Flensburg, eine Stadt mit einer komplexen Geschichte, steht im Mittelpunkt der Diskussion über den richtigen Umgang mit ihrer kolonialen Vergangenheit. Die einst blühende Hafenstadt profitierte enorm von der Kolonialisierung, insbesondere durch die dänischen Kolonien in der Karibik, die erhebliche Waren wie Zucker und Rum nach Europa brachten. Historisch gesehen, war Flensburg neben Kopenhagen und Altona eine der bedeutendsten Hafenstädte im dänischen Königreich, und dies war nicht ohne seine Schattenseiten, vor allem die Sklaverei, die oft ignoriert oder beschönigt wird.
Die dunkle Geschichte ist gut im Schifffahrtsmuseum dokumentiert, wo die Ausstellung „Zucker, Rum, Versklavung“ eine tiefere Einsicht in die damaligen wirtschaftlichen Praktiken gibt. Hier wird nicht nur die Faszination der Kolonialwaren präsentiert, sondern auch die brutalen Realitäten des Sklavenhandels. Diese Erzählungen illuminieren den Dreieckshandel, der für die Versklavung von mehr als 110.000 Menschen verantwortlich war, die unter schrecklichen Bedingungen in die Karibik verschifft und dort auf Plantagen arbeiten mussten.
Die Museen als Ort des Wandels
Das Schifffahrtsmuseum ist nicht nur ein Ort des Erinnerns, sondern auch ein zentraler Punkt in der Debatte über eine angemessene Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit. Museumsleiterin Susanne Grigull hat angekündigt, dass sie an einer Neugestaltung der Ausstellung arbeiten wollen, um der Perspektive der Versklavten mehr Raum zu geben. Dieser Schritt ist Teil eines größeren Trends, der in den letzten Jahren in Museen und anderen öffentlichen Einrichtungen zu beobachten ist, hin zu einer kritischeren Betrachtung kolonialer Legenden und ihrer Wirkungen bis in die Gegenwart.
Die geplante Neugestaltung soll 2027 beginnen, wenn die Fördermittelbindung der aktuellen Ausstellung abläuft. Bis dahin sind bereits kleinere Anpassungen in Aussicht, um die Sichtweise der versklavten Menschen und die Folgen der kolonialen Nostalgie besser zu reflektieren.
Postkoloniale Perspektiven
Ein weiterer wichtiger Aspekt der Auseinandersetzung mit der kolonialen Vergangenheit wird durch das „Netzwerk Flensburg Postkolonial“ initiiert, das regelmäßig Exkursionen in der Stadt organisiert. Diese Touren führen über historische Stätten und zielen darauf ab, die tief verwurzelten wirtschaftlichen Strukturen und Denkweisen, die aus der Kolonialzeit stammen, zu beleuchten. Der Dialog während dieser Veranstaltungen verdeutlicht, dass das Thema Kolonialismus nicht nur ein Relikt der Geschichte ist, sondern auch heute noch viele wirtschaftliche und soziale Fragestellungen aufwirft.
Ein Beispiel dafür ist der Rundgang am Hafen, bei dem einstige Kolonialwarenläden und andere Zeugnisse der imperialen Vergangenheit gezeigt werden. Dabei wird anschaulich erläutert, wie der imperialistische Lebensstil auch auf moderner Ebene Ungleichheit schafft, die sich zum Beispiel in der ungleichen Verteilung der Lasten des Klimawandels niederschlägt.
Im Jahr 2019 übergab das Netzwerk eine Petition an den Stadtpräsidenten, die darauf abzielt, die koloniale Geschichte Flensburgs in einem zeitgemäßen Licht zu betrachten. Erst Anfang dieses Jahres startete ein interfraktioneller Dialog zur kritischen Auseinandersetzung mit dem Kolonialismus, unter der Leitung des städtischen Kulturausschusses.
In der am Kulturausschuss geführten Diskussion wird betont, dass die Perspektiven der versklavten Menschen und ihrer Nachkommen mehr Beachtung finden müssen. Diese Anerkennung ist nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit, sondern auch ein wichtiger Schritt, um den kolonialen Einfluss auf die heutige Gesellschaft sichtbar zu machen. Vorschläge für konkrete Maßnahmen umfassen unter anderem eine Städtepartnerschaft mit Charlotte Amalie auf St. Thomas sowie die Einrichtung eines Erinnerungsortes in Flensburg, was als Möglichkeiten zur Ehrung der kolonialen Vergangenheit angesehen wird.
Im Verlauf dieser Initiativen ist das Ziel klar: Flensburg möchte eine Vorreiterrolle im Umgang mit seiner kolonialen Geschichte einnehmen und durch umfassende Bildung und Sensibilisierung zu einer besseren Zukunft beitragen. Details zu den Entwicklungen in Flensburg und den Umgang mit der Kolonialzeit finden sich in einem aktuellen Bericht auf flensburgjournal.de.
Text und Fotos: Jan Kirschner