In Deutschland zeigen verschiedene Initiativen, wie Barrieren zwischen Menschen mit und ohne Behinderungen abgebaut werden können. Ein eindrucksvolles Beispiel dafür ist der Aktionstag Schichtwechsel, der kürzlich stattfand. An diesem Tag tauschen Personen mit Behinderung, die in Werkstätten beschäftigt sind, ihre Plätze mit Mitarbeitenden aus dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Diese Begegnungen fördern das Verständnis auf beiden Seiten und eröffnen neue Sichtweisen.
Der Aktionstag fand am vorletzten Donnerstag statt, als Christine Schmidt von der Lebenshilfe Gießen und Janina Wiedenroth vom Kinopolis Gießen ihre Arbeitsplätze tauschten. Es begann früh um 7.45 Uhr, und die beiden Frauen fanden schnell zueinander. Schmidt, die in der Kantine der Reha Mitte arbeitet, konnte Wiedenroth ihre Tätigkeiten im Frühstücks- und Mittagessenbereich zeigen. Diese praktische Erfahrung stellte eine wertvolle Lerngelegenheit für beide dar.
Inklusion im Arbeitsalltag
Nach dem Vormittag in der Küche besuchten Wiedenroth und Schmidt am Nachmittag das Kino, wo Wiedenroth als Assistentin der Betriebsleitung tätig ist. Schmidt stellte fest, dass sie sich in diesem neuen Umfeld sehr wohlfühlte. Sie war besonders neugierig auf die verschiedenen Abläufe hinter den Kulissen eines Kinos. Diese Neugier wurde von Wiedenroth begeistert unterstützt. Sie zeigte Schmidt, wie Popcorn zubereitet wird, erklärte die Ticketkontrolle und gab ihr Einblicke in die Technik-Räume. Schmidt äußerte den Wunsch, dass der Umgang zwischen behinderten und nicht-behinderten Menschen lockerer und offener gestaltet werden sollte. „Ich möchte nicht mit Samthandschuhen angefasst werden“, sagte sie und betonte dabei, dass alle Menschen gleich behandelt werden sollten.
Dirk Oßwald, Vorstand der Lebenshilfe Gießen, unterstrich die Bedeutung solcher Austausch-Programme und hob hervor, dass es wichtig sei, die Perspektiven der jeweils anderen Seite zu verstehen. Die Herausforderung liegt oft nicht bei den Fähigkeiten der Menschen mit Behinderung, sondern in den Vorurteilen von Arbeitgebern. Laut Oßwald gelingt es aktuell nur etwa zwei Prozent der Werkstattbeschäftigten, in den allgemeinen Arbeitsmarkt integriert zu werden, was in Gießen zehn bis fünfzehn Personen pro Jahr entspricht.
Die Zusammenarbeit zwischen Werkstätten und der allgemeinen Arbeitswelt ist bereits gut verankert und wird durch Events wie den Schichtwechsel weiter gefördert. Aktuell gibt es in Gießen rund 70 ausgelagerte Arbeitsplätze, die speziell auf die Integration von Menschen mit Behinderungen abzielen. Schmidt selbst hat bereits Erfahrungen in einem solchen Arbeitsfeld im Gefahrenabwehrzentrum gesammelt, eine Stelle, die während des Schichtwechsels im letzten Jahr entstand, als Branddirektorin Martina Klee einen Platz mit einer Mitarbeiterin der Lebenshilfe tauschte.
Positive Erinnerungen und Ausblicke
Nach einem langen und erfüllten Tag drückte Schmidt ihre Dankbarkeit aus. Der Austausch mit Wiedenroth hinterließ bei beiden Beteiligten einen bleibenden Eindruck. Schmidt erinnerte sich gerne an die Zeit und den positiven Umgang, den sie miteinander pflegten. Auch Wiedenroth fand klare Worte für ihre Tauschpartnerin: „Christine Schmidt bleibt mir als toller Mensch in Erinnerung.“ Es ist das Ziel, solche positiven Erfahrungen zu fördern und langfristig die Integration von Menschen mit Behinderung in der Arbeitswelt weiter voranzutreiben.
Solche Aktionen spielen eine wichtige Rolle im Rahmen der sozialen Inklusion. Durch direkte Erfahrungen und persönliche Begegnungen kann ein besseres Verständnis und ein respektvoller Umgang zwischen allen Menschen angestrebt werden. Ähnlich wie im Jahr zuvor, waren die positiven Ergebnisse und Eindrücke des aktuellen Aktionstags Schichtwechsel ein Schritt in die richtige Richtung, um eine inklusivere Gesellschaft zu schaffen.
Weitere Informationen zu diesem bemerkenswerten Tag und den Erfahrungen der Beteiligten sind verfügbar unter www.giessener-allgemeine.de.