In Stendal hat die Geschichte jetzt einen digitalen Auftritt: Ein Kaufhaus aus dem frühen 12. Jahrhundert kann dank innovativer Augmented-Reality-Technologie erlebbar gemacht werden. Besucher haben die Möglichkeit, durch das Scannen eines QR-Codes auf ihrem Smartphone in die Vergangenheit einzutauchen und das Kaufhaus an seinem ursprünglichen Standort virtuell zu erkunden. Diese spannende Verbindung von Geschichte und Technologie bietet eine völlig neue Perspektive auf das mittelalterliche Leben in der Stadt.
Das sogenannte domus mercatorum gilt als das älteste Kaufhaus nördlich der Alpen, wie das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt in Halle berichtet. Die archäologischen Reste des Gebäudes wurden während der Sanierung des Stendaler Marktplatzes in den Jahren 2015 und 2016 freigelegt, was den Grundstein für das digitale Erlebnis legte.
Das Kaufhaus und seine Dimensionen
Historischen Fachleuten zufolge wurde das Bauwerk im Jahr 1178 errichtet und war beeindruckende 60 Meter lang sowie 9,20 Meter breit. Es bestand aus zwei Reihen, in denen jeweils 15 Läden untergebracht waren, die durch eine durchgehende Mittelwand voneinander getrennt waren. Jeder dieser Läden hatte eine Grundfläche von etwa 3,4 Metern und war über eine schmale Tür zugänglich, die nur 0,51 Meter breit war.
Die fensterlosen Läden im Erdgeschoss dienten als Lager und Kontor, in denen die Händler ihre Waren auf Tischen vor dem Gebäude ausstellten. Interessanterweise hatte jeder Laden auch eine eigene Herdstelle, die für das Zubereiten von Speisen genutzt wurde.
Archäologen haben herausgefunden, dass das Kaufhaus über ein massives Obergeschoss aus Ziegelsteinen verfügte, welches als saalartiger Raum gestaltet war. Hier wurden wertvolle Güter wie Stoffe und Pelze gehandelt. Eine Treppe führte zu diesem Geschoss, das unter einem Ziegeldach lag. Diese Bauweise spiegelt den hohen Handelswert der Waren und die wirtschaftliche Bedeutung des Kaufhauses im mittelalterlichen Stendal wider.
Doch die Blütezeit des Kaufhauses währte nicht ewig. Mit dem Beginn des 16. Jahrhunderts wurden die noch erhaltenen Teile abgerissen. Der darauf folgende Neubau übernahm keine Bauteile des ursprünglichen Bauwerks, was dazu führte, dass das historische Erbe in Vergessenheit geriet.
Bürgermeister Bastian Sieler sprach über die Bedeutung dieser digitalen Erfahrung für die Besucher: „Die Besucher können sich jetzt in die Zeit des Kaufhauses zurückversetzen. Wenn wir von Geschichte reden, ist es wichtig zu zeigen, wie es hier in der Vergangenheit aussah. Jeder kennt den Marktplatz, aber keiner kennt die Kaufhalle.“
Technologie trifft Geschichte
Die Entwicklung der Augmented-Reality-Anwendung wurde von der Firma GEO-METRIK Ingenieurgesellschaft mbH in Stendal in enger Zusammenarbeit mit der Stadt Stendal und dem Landesamt für Archäologie realisiert. Durch diese Partnerschaft wird nicht nur das historische Wissen weitergegeben, sondern auch eine Technologie genutzt, die es ermöglicht, in eine längst vergangene Zeit einzutauchen.
Besucher können mit ihrem Smartphone mehr über die mittelalterliche Stendal erfahren. Die Nutzung von Augmented Reality, einem Begriff, der die Erweiterung der realen Welt um digitale Inhalte beschreibt, bietet eine spannende Möglichkeit, Geschichte lebendig zu machen. Das Kaufhaus wird nicht nur durch Texte, sondern auch durch visuelle Darstellungen erfahrbar, die dem Nutzer das Gefühl geben, Teil der historischen Szenerie zu sein.
Einblick in die Vergangenheit
Dank dieser digitalen Erneuerung wird das mittelalterliche Stendal für alle, die die App nutzen, greifbarer. So können Nicht-Experten einen Eindruck von der Gotik und Mittelalterlichkeit der Stadt erhalten, während sie ihre Smartphone-Kameras auf die entsprechenden QR-Codes richten. Diese Art der Wissensvermittlung könnte möglicherweise auch einen Trend im Tourismussektor einläuten, der die Verbindung von Geschichtswissen und moderne Technologien immer stärker verknüpft. In einer Zeit, in der viele nach Erlebnissen suchen, die über das Gewöhnliche hinausgehen, stellt die Augmented Reality einen faszinierenden Weg dar, die Geschichte auf interaktive Weise zu entdecken.
Die digitale Rekonstruktion des Kaufhauses in Stendal stellt nicht nur einen technologischen Fortschritt dar, sondern zeigt auch, wie moderne Technologien dazu eingesetzt werden können, um das historische Erbe lebendig zu halten. Augmented Reality (AR) ermöglicht es den Nutzern, direkt vor Ort in die Vergangenheit einzutauchen und ein besseres Verständnis für die geschichtlichen Zusammenhänge zu entwickeln.
Diese Art der Darstellung ist besonders wertvoll für Bildungseinrichtungen und Geschichtsinteressierte, da sie die Geschichte nicht nur erzählt, sondern sie auch visuell erlebbar macht. Besucher, die mit der AR-Technologie interagieren, können Details entdecken, die in herkömmlichen Museen oder Lehrbüchern möglicherweise nicht ausreichend vermittelt werden.
Technologie und ihre Anwendung im Denkmalschutz
Die Anwendung von Augmented Reality wird zunehmend als wichtiges Werkzeug im Denkmalschutz angesehen. Neben Stendal gibt es weltweit zahlreiche Projekte, die historische Stätten digital rekonstruieren und so die Zugänglichkeit erhöhen. Diese Technologien ermöglichen es Forschern, Architekten und der breiten Öffentlichkeit, sich ein umfassenderes Bild von der ursprünglichen Architektur und Nutzung von historischen Gebäuden zu machen.
Das Stendaler Kaufhaus ist nicht der einzige Fall, in dem AR-Technologie eingesetzt wird. In Städten wie Rom oder Pompeji können Besucher beispielsweise mit ihren Smartphones historische Stätten im Kontext der antiken Stadtansicht betrachten. Diese Projekte tragen dazu bei, das Bewusstsein für den kulturellen und historischen Wert solcher Stätten zu schärfen.
Statistiken zur Nutzung von Augmented Reality in der Kulturvermittlung
Eine Studie von Statista zeigt, dass die Nutzung von Augmented Reality und Virtual Reality in der Kultur- und Geschichtsvermittlung stetig zunimmt. Laut einer Umfrage aus dem Jahr 2022 gaben 55 % der Befragten an, dass sie bereits einmal AR-Technologien in Museen oder bei historischen Stätten verwendet haben. Dies verdeutlicht den wachsenden Trend, digitale Technologien zur Unterstützung der Bildung und der kulturellen Aneignung zu nutzen.
Jahr | Prozentsatz der Nutzer von AR-Technologie |
---|---|
2020 | 42% |
2021 | 50% |
2022 | 55% |
Diese Zahlen belegen, dass das Interesse an innovativen digitalen Ansätzen in der Kulturvermittlung steigt und legen nahe, dass solche Technologien künftig eine noch größere Rolle bei der Erhaltung und Präsentation des kulturellen Erbes spielen werden.
– NAG