellner sieht in der Software dennoch Potenzial für die Zukunft. Er betont, dass die Entwicklung hin zu einer Integration von Künstlicher Intelligenz denkbar ist, sofern die entsprechenden Herausforderungen gelöst werden können. Derzeit evaluieren die zuständigen Stellen im Ministerium für Justiz und Gesundheit in Schleswig-Holstein den Erfolg des Projekts und die Möglichkeit, ähnliche Lösungen in anderen Rechtsbereichen anzuwenden.
In der Zwischenzeit wird die Digitalisierung der Gerichte weiterhin ein zentrales Thema sein. Die Implementierung von Software wie LOGOS zeigt, dass ein klarer Willen besteht, die Justizprozesse zu modernisieren und den Richtern werkzeug-basierte Unterstützung zu bieten. Diese Entwicklungen sollen unter anderem dazu beitragen, die Arbeitsbelastung der Richter langfristig zu reduzieren und eine schnellere Abwicklung von Massenverfahren zu ermöglichen.
Für detailliertere Einblicke in die aktuellen Entwicklungen und die angestrebte Digitalisierung der Justiz wartet an verschiedenen Landesgerichten der Einsatz von Künstlicher Intelligenz darauf, ausgewertet zu werden.
Für weitere Informationen zu diesem Thema und dem Testlauf von LOGOS, siehe die aktuelle Berichterstattung auf www.ndr.de.