In Sachsen sehen sich die lokale Mostereien einer besorgniserregenden Lage gegenüber, nachdem Frostschäden in diesem Frühjahr die Fruchternte massiv beeinträchtigt haben. Diese Naturkatastrophe hat die Ernte beinahe radikal zerstört und sorgt für große Unsicherheit in der Branche. Andreas Mehlhorn, der Vorsitzende des Sächsischen Obstanbauverbands und Geschäftsführer der Mehlhorn Fruchtsaftmanufaktur, hebt die verheerenden Auswirkungen hervor: „Der Frost hat fast alles vernichtet – von Äpfeln bis zu Kirschen und Beeren ist kaum etwas übrig geblieben.“
Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass viele Obstsorten in der kommenden Saison erheblich teurer werden. „Die Mostereien werden nur verarbeiten können, was nicht während der Blütezeit gefroren ist“, so Mehlhorn. Sächsische Mostereien verzeichneten in der Vergangenheit eine Erntemenge von rund 6.000 Tonnen Obst pro Saison, ein Wert, der 2022 auf 4.500 Tonnen gefallen ist. Durch die Frostverluste wird für das laufende Jahr ein bisher nie dagewesener Rückgang von 90 bis 100 Prozent prognostiziert.
Vorhersehbare Preiserhöhungen
Die Situation könnte schnell zu Preisanstiegen auf dem Markt führen. Besonders auffällig ist der Anstieg bei Sauerkirschen, deren Preise sich nach der Ernte um 80 bis 100 Prozent erhöht haben. „Selbst importierte Früchte sind betroffen“, betont Mehlhorn. Der Klimawandel zieht weite Auswirkungen nach sich, und das schlechte Erntejahr für Zitrusfrüchte in Brasilien hat den Preis für Orangensaft in den letzten 1,5 Jahren um 150 Prozent erhöht. „Diese Trends haben bereits begonnen, den Fruchtsaftmarkt und die Endverbraucher zu belasten“, erklärt Mehlhorn weiter.
Jens Guhr, Betreiber der Schönen Kelterei in Dresden, äußert ähnliche Befürchtungen. „In der Vergangenheit hatten wir schon mit Ernteausfällen zu kämpfen, aber ein Spätfrost, der alles ruiniert, ist etwas völlig Neues.“ Dies betrifft vor allem die traditionelle Verarbeitung von Äpfeln und weiteren Früchten. Der Verlust ist besonders spürbar, da die Verarbeitung von Beerenfrüchten in diesem Jahr bereits abgeschlossen ist und weitere Bestellungen für Obst aus anderen Regionen notwendig waren, was zusätzliche finanzielle Belastungen mit sich bringt.
Die Lage bleibt angespannt, vor allem für Betriebe wie die Hellerauer Fruchtsäfte und die Mylau Presserei in Reichenbach, wo ebenfalls mit Rückgängen von bis zu 90 Prozent in der Apfelernte gerechnet wird. „Wir müssen Wege finden, um mit dieser Situation umzugehen“, sagt Bernd Beer, Leiter der Mylau Presserei. Das Unternehmen ist stark auf eine gute Äpfelernte angewiesen, welche in diesem Jahr kaum realisierbar sein dürfte. Auch die allgemeine Belastung durch steigende Betriebskosten stellt eine zusätzliche Herausforderung dar. „Die Energiepreise haben sich in den letzten drei Jahren stark erhöht und drücken auf die Margen“, stellt Mehlhorn fest.
Finanzielle Bedrohung für die Betriebe
In dieser angespannten Situation könnte die Frostkatastrophe für viele Mostereien existenzbedrohende Ausmaße annehmen. „Das könnte ein existenzielles Jahr für viele Betriebe werden“, erzählt Guhr. Notwendige Investitionen in die Infrastruktur könnten gestrichen werden müssen, was langfristige Folgen hat. Normalerweise beliefert die Schöne Kelterei unter anderem auch die Gastronomie mit ihren regionalen Produkten, doch die anhaltende Ruhe an der Kundenfront ist nicht zu übersehen.
Deshalb sind die Mostereien gezwungen, Alternativen zu finden, um den Mangel an einheimischen Früchten zu kompensieren. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Lage entwickeln wird und ob die Verbraucher bereit sind, die steigenden Kosten für Fruchtsäfte und andere Obstprodukte zu akzeptieren. Die Sorgen um eine mögliche Lebensmittelknappheit verstärken sich, während sich die Branche bemüht, diese schwierigen Herausforderungen zu meistern.
Ein Blick in die Zukunft
Die derzeitige Krisensituation zeigt deutlich, wie verwundbar die Landwirtschaft in Bezug auf Wetterereignisse ist. Solidarität und Unterstützung innerhalb der Branche könnten entscheidend sein, um diese herausfordernde Zeit zu überstehen und langfristigen Schaden zu vermeiden. Die Notwendigkeit, nachhaltigere Anbautechniken und widerstandsfähigere Obstarten zu entwickeln, wird zunehmend wichtig, da der Klimawandel mehr und mehr Einfluss auf die traditionellen Anbaumethoden hat.
Einfluss des Klimawandels auf die Obsternte
Der Klimawandel spielt eine zentrale Rolle in der Diskussion um Ernteausfälle. Die extreme Witterung, die in den letzten Jahren vermehrt aufgetreten ist, führt nicht nur zu unerwarteten Frostperioden, sondern auch zu längeren Dürrephasen und unregelmäßigen Niederschlägen. Laut dem Bericht des Weltklimarats (IPCC) wird die Häufigkeit und Intensität solcher Wetterereignisse in Zukunft weiter zunehmen, was die bäuerliche Landwirtschaft, insbesondere den Obstbau, stark unter Druck setzt. Für sächsische Mostereien könnte die zunehmende Unsicherheit hinsichtlich der Ernteerträge ein langfristiges Problem darstellen.
Ein Beispiel ist die Ernte 2021, bei der in vielen Teilen Deutschlands späte Fröste einen erheblichen Teil der Obstkulturen zerstört haben. Ähnlich wie in diesem Jahr sind die Produzenten gezwungen, ihre Betriebe immer wieder an die neuen klimatischen Anforderungen anzupassen. Das führt zu höheren Kosten und unsicheren Erträgen.
Notwendigkeit nachhaltiger Praktiken
Um den Herausforderungen des Klimawandels zu begegnen, setzen viele Betriebe zunehmend auf nachhaltige landwirtschaftliche Praktiken. Dazu gehören Fruchtwechsel, der Anbau resistenter Sorten und modernste Bewässerungstechniken. Diese Methoden zielen darauf ab, die Resilienz von Obstplantagen zu erhöhen und die Abhängigkeit von Witterungsbedingungen zu verringern. Experten betonen, dass solche Praktiken nicht nur die Erträge stabilisieren können, sondern auch zur Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit beitragen.
Aktuelle Wirtschaftliche Entwicklungen
Angesichts der Situation im Obstbau sind viele Betriebe besorgt über die wirtschaftlichen Auswirkungen. Die gestiegenen Energiepreise, die in den letzten Jahren eine signifikante Herausforderung dargestellt haben, verstärken die finanzielle Belastung der Mostereien. Diese höhere Kostenbasis zwingt die Betriebe dazu, ihre Preispolitik zu überdenken. Ein Anstieg der Produktionskosten wird sich zwangsläufig auf die Preise für Endverbraucher auswirken, was die Nachfrage weiter drücken könnte.
Zusätzlich hat die Inflation in Europa und die sinkende Kaufkraft der Verbraucher weiteren Druck auf die Unternehmen ausgeübt. Marktanalysen zeigen, dass viele Länder, inklusive Deutschland, Schwierigkeiten haben, das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage aufrechtzuerhalten. Dies könnte in der Fruchtsaftbranche zu weiteren Marktverwerfungen führen, die auch langjährige Traditionen und Geschäftsmodelle gefährden könnten.
Die Rolle der Verbraucher
Verbraucheranpassungen sind ebenfalls ein zentrales Thema. Obwohl die Preise für Fruchtsäfte voraussichtlich steigen werden, ist es unklar, inwieweit die Kunden bereit sind, diese Erhöhungen in Kauf zu nehmen. Eine Umfrage des Marktforschungsunternehmens GfK zeigt, dass Verbraucher zunehmend auf die Qualität und Herkunft von Lebensmitteln achten. Dies könnte jedoch im Widerspruch zu Preissteigerungen stehen, da Verbraucher beim Kauf vermehrt auf Preis-Leistungs-Verhältnisse achten.
– NAG