Bei den jüngsten Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen hat die AfD, also die Alternative für Deutschland, vor allem Unterstützung von jungen Männern erhalten. Diese Wahltrends sind für Experten nicht überraschend, da die AfD gezielt mit dem Versprechen einer „männlichen Resouveränisierung“ agiert. In den letzten Jahren wurde ein signifikanter Rückgang der Unterstützung für Gleichstellungsinitiativen festgestellt. Viele junge Männer fühlen sich von der Emanzipation der Frauen unter Druck gesetzt und empfinden die Gleichstellungspolitik als Benachteiligung. Infolgedessen ist dieses Segment für rechte Strategen besonders attraktiv.
Das Phänomen der Männlichkeitsideologie zeigt sich in verschiedenen Strömungen, die Geschlecht als eine allgemeingültige und unveränderliche Tatsache darstellen. Jegliche kritische Hinterfragung wird als anormal angesehen. Gleichzeitig wird das Bild von Frauen oft in ein negatives oder idealisiertes Licht gerückt. Diese Ansichten führen dazu, dass Männer in einem ständigen Wettbewerb stehen, um sich als „echte Männer“ zu beweisen, wobei Gewalt und Risikobereitschaft als Merkmale einer starken Männlichkeit propagiert werden.
Männlichkeitsideologien sind nicht für alle Männer gleichermaßen verlockend. Je besser gebildet und je mehr Ressourcen junge Männer haben, desto resistenter sind sie gegen diese ideologischen Verführungen. Es wird jedoch oft unfairerweise die Schuld für die Abkehr von Gleichstellungsinitiativen allein auf weniger gebildete oder wirtschaftlich benachteiligte Männer geschoben. Diese Annahme ist ein Trugschluss, denn auch gut situierte Männer können sich gegen die Erkenntnis sträuben, dass Männlichkeit formbar ist. Solange sie sich nicht darüber im Klaren sind, dass Männer in unserer patriarchal geprägten Gesellschaft strukturell bevorzugt werden, könnten sie sich selbst als benachteiligt empfinden.
In der aktuellen gesellschaftlichen Debatte zeigen die Daten, dass etwa ein Drittel der Männer geschlechterpolitisch progressiv ist und nach Wegen sucht, um Männer in einer fairen Weise zu sein, wohingegen ein weiteres Drittel rückwärtsgewandt ist und die Errungenschaften der Frauenbewegung aufheben möchte. Die entscheidende Gruppe ist das mittlere Drittel, das zwar theoretisch für Gleichstellung ist, aber in der Praxis jede Diskussion über Männlichkeit und Privilegien vermeidet. Dieses Festhalten an alten Privilegien wird häufig als persönliche Kränkung empfunden und öffnet den Raum für antifeministische Ressentiments.
Markus Theunert, ein Psychologe und Soziologe, der sich intensiv mit Männer- und Geschlechterfragen beschäftigt, betont die Bedeutung einer differenzierten Betrachtung. Als Experte und ehemaliger Männerbeauftragter sieht er die Notwendigkeit, patriarchale Strukturen zu hinterfragen, um das Bewusstsein für Gleichstellung zu fördern. Laut Theunert ist Bildung ein wichtiges Instrument gegen männlichkeitsideologische Radikalisierung. Die Frage bleibt, inwieweit Bildungspolitik und -entscheidungen von dichten Männern genutzt werden, um diese Themen aufzugreifen.
In diesem Zusammenhang wird der gesellschaftliche Diskurs über Geschlechterfragen zunehmend polarisiert. Die AfD ergreift Gelegenheiten, um Männer abseits der Gleichstellungspolitik zu mobilisieren, während Experten wie Theunert darum bitten, die zugrunde liegenden Sorgen und Unsicherheiten wahrzunehmen. Der Schlüssel zur Bekämpfung des Aufkommens rechtsextremer Narrativen liegt in der Schaffung eines respektvollen Raums für Diskussionen über Männlichkeit und Geschlechterrollen.
Diese Diskussion über Männlichkeit und Gleichstellungspolitik ist nicht nur entscheidend für die politische Landschaft in Deutschland, sondern auch für das allgemeine gesellschaftliche Klima und zukünftige Entwicklungen. Die aktuellen Wahlen sind daher mehr als nur Abstimmungen; sie sind Indikatoren dafür, wie stark das Thema der Geschlechterverhältnisse bereits in das politische Bewusstsein eingedrungen ist, und wie sehr Männlichkeitsbilder unsere Gesellschaft beeinflussen.
Ganz klar ist, dass der Weg zur Gleichstellung nicht nur durch gesetzliche Regelungen, sondern auch durch einen Paradigmenwechsel in der gesellschaftlichen Wahrnehmung von Geschlecht und Geschlechterrollen geebnet werden muss. Es gibt noch viel zu tun, um sicherzustellen, dass alle Männer die Chance bekommen, sich in einer Welt der Gleichheit wohlzufühlen und ihre Rolle in dieser zunehmend komplexen Gesellschaft zu finden.