Halle (Saale)

Bundesverfassungsgericht: AfD-Klagen zu Ausschussvorsitzen gescheitert!

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Jenseits der spezifischen Statusrechte der Abgeordneten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG und daraus abgeleitet der Fraktionen gilt der Grundsatz der formalen Gleichheit. Daraus leitet sich ein Recht auf Gleichbehandlung ab. Dieser verfassungsrechtliche Gleichbehandlungsanspruch findet seinen Ausdruck im Recht der Abgeordneten und der Fraktionen auf eine faire und loyale Auslegung und Anwendung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages. Der Gleichbehandlungsanspruch erstreckt sich daher – als Teilhabeanspruch – auch auf Beteiligungsrechte, die in der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages eingeräumt werden und über die unmittelbar in Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG wurzelnden spezifischen Statusrechte hinausgehen.

Einschränkungen der spezifischen Statusrechte der Abgeordneten und der Fraktionen durch die Geschäftsordnung unterliegen besonderen verfassungsrechtlichen Rechtfertigungsanforderungen. Sie müssen dem Schutz anderer Rechtsgüter von Verfassungsrang dienen und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren. Geht es demgegenüber allein um den formalen Status der Gleichheit der Abgeordneten in Form der Teilhabe an Rechtspositionen, die erst die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages einräumt, findet eine verfassungsgerichtliche Überprüfung lediglich dahingehend statt, ob die einschlägigen Bestimmungen der Geschäftsordnung oder ihre Auslegung und Anwendung jedenfalls nicht evident sachwidrig und damit willkürlich sind.

Mit dieser Begründung hat jetzt das Bundesverfassungsgericht zwei Organklagen der AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag teilweise als unbegründet zurückgewiesen und im Übrigen als unzulässig verworfen. Die Entscheidung ist einstimmig ergangen.

  • Im ersten Verfahren wendet sich die AfD-Bundestagsfraktion gegen die Abwahl des ihrer Fraktion angehörenden Vorsitzenden des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages in der 19. Wahlperiode.
  • Im zweiten Verfahren rügt sie die Durchführung von Wahlen zur Bestimmung der Vorsitzenden des Innenausschusses, des Gesundheitsausschusses und des Entwicklungsausschusses in der 20. Wahlperiode, bei denen die von ihr vorgeschlagenen Kandidaten jeweils keine Mehrheit erreichten. Die AfD-Bundestagsfraktion sieht sich dadurch in beiden Fällen in ihren Rechten auf Gleichbehandlung als Fraktion verletzt.

Eine Verletzung des Rechts der AfD-Bundestagsfraktion auf Gleichbehandlung als Fraktion aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG in Verbindung mit dem Grundsatz der fairen und loyalen Auslegung und Anwendung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (GO-BT) liegt hierdurch nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht vor. Die AfD-Bundestagsfraktion kann sich zwar auf das Recht auf Gleichbehandlung bei der Besetzung der Ausschussvorsitze stützen. Die Durchführung von Wahlen zur Bestimmung der Ausschussvorsitze und die Abwahl vom Vorsitz des Rechtsausschusses bewegen sich jedoch im Rahmen der dem Bundestag zustehenden Geschäftsordnungsautonomie (Art. 40 Abs. 1 Satz 2 GG). Weil es hier nicht um spezifische Statusrechte der Abgeordneten und Fraktionen, sondern allein um die Teilhabe an erst durch die Geschäftsordnung eingeräumten Rechtspositionen geht, ist der alleinige verfassungsrechtliche Prüfungsmaßstab das Willkürverbot.

Der Bundestag und die Vorsitzenden seiner Ausschüsse

Die zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbundenen Organstreitverfahren betreffen die Besetzung von Ausschussvorsitzen im Deutschen Bundestag. Die AfD-Bundestagsfraktion wendet sich zum einen gegen die Abwahl des ihrer Fraktion angehörenden Vorsitzenden des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (im Folgenden: Rechtsausschuss) in der 19. Wahlperiode. Zum anderen rügt sie die Durchführung von Wahlen unter den Ausschussmitgliedern zur Bestimmung der Vorsitzenden der Ausschüsse für Inneres und Heimat (im Folgenden: Innenausschuss), Gesundheit (im Folgenden: Gesundheitsausschuss) und für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (im Folgenden: Entwicklungsausschuss) des Deutschen Bundestages zu Beginn der 20. Wahlperiode, bei denen die von ihr vorgeschlagenen Kandidaten jeweils keine Mehrheit erreichten.

Der Deutsche Bundestag bildet eine wechselnde Zahl ständiger Fachausschüsse. Diese nehmen in großem Umfang Aufgaben des Plenums zu dessen Entlastung wahr. Weite Teile der fachlichen Beratungen und der Vorbereitung der Entscheidungen des Deutschen Bundestages, die abschließend dem Plenum in seiner Gesamtheit obliegen, sowie der Informations, Kontroll- und Untersuchungsaufgaben des Parlaments finden in den Ausschüssen statt. Die Zusammensetzung der Ausschüsse wird im Verhältnis der Stärke der einzelnen Fraktionen vorgenommen (§ 12 Satz 1 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages ), wobei die Fraktionen die Ausschussmitglieder benennen (§ 57 Abs. 2 Satz 1 GO-BT). Die Regelung des Vorsitzes in den Ausschüssen folgt ebenfalls der Stärke der Fraktionen (§ 12 Satz 1 GO-BT); in den Ausschüssen bestimmen diese ihre Leitung (§ 58 GO-BT).

Die Ausschussvorsitzenden erfüllen nach der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages eine sowohl geschäftsleitende als auch repräsentative Funktion.

Ihnen obliegt die Vorbereitung, Einberufung und Leitung der Ausschusssitzungen sowie die Durchführung der Ausschussbeschlüsse (§ 59 Abs. 1 GO-BT); sie erfüllen damit organisatorische Aufgaben zur sachgerechten Erledigung der dem Ausschuss vom Plenum übertragenen Angelegenheiten.

Die Vorsitzenden berufen im Rahmen des vom Ältestenrat festgelegten Zeitplans die Ausschusssitzungen ein (§ 60 Abs. 1 GO-BT) und bereiten diese vor. Sie benennen vorbehaltlich der Entscheidung des Ausschusses für jeden Verhandlungsgegenstand einen oder mehrere Berichterstatter (§ 65 GO-BT), denen sie das zur entsprechenden Vorlage eingehende Material (z.B. Stellungnahmen von Verbänden, Äußerungen der Bundesregierung oder des Bundesrates, Bürgerpost) zukommen lassen.

Die Vorsitzenden eröffnen die Ausschussberatungen und wirken auf ihren förderlichen Verlauf hin. Während der Ausschusssitzungen erteilen die Ausschussvorsitzenden den Anwesenden das Wort (§ 59 Abs. 2 GO-BT) und moderieren die Beratungen. Sie üben die Ordnungsgewalt über Anwesende aus, bei denen es sich nicht um Parlamentarier handelt (§ 59 Abs. 3 GO-BT). Bei Störungen können sie die Sitzung unterbrechen oder – im Einvernehmen mit den Fraktionen im Ausschuss – beenden (§ 59 Abs. 4 GO-BT). Die Vorsitzenden lassen über Anträge abstimmen, stellen die gefassten Beschlüsse des Ausschusses zusammen und lassen diese protokollieren.

Nach der Ausschusssitzung sind die Vorsitzenden zur Umsetzung der Beratungsergebnisse verpflichtet (vgl. § 59 Abs. 1 GO-BT). Sie haben kein Recht, die Durchführung von Ausschussbeschlüssen zu verweigern, selbst wenn sie diese für rechtlich oder politisch unvertretbar halten. Wurde eine Beratung zu einer Vorlage abgeschlossen, unterschreiben die Vorsitzenden die Beschlussempfehlung des Ausschusses zusammen mit den Berichterstattern.

Zur Erfüllung ihrer Aufgaben können die Ausschussvorsitzenden auf das ihnen weisungsgebundene Ausschusssekretariat zurückgreifen. Die Mittel der Ausschusssekretariate stehen nicht für die Mandatsarbeit der Ausschussvorsitzenden zur Verfügung, sondern dienen allein dem Zweck, die Erledigung ihrer Leitungs- und Repräsentationsaufgaben zu fördern. Um den Konsens der Fraktionen im Ausschuss bei Verfahrensfragen zu fördern, die Erledigung der Ausschussgeschäfte vorzubereiten, bei einzelnen Konfliktfällen eine Verständigung unter den Ausschussmitgliedern herbeizuführen und um die Ausschussvorsitzenden zu beraten, finden unter Leitung der Ausschussvorsitzenden die sogenannten Obleutegespräche statt. In diesen kommen jene Abgeordneten zusammen, die in den Ausschüssen die Hauptansprechpartner ihrer Fraktionen sind; sie bestimmen den Kurs der Fraktionen in den Ausschüssen maßgeblich mit. In der Praxis wird im Obleutegespräch auch die vom Ausschusssekretariat vorgeschlagene Tagesordnung festgelegt, wobei das Votum der Obleute entscheidend ist.

Die Vorsitzenden eines Ausschusses sind jeweils Primus inter Pares unter den Mitgliedern der Ausschüsse; sie genießen keine Vorrangstellung vor den Ausschussmitgliedern. Soweit die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages den Vorsitzenden keine eigenständigen Rechte zuweist, sind sie bei der Leitung der Ausschussgeschäfte vom Willen der Ausschussmehrheit abhängig und haben zudem die Vereinbarungen mit den Obleuten der Fraktionen im Ausschuss zu beachten. Die Vorsitzenden können ihr Amt nicht gegen die Mehrheit oder gegen die Obleute der Fraktionen im Ausschuss führen.

Die Vorsitzenden sind bei der Wahrnehmung ihrer amtlichen Aufgaben gehalten, parteipolitische Neutralität zu wahren. Dies wurde in der mündlichen Verhandlung vom 20.03.2024 von allen hierzu gehörten sachkundigen Dritten festgehalten. Den Ausschussvorsitzenden kommt eine zentrale Koordinations, Ausgleichs- und Integrationsfunktion zu. Ihr persönlicher Stil kann das Diskussions- und Arbeitsklima im Ausschuss nicht unerheblich beeinflussen. Bei einem Wortbeitrag in der Sachdiskussion des Ausschusses entspricht es der parlamentarischen Übung, dass Vorsitzende sich im politischen Stil zurückhalten. Auch ist es nicht unüblich, dass sie für die Dauer ihrer Wortmeldung die Sitzungsleitung an ihre Stellvertretung abgeben und den Platz des Vorsitzes verlassen. Dies gilt auch, wenn die oder der Vorsitzende Berichterstatterin oder Berichterstatter zu einem Vorgang ist. Die Hauptfunktionen des Amtes der Ausschussvorsitzenden zu stabilisieren und zu integrieren bedingen ihre Verpflichtung zur parteipolitisch neutralen Amtswahrnehmung, zur Gesamtrepräsentation des Ausschusses und zur Einbindung aller im Ausschuss vertretenen Abgeordneten und Fraktionen. Die Möglichkeiten für Ausschussvorsitzende, kraft ihrer Amtsbefugnisse auf den Inhalt der Beschlüsse des Ausschusses einzuwirken, sind hingegen begrenzt.

Neben diesen organisatorisch-funktionalen Aufgaben obliegt den Ausschussvorsitzenden die Repräsentation des Ausschusses und die Darstellung seiner Arbeit gegenüber der Fachöffentlichkeit. Die Vorsitzenden erläutern gegenüber anderen Institutionen und in der Öffentlichkeit die Ausschussarbeit und repräsentieren damit die Funktion des Parlaments als Ort der öffentlichen Debatte. Sie halten den Kontakt zu den von der Ausschussarbeit betroffenen Fachverbänden und zur Fachöffentlichkeit. Dadurch wird sichergestellt, dass diese über die Arbeit der Ausschüsse informiert sind und sich an ihr beteiligen können. Die Vorsitzenden repräsentieren dabei den gesamten Ausschuss. Sie haben auf eine ausgewogene Darstellung der Tätigkeit des Gremiums und aller in ihm vertretenen politischen Strömungen und Positionen zu achten. Die Öffentlichkeitsarbeit stellt eine wichtige Aufgabe der Ausschussvorsitzenden dar. Es entspricht der parlamentarischen Übung, hierbei von parteipolitischen Positionierungen abzusehen. Auch jenseits der Ausschussarbeit und ihrer Repräsentationsaufgabe wird von den Ausschussvorsitzenden ein gewisses Maß an politischer Zurückhaltung erwartet und auch praktiziert, um negative Rückwirkungen auf die Ausschussarbeit zu vermeiden.

Das Verfahren zur Besetzung der Ausschussvorsitze folgt seit dem Zusammentreten des 1. Deutschen Bundestages im Jahr 1949 einer Tradition, die an eine bis in die vorkonstitutionelle Zeit zurückreichende Übung anknüpft.

Nach § 12 Satz 1 GO-BT ist die Regelung des Vorsitzes in den Ausschüssen im Verhältnis der Stärke der einzelnen Fraktionen vorzunehmen. § 58 GO-BT statuiert, dass die Ausschüsse ihre Vorsitzenden und deren Stellvertreterinnen und Stellvertreter nach den Vereinbarungen im Ältestenrat (§ 6 Abs. 2 Sätze 2 und 3 GO-BT) „bestimmen“.

Seit der ersten Wahlperiode ist es dabei üblich, dass sich die Fraktionen im Ältestenrat um eine Einigung bemühen, welche Fraktion welchen Ausschussvorsitz erhalten soll. Gelingt eine interfraktionelle Einigung nicht, werden die Ausschussvorsitze im sogenannten Zugriffsverfahren (auch als „Zugreifverfahren“ oder „Optionsfolge“ bezeichnet) verteilt. Anhand eines mathematischen Berechnungsverfahrens, das sich an den Stärkeverhältnissen der Fraktionen im Parlament orientiert, wird dabei eine Zugriffsreihenfolge der Fraktionen für die Ausschussvorsitze bestimmt. Die Fraktionen wählen in der festgesetzten Reihenfolge je einen noch freien Ausschussvorsitz, sodass nach und nach alle Ausschussvorsitze vergeben werden. Das Zugriffsverfahren kam in der vierten (1961-1965) und 13. (1994-1998), der 14. (1998-2002), der 15. (2002-2005), der 19. (2017-2021) und der aktuellen, seit dem Jahr 2021 laufenden 20. Wahlperiode zur Anwendung.

Die Ausschüsse bestimmen in ihren konstituierenden Sitzungen, die jeweils von einem Mitglied des Präsidiums des Deutschen Bundestages geleitet werden, ihre Vorsitzenden. Dabei erklärt die vorschlagsberechtigte Fraktion, wen sie für das Amt des Ausschussvorsitzes vorsieht. Bis einschließlich zur 18. Wahlperiode (2013-2017) wurde dann wie folgt vorgegangen: Erhob sich gegen den Vorschlag kein Widerspruch oder ließ das Verhalten der Ausschussmitglieder auf allgemeine Zustimmung schließen, war der Vorschlag durch Akklamation bestätigt. Nur wenn Widerspruch geäußert wurde, wurde gegebenenfalls eine Wahl durchgeführt. Beides war bis dahin allerdings nur vereinzelt der Fall. So wurde 1956/1957 der Vorsitzende des Atomausschusses des Deutschen Bundestages gewählt. Ebenfalls im Jahr 1957 wurde der von der SPD-Fraktion für den Vorsitz des Ausschusses für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen vorgeschlagene Kandidat erst im zweiten Wahlgang gewählt. Zu Beginn der 18. Wahlperiode wurde der Vorsitz des Haushaltsausschusses nach Widerspruch gegen die von der Fraktion DIE LINKE vorgeschlagene Kandidatin durch Wahl bestimmt.

Die Ausgangssachverhalte

Nachdem zu Beginn der 19. Wahlperiode eine Einigung über die Verteilung der Ausschussvorsitze im Ältestenrat nicht zustande gekommen war, erhielt die AfD-Bundestagsfraktion im Rahmen des Zugriffsverfahrens Vorschlagsrechte für den Haushaltsausschuss, den Rechtsausschuss und den Tourismusausschuss.

In diesen Ausschüssen kam es nach Widersprüchen durch Ausschussmitglieder anderer Fraktionen zu Wahlen zum Ausschussvorsitz. Im Haushalts- und im Tourismusausschuss erreichten die von der AfD-Bundestagsfraktion benannten Kandidaten die erforderlichen Mehrheiten. Auch der Rechtsausschuss wählte am 31.01.2018 den von der AfD-Bundestagsfraktion vorgeschlagenen Kandidaten, den Abgeordneten Brandner, mit 19 Ja-Stimmen bei 12 Nein-Stimmen und 12 Enthaltungen zu seinem Vorsitzenden. Die Positionen der stellvertretenden Vorsitzenden des Innenausschusses, des Finanzausschusses sowie des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe wurden – nach Widerspruch durch einzelne Ausschussmitglieder und der Durchführung von Wahlen – mit Kandidaten der AfD-Bundestagsfraktion besetzt.

In den Jahren 2018 und 2019 beanstandeten Mitglieder des Rechtsausschusses das Auftreten des Vorsitzenden bei Veranstaltungen des Deutschen Anwaltvereins am 28.02.2018 und 15.01.2019. Sie beklagten, der Vorsitzende habe nicht das erforderliche Maß an parteipolitischer Zurückhaltung walten lassen und dadurch seine Aufgabe, den Ausschuss als Ganzen zu repräsentieren, verfehlt. Der Vorsitzende hielt dem entgegen, dass er sich am 28.02.2018 lediglich gegen Vorhaltungen des Vorsitzenden des Deutschen Anwaltvereins verteidigt habe, was man ihm nicht verwehren könne. Über den zweiten Teil seiner Rede, in dem er sich parteipolitisch positioniert habe, könne man diskutieren. Am 15.01.2019 habe er keine Gelegenheit erhalten, sich gegen neuerliche Vorwürfe des Vorsitzenden des Deutschen Anwaltvereins zu verteidigen, was er beanstandet habe. Er werde sich bei einer Rede vor dem Deutschen Anwaltverein, die ihm zugesagt worden sei, seiner Rolle als Vorsitzender würdig erweisen.

In der zweiten Hälfte des Jahres 2019 rief der Abgeordnete Brandner durch einen weitergeleiteten fremden Beitrag sowie durch eigene Beiträge auf dem Kurznachrichtendienst „Twitter“ – im Rahmen seines als „Privat!“ gekennzeichneten Profils, das auch Hinweise auf seine parlamentarischen Funktionen enthielt – öffentliche Empörung hervor.

So verbreitete er den Beitrag eines anderen Nutzers des Kurznachrichtendienstes „Twitter“ zu dem Anschlag auf eine Synagoge in Halle (Saale) am 9.10.2019. Dieser Beitrag hatte folgenden Wortlaut:

Kapiere ich sowieso nicht: Die Opfer des Amokläufers von #Halle waren:

  • Jana, eine Deutsche, die gerne Volksmusik hörte
  • Kevin S., ein Bio-Deutscher.

Warum lungern Politiker mit Kerzen in Moscheen und Synagogen rum?

Am 10.10.2019 veröffentlichte der Abgeordnete Brandner ein Bild des Publizisten (…), das diesen während einer Stellungnahme im ZDF zu dem Anschlag in Halle (Saale) zeigt, und erklärte unter der Überschrift „#Staatsfunk“ und unter Verwendung von drei Symbolen applaudierender Hände: „Jede Sendeminute dieses deutschen (…) treibt uns neue Anhänger in Scharen zu – weiter so!“

In Reaktion auf diese beiden Äußerungen forderten der Deutsche Anwaltverein und der Deutsche Juristinnenbund den Abgeordneten Brandner auf, das Amt des Vorsitzenden des Rechtsausschusses niederzulegen. Von dem weitergeleiteten Beitrag zu dem Anschlag in Halle (Saale) distanzierte sich der Ausschussvorsitzende in der Plenarsitzung am 17.10.2019 und entschuldigte sich, nachdem er ein Gespräch mit dem Bundestagspräsidenten hierüber geführt hatte.

Am 31.10.2019 kommentierte der Abgeordnete Brandner auf seinem „Twitter“-Profil einen Bericht der Online-Ausgabe der Zeitung „WELT am Sonntag“ über eine öffentliche Äußerung des Sängers Udo Lindenberg zur vorangegangenen Landtagswahl in Thüringen am 27.09.2019, in der dieser die AfD scharf kritisiert hatte. In diesem Artikel wurde auch erwähnt, dass der Sänger kurz zuvor das Bundesverdienstkreuz erhalten hatte. Der Abgeordnete Brandner schrieb hierzu:

Klar, warum der gegen uns sabbert/sabbern muß:‚Der Musiker, der vor wenigen Tagen das Bundesverdienstkreuz von Bundespräsident Frank-Walter-Steinmeier erhalten hat…‘#Judaslohn

Vorwürfe, der Begriff „Judaslohn“ sei antisemitisch konnotiert, wies der Abgeordnete Brandner in einer Stellungnahme vom 04.11.2019 zurück.

Vor diesem Hintergrund traf der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages am 7.11.2019 gemäß § 127 Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz GO-BT folgende Auslegungsentscheidung zu § 58 GO-BT:

  1. Das Amt eines Ausschussvorsitzenden endet bei einer Abberufung als Ausschussmitglied durch die jeweilige Fraktion, bei einer in der laufenden Wahlperiode erfolgenden Veränderung der dem Bestimmungsverfahren des § 58 GO-BT zugrunde liegenden Vereinbarung im Ältestenrat oder im Falle einer Abberufung durch den Ausschuss.
  2. Die Bestimmung der Nachfolge erfolgt im Verfahren gemäß § 58 GO-BT.

Im Rahmen der dieser Entscheidung vorangegangenen Beratungen führte der Vorsitzende des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung aus, § 58 GO-BT spreche lediglich von der Bestimmung des Ausschussvorsitzes, regele eine mögliche Beendigung des Amtes jedoch nicht ausdrücklich. Nach dem anerkannten Grundsatz des Actus contrarius sei eine solche Beendigung jedoch möglich, auch im Wege einer Abberufung. Verfassungsrechtlich sei das Amt des Ausschussvorsitzes nicht in einer Weise geschützt, die einer Abberufung entgegenstehe. Die Fraktionen von CDU/CSU, SPD, FDP, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN schlossen sich diesen Ausführungen an. Zwar vereinbarten die Fraktionen im Ältestenrat die Verteilung der Ausschussvorsitze. Bei der Wahrnehmung dieser Aufgabe sei der Ältestenrat jedoch kein Beschlussorgan (§ 6 Abs. 2 Satz 3 GO-BT). Die Entscheidung über die Bestimmung des Vorsitzes komme den Ausschüssen zu. Diese Entscheidung müsse auch wieder rückgängig gemacht werden können. Das Recht, nach einer Abberufung einen neuen Kandidaten für den Ausschussvorsitz vorzuschlagen, verbleibe bei der betroffenen Fraktion nach den Vereinbarungen im Ältestenrat. Die Fraktion der AfD lehnte diese Auslegung ab. Die Geschäftsordnung sehe keine Wahl zum Ausschussvorsitz vor, sodass eine Auslegung, die eine nunmehr im Raum stehende Abwahl bestätige, ausgeschlossen sei.

In der Sitzung des Rechtsausschusses am 13.11.2019 beantragten die Obleute der Fraktionen von CDU/CSU, SPD, FDP, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Abberufung des Ausschussvorsitzenden. Der Abgeordnete Dr. Fechner führte zur Begründung aus, mit der Übernahme des Amtes des Vorsitzenden des Rechtsausschusses gehe eine besondere Verantwortung einher. Die Arbeitsfähigkeit des Ausschusses hänge davon ab, dass der Vorsitzende als Repräsentant des gesamten Ausschusses wirke und wirken könne. Dafür sei es unerlässlich, dass er Bürgerinnen und Bürgern sowie Vertreterinnen und Vertretern des öffentlichen Lebens respektvoll begegne. Der Vorsitzende müsse innerhalb und außerhalb der Tätigkeit als Ausschussvorsitzender zumindest insoweit Mäßigung üben, als dies die unabdingbare Voraussetzung dafür sei, den Ausschuss unparteiisch leiten und nach außen vertreten zu können. Das Verhalten des Abgeordneten Brandner, insbesondere in den letzten Wochen, lasse nur den Schluss zu, dass ihm die Bereitschaft oder die persönliche Befähigung fehle, das wichtige Amt des Vorsitzenden des Rechtsausschusses mit der dafür erforderlichen Mäßigung auszufüllen. Gerade die parlamentarische Arbeit des Rechtsausschusses sei den Werten des Grundgesetzes wie Demokratie, Respekt, Toleranz und Vielfalt verpflichtet. Der Vorsitzende müsse diese Werte nicht nur in seiner Amtsführung verkörpern, sondern auch bei seinen sonstigen öffentlichen Betätigungen beachten. Die Vereinbarung im Ältestenrat, dass die Fraktion der AfD den Vorsitz des Rechtsausschusses stelle, habe weiterhin Bestand. Es liege nun an dieser, eine Person aus ihren Reihen zu nominieren, die dem Amt des Vorsitzenden gerecht werde und es mit Anstand, Respekt und Würde ausfülle.

Der Abgeordnete Reusch (AfD) erwiderte darauf, der Antrag sei nach seiner Auffassung unzulässig, jedenfalls aber offenkundig unbegründet. Für die Abwahl eines Ausschussvorsitzenden bestehe keine rechtliche Grundlage in der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages. Hiervon unabhängig folgten die Pflichten eines Ausschussvorsitzenden aus § 59 GO-BT. Zwischen den Mitgliedern des Ausschusses sei unstreitig, dass der Vorsitzende die Sitzungen stets professionell, parteipolitisch neutral und objektiv geleitet habe. Dementsprechend fänden sich insoweit keine Beanstandungen in der Begründung des Antrags auf Abberufung. Anders als vorgetragen, sei die Arbeitsfähigkeit des Ausschusses damit zu keiner Zeit durch den Vorsitzenden gefährdet worden. Es sei das gute Recht der den Abwahlantrag stellenden Fraktionen, außerhalb von Sitzungen getätigte Äußerungen des Vorsitzenden zu kritisieren. Es gebe jedoch keinen rechtlichen Anspruch auf verbale Mäßigung des Ausschussvorsitzenden außerhalb von Sitzungen, sodass eine Abberufung auch nicht mit entsprechenden Äußerungen begründet werden könne. Insbesondere sei keine Verletzung der in der Rechtsprechung für Hoheitsträger entwickelten Grundsätze zum Neutralitätsgebot gegeben. Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages habe in einem Gutachten vom 19.03.2018 dargelegt, dass diese Rechtsgrundsätze relevant für Äußerungen seien, die ein Hoheitsträger in seiner hoheitlichen Funktion tätige. Spreche ein Hoheitsträger dagegen als Bürger, insbesondere als Parteipolitiker, bestünden keine besonderen Beschränkungen, da er insoweit nicht von einer Befugnis Gebrauch mache, sondern seine Freiheitsrechte, insbesondere seine Meinungsfreiheit aus Art. 5 GG, wahrnehme. Die Äußerungen des Vorsitzenden in den sozialen Medien seien für jedermann leicht erkennbar nicht in seiner Funktion als Vorsitzender, sondern als Bürger und Parteipolitiker getätigt worden.

Der Rechtsausschuss beschloss im Anschluss mit 37 Ja-Stimmen gegen 6 Nein-Stimmen, den Abgeordneten Brandner vom Ausschussvorsitz abzuberufen.

In seiner Sitzung am 19.12.2019 bestätigte das Plenum des Deutschen Bundestages die Entscheidung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung vom 07.11.2019 zur Auslegung des § 58 GO-BT.

Bis zum Ende der 19. Wahlperiode übernahm der stellvertretende Ausschussvorsitzende, ein Abgeordneter der CDU/CSU-Fraktion, die Leitung des Rechtsausschusses. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ausschusssekretariats arbeiteten dem Abgeordneten Brandner seit der Abwahlentscheidung nicht mehr als Ausschussvorsitzendem zu.

Auch zu Beginn der 20. Wahlperiode erzielten die Fraktionen im Ältestenrat keine Einigung über die Verteilung der Ausschussvorsitze. Erneut kam das Zugriffsverfahren zur Anwendung. Dabei fielen der AfD-Bundestagsfraktion die Vorsitze des Innen, des Gesundheits- und des Entwicklungsausschusses zu.

In den konstituierenden Sitzungen dieser drei Ausschüsse am 15.12.2021 unter der Leitung eines Vizepräsidenten des Deutschen Bundestages benannte die AfD-Bundestagsfraktion als Kandidaten für die Ausschussvorsitze den Abgeordneten Hess im Innenausschuss, den Abgeordneten Schneider im Gesundheitsausschuss sowie den Abgeordneten Friedhoff im Entwicklungsausschuss. Auf Antrag der Regierungsfraktionen wurden daraufhin in den drei Ausschüssen geheime Wahlen zur Bestimmung der Ausschussvorsitzenden durchgeführt; bei diesen Wahlen erhielt keiner der von der AfD-Bundestagsfraktion vorgeschlagenen Kandidaten eine Mehrheit.

In der Sitzung des Innenausschusses am 12.01.2022 erreichte der von der AfD-Bundestagsfraktion benannte Kandidat, der Abgeordnete Hess, bei einer erneuten geheimen Wahl wiederum keine Mehrheit; im Anschluss wählte der Innenausschuss einen Abgeordneten der SPD-Fraktion zum stellvertretenden Vorsitzenden.

Im Gesundheitsausschuss erzielte der von der AfD-Bundestagsfraktion benannte Kandidat, der Abgeordnete Schneider, bei der erneut durchgeführten geheimen Wahl am 12.01.2022 ebenfalls keine Mehrheit; zur stellvertretenden Vorsitzenden wählte der Ausschuss eine Abgeordnete der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Auch bei der Wahl im Entwicklungsausschuss am 12.01.2022 erreichte der von der AfD-Bundestagsfraktion benannte Kandidat, der Abgeordnete Friedhoff, abermals keine Mehrheit; zum stellvertretenden Vorsitzenden wählte der Ausschuss einen Abgeordneten der FDP-Fraktion.

Der Ausschussvorsitz ist in den genannten Ausschüssen seitdem vakant. Die Ausschüsse werden von ihren jeweiligen stellvertretenden Vorsitzenden geleitet, die dabei als sogenannte amtierende Vorsitzende fungieren.

In den konstituierenden Sitzungen der übrigen Fachausschüsse des Deutschen Bundestages am 15.12.2021 wurden – soweit ersichtlich – mit Ausnahme des Bau-/Wohnausschusses, des Ernährungs- und Landwirtschaftsausschusses sowie des Ausschusses für Klimaschutz ebenfalls Wahlen zum Ausschussvorsitz durchgeführt. Auf diesem Wege sollte eine gleichförmige Praxis bei der Bestimmung der Ausschussvorsitze erreicht werden, nachdem das bislang praktizierte Akklamationsverfahren seine Grundlage verloren hatte. Die von der vorschlagsberechtigten Fraktion benannten Kandidaten erlangten bei diesen Wahlen stets eine Mehrheit.

Die Organklagen

Mit Schriftsätzen vom 07.02.2020 und 31.12.2021 hat die AfD-Bundestagsfraktion Organklagen erhoben betreffend die Abwahl des vormaligen Vorsitzenden des Rechtsausschusses beziehungsweise die Durchführung von Wahlen zur Bestimmung der Vorsitzenden in den Ausschüssen (Innen, Gesundheits- und Entwicklungsausschuss), deren Vorsitze die AfD-Bundestagsfraktion nach Maßgabe des zu Beginn der 20. Wahlperiode durchgeführten Zugriffsverfahrens für sich beansprucht.

Die AfD-Bundestagsfraktion macht jeweils geltend; vom Deutschen Bundestag, von der Präsidentin und dem Präsidium des Deutschen Bundestags und den jeweiligen Bundestagsausschüssen in ihren Rechten auf Gleichbehandlung als Fraktion (Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG), auf faire und loyale Anwendung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages und auf effektive Opposition verletzt worden zu sein.

Keine einstweiligen Anordnungen

Die mit den Hauptsacheanträgen jeweils gestellten Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat das Bundesverfassungsgericht abgelehnt. Der erste Antrag war darauf gerichtet, dem abgewählten Ausschussvorsitzenden zu ermöglichen, seine Aufgaben als Vorsitzender des Rechtsausschusses vorübergehend wieder effektiv wahrzunehmen, der zweite darauf, die von der AfD-Bundestagsfraktion vorgeschlagenen Kandidaten für die Ausschussvorsitze vorläufig einzusetzen. Hierbei hat das Bundesverfassungsgericht jeweils maßgeblich darauf abgestellt, dass die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen seien, die demgemäß gebotene Folgenabwägung dem Erlass einer einstweiligen Anordnung jedoch entgegenstehe.

Zulässigkeit der Organklagen

Die Anträge sind zulässig, soweit sie sich im ersten Verfahren gegen den Rechtsausschuss und im zweiten Verfahren gegen den Innen, den Gesundheits- und den Entwicklungsausschuss richten und die Verletzung des Rechts der AfD-Bundestagsfraktion auf Gleichbehandlung als Fraktion aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG in Verbindung mit dem Recht auf faire und loyale Anwendung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages durch die Abwahlentscheidung beziehungsweise die Durchführung ungebundener Mehrheitswahlen geltend machen. Im Übrigen sind die Anträge unzulässig.

Zulässige Organklagen gegen die Bundestagsausschüsse

Die Anträge sind im genannten Umfang zulässig.

Die jeweils unmittelbar betroffenen Ausschüsse sind die richtigen Antragsgegner, da sie die Abwahl vom Ausschussvorsitz beziehungsweise die Wahlen zum Ausschussvorsitz durchgeführt und damit die angegriffenen rechtserheblichen Maßnahmen vorgenommen haben. Da Ausschüsse des Deutschen Bundestages in dessen Geschäftsordnung mit eigenen Rechten und Pflichten ausgestattet sind, können sie Antragsgegner im Organstreitverfahren sein (Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, § 63 BVerfGG).

Die Antragsbefugnis ist gegeben (§ 64 Abs. 1 BVerfGG). In beiden Verfahren benennt die AfD-Bundestagsfraktion mit dem Recht auf Gleichbehandlung der Fraktionen aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG und dem Prinzip der fairen und loyalen Anwendung der Geschäftsordnung rügefähige Rechtspositionen, deren Verletzung im Organstreitverfahren geltend gemacht werden kann. Die AfD-Bundestagsfraktion ist als Fraktion des Deutschen Bundestages ein Zusammenschluss von Abgeordneten, dessen Rechtsstellung – ebenso wie diejenige der Abgeordneten – aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG abzuleiten ist. Hieraus ergibt sich ein Recht der Fraktionen auf gleiche Teilhabe an der parlamentarischen Willensbildung. Es gilt der Grundsatz der Gleichbehandlung der Fraktionen. Dieses Recht erstreckt sich nicht nur auf die parlamentarische Willensbildung im engeren Sinne, sondern auch auf Entscheidungen über die innere Organisation.

Auch gewährt die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages den Fraktionen in § 12 GO-BT das Recht, entsprechend ihrer Stärke bei der Besetzung der Ausschussvorsitze berücksichtigt zu werden. Insofern erscheint es möglich, dass Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG der AfD-Bundestagsfraktion – gegebenenfalls in Verbindung mit dem von ihr ebenfalls angeführten Grundsatz der fairen und loyalen Anwendung der Geschäftsordnung – ein verfassungsrechtliches Recht auf gleiche Teilhabe verleiht, das durch die Abwahl vom Ausschussvorsitz sowie durch die Vorenthaltung der Ausschussvorsitze als Folge der Durchführung von Mehrheitswahlen beeinträchtigt sein könnte.

Das Rechtsschutzbedürfnis ist gegeben.

Dieses wird im ersten Verfahren nicht dadurch infrage gestellt, dass die streitgegenständliche Abwahlentscheidung in einer Wahlperiode getroffen wurde, die zwischenzeitlich abgelaufen ist.

Das Rechtsschutzbedürfnis im Organstreitverfahren entfällt grundsätzlich nicht deshalb, weil eine beanstandete Rechtsverletzung in der Vergangenheit liegt und abgeschlossen ist und die angegriffene Maßnahme keine Rechtswirkungen mehr entfaltet. Ob besondere Umstände vorliegen müssen, die ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse begründen, bedarf vorliegend keiner Entscheidung, da solche hier jedenfalls gegeben sind. Die AfD-Bundestagsfraktion gehört auch in der aktuellen Wahlperiode dem Deutschen Bundestag an und begehrt weiterhin, die ihr jeweils zustehenden Ausschussvorsitze zu besetzen. In der Folge lehnt sie auch eine Abwahlbefugnis durch den Ausschuss ab. Die Reichweite ihrer Rechte aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG steht damit weiterhin in Streit und bedarf der Klärung.

Weitere Anforderungen im Sinne einer besonderen Konfrontationsobliegenheit bestanden im vorliegenden Verfahren für die AfD-Bundestagsfraktion nicht. Das Organstreitverfahren dient der Klärung von Streitfragen über die Reichweite der Rechte und Kompetenzen von Verfassungsorganen. Daher obliegt es dem jeweiligen Antragsteller, die Gegenseite auf die gerügte Rechtsverletzung hinzuweisen. Bestehen verfahrensrechtliche Vorkehrungen, die dazu dienen, verfassungsrechtliche Streitfragen zu klären, sind diese vor Einleitung eines verfassungsgerichtlichen Verfahrens auszuschöpfen. Auf allgemeine politisch-parlamentarische Handlungsmöglichkeiten kann dabei allerdings nicht verwiesen werden. Der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung sowie das Plenum haben sich nach § 127 GO-BT in der letzten Wahlperiode mit der Abwahl des Vorsitzenden eines Ausschusses nach § 58 GO-BT befasst und die Möglichkeit einer Abwahl durch den Ausschuss als Actus contrarius zur Bestimmung desselben, jeweils gegen die Stimmen der AfD-Bundestagsfraktion, bestätigt. Der Konflikt über die Verfassungsrechtslage, dessen Klärung die AfD-Bundestagsfraktion mit den vorliegenden Organstreitverfahren begehrt, liegt damit offen zutage.

Unzulässige Organklagen gegen den Deutschen Bundestag

Im Übrigen sind die Anträge unzulässig.

Dies gilt zunächst, soweit sich die AfD-Bundestagsfraktion in beiden Verfahren gegen den Deutschen Bundestag als Gesamtorgan sowie im zweiten Verfahren darüber hinaus gegen die Präsidentin des Deutschen Bundestages und gegen das Präsidium wendet. Es fehlt insoweit an der passiven Prozessführungsbefugnis.

Passiv prozessführungsbefugt im Organstreitverfahren und damit richtiger Antragsgegner ist, wer die angegriffene Maßnahme zu verantworten hat.

Die im Verfahren 2 BvE 1/20 mit dem Antrag zu a)) angegriffene Abwahlentscheidung wurde von dem Rechtsausschuss, nicht von dem Deutschen Bundestag als Gesamtorgan getroffen. Da der hier zur Entscheidung gestellte Antrag nur die Abwahlentscheidung zum Gegenstand hat, ist nicht zu erkennen, dass die Abwahl dem Deutschen Bundestag in seiner Gesamtheit rechtlich zugerechnet werden könnte.

Die im zweiten Verfahren angegriffenen Wahlakte sind von den jeweiligen Ausschüssen zu verantworten. Die Wahlen wurden auf Antrag von Ausschussmitgliedern durchgeführt, wobei nur die Ausschussmitglieder abstimmten. Es ist weder dargelegt noch sonst ersichtlich, weshalb die lediglich organisatorische Rolle eines Vizepräsidenten des Deutschen Bundestages bei der Durchführung der Wahlen in der konstituierenden Sitzung der Ausschüsse und der Feststellung des Abstimmungsergebnisses zu einer rechtlichen Verantwortlichkeit des Deutschen Bundestages oder der Präsidentin des Deutschen Bundestages für die Durchführung der Wahl führen sollte.

Soweit die AfD-Bundestagsfraktion vorträgt, der die konstituierende Sitzung der betroffenen Ausschüsse leitende Vizepräsident habe offenbar aufgrund einer im Präsidium getroffenen Vereinbarung gehandelt, das die Durchführung von Wahlen beschlossen habe, kommt es hierauf mangels dargelegter rechtlicher Einflussmöglichkeiten des Präsidiums auf die Durchführung der Wahlen im Ausschuss nicht an.

Unzulässig ist weiterhin der im ersten Verfahren gestellte Antrag, festzustellen, dass der Deutsche Bundestag dadurch gegen die Rechte der AfD-Bundestagsfraktion verstoßen habe, dass er es dem Abgeordneten Brandner unmöglich gemacht habe, seine Rechte und Pflichten als Vorsitzender des Rechtsausschusses tatsächlich wahrzunehmen. Er genügt nicht den Begründungsanforderungen des § 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG, weil er sich nicht zum Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses verhält, obwohl Anlass dafür besteht. Die AfD-Bundestagsfraktion setzt sich nur am Rande mit der Weigerung der Bundestagsverwaltung, mit dem abgewählten Ausschussvorsitzenden zusammenzuarbeiten, auseinander und trägt lediglich vor, dass das hier streitgegenständliche Unterlassen Folge der Abwahl gewesen sei. Zwar dürfte eine Verletzung von Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG durch eine Weigerung der Bundestagsverwaltung, einzelne Ausschussvorsitzende bei ihrer Arbeit zu unterstützen, nicht ausgeschlossen sein. Erfolgt diese Weigerung aber allein im Gefolge einer Abberufung des Ausschussvorsitzes durch den Ausschuss, „steht und fällt“ deren Rechtmäßigkeit mit der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Abwahl. Es ist nicht ersichtlich, dass die Bundestagsverwaltung ihre Weigerung im Falle der erfolgreichen Beanstandung der Abwahl aufrechterhalten hätte. Vor diesem Hintergrund hätte es vorliegend Ausführungen dazu bedurft, warum der Antrag zu b)) im Verfahren 2 BvE 1/20 gleichwohl zur Abwehr einer Beschwer zusätzlich erforderlich ist.

Soweit die AfD-Bundestagsfraktion ein im Rechtsstaatsprinzip wurzelndes Recht auf effektive Opposition geltend macht, legt sie die Möglichkeit einer Rechtsverletzung nicht substantiiert dar.

Dem Grundgesetz ist – als Teil der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ausgehend von dem Demokratieprinzip und der im Rechtsstaatsprinzip wurzelnden Gewaltenteilung – der allgemeine verfassungsrechtliche Grundsatz effektiver Opposition zu entnehmen. Es geht von einem offenen Wettbewerb unterschiedlicher politischer Kräfte aus. Die Minderheit muss in diesem Wettbewerb die effektive Chance haben, zur Mehrheit zu werden. Da die Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer Regierung und die Garantie ihrer Handlungsfähigkeit fortdauernd erforderlich ist, wird die Aufgabe der Regierungskontrolle in der Regel vor allem von der parlamentarischen Minderheit wahrgenommen. Zu ihrem Schutz und zur Effektivierung dieser Kontrolle stehen von Quoren abhängige Minderheitenrechte zur Verfügung.

Dabei handelt es sich zunächst um einen objektiv-rechtlichen Verfassungsgrundsatz. Dieser besteht in erster Linie im Interesse des demokratischen Staates, der nur bei effektiver Kontrolle der Regierung und der parlamentarischen Mehrheit als solcher bestehen kann. Die Opposition wurde im Grundgesetz aber nicht als eigenständige Institution ausgestaltet. Aus dem Grundgesetz lassen sich weder spezifische Oppositionsfraktionsrechte noch ein Gebot zur Schaffung solcher Rechte ableiten. Eine der Mehrheit entgegengesetzte, oppositionelle politische Haltung geht vielmehr von den einzelnen Abgeordneten und ihren Zusammenschlüssen aus. Ein subjektives Recht, zu opponieren, folgt daher aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG als Recht der Abgeordneten.

Dass die angegriffene Abwahlentscheidung oder die Durchführung von Wahlen zum Ausschussvorsitz diese Rechtsposition verletzt haben könnten, ist nicht hinreichend dargetan. Der Ausschussvorsitzende hat im Wesentlichen die Funktion, die Arbeit des Ausschusses zu leiten. Seine Aufgaben sind organisatorischer Natur. Das Amt des Ausschussvorsitzes steht daher in keinem funktionalen Zusammenhang mit der Wahrung oder Ausübung einer effektiven parlamentarischen Opposition. Mit dem Amt sind keine besonderen Informationsrechte oder Kontrollbefugnisse verbunden. Eine Oppositionsfraktion, die einen Ausschussvorsitz besetzt, kann damit keine Erweiterung ihres Handlungsspielraums gerade als Oppositionsfraktion bewirken.

Eine andere Einschätzung ist auch nicht deshalb geboten, weil das Amt des Ausschussvorsitzes für die Amtsinhaber und gegebenenfalls auch für deren Fraktion ein gewisses Maß an Prestige und Bekanntheit mit sich bringt und zu einer Profilierung in personeller und politischer Hinsicht beitragen kann. Hierbei handelt es sich lediglich um eine mögliche tatsächliche Folge der Amtsinhaberschaft, die insbesondere von der Person der Amtsinhaber abhängt, nicht aber dem Amt und seinen Aufgaben als solchen zu eigen ist.

Keine Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung als Fraktion

Die Anträge sind, soweit zulässig, unbegründet. Nach den zugrunde zu legenden verfassungsrechtlichen Maßstäben liegt eine Verletzung des Rechts der AfD-Bundestagsfraktion auf Gleichbehandlung als Fraktion aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG in Verbindung mit dem Grundsatz der fairen und loyalen Auslegung und Anwendung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages nicht vor. Die Durchführung von Mehrheitswahlen zu den der AfD-Bundestagsfraktion im Rahmen des Zugriffsverfahrens zugefallenen Ausschussvorsitzen wie auch die Abwahl vom Vorsitz des Rechtsausschusses stellen sich als verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Wahrnehmung der Geschäftsordnungsautonomie des Deutschen Bundestages (Art. 40 Abs. 1 Satz 2 GG) dar.

Prüfungsmaßstab im Organstreit ist allein das Grundgesetz, nicht hingegen sind dies die in der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages getroffenen Regelungen. Einklagbar vor dem Bundesverfassungsgericht sind nur jene Rechte, die sich auf ein Verfassungsgebot stützen lassen. Allein in der Geschäftsordnung gewährleistete Rechte können für sich genommen im Organstreit nicht geltend gemacht werden.

38 Abs. 1 Satz 2 GG garantiert den Abgeordneten des Deutschen Bundestages die zur Ausübung ihres Mandats erforderlichen Befugnisse zur gleichberechtigten Mitwirkung an der Willensbildung und Entscheidungsfindung des Deutschen Bundestages. Aus dem Status der Abgeordneten leiten sich die Rechte der Fraktionen als Zusammenschlüsse der Abgeordneten ab. Allerdings gilt auch jenseits der spezifischen Statusrechte der Grundsatz der formalen Gleichheit der Abgeordneten beziehungsweise ihrer Zusammenschlüsse. Daraus leitet sich ein Recht auf Gleichbehandlung ab.

Den Mitgliedern des Deutschen Bundestages und – von diesen abgeleitet – ihren Zusammenschlüssen steht kraft ihres Mandats das Recht aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG zu, gleichberechtigt an der Arbeit des Deutschen Bundestages und der Erfüllung seiner Aufgaben mitzuwirken.

Aus dem freien und gleichen Mandat der Abgeordneten in Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG resultieren umfangreiche Statusrechte. Hierzu zählen vor allen Dingen das Recht zur Teilnahme an den Sitzungen des Deutschen Bundestages, das Recht, in informierter Weise zu beraten, ein grundsätzliches Recht auf Ausschussmitgliedschaft, das Initiativrecht, das Recht, Personalvorschläge im Rahmen von Wahlen zu unterbreiten, das Rederecht, das Stimmrecht, das Frage- und Informationsrecht und das Recht, sich mit anderen Abgeordneten zu Fraktionen oder Gruppen zusammenzuschließen.

38 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistet den Abgeordneten das Recht auf gleichberechtigte Mitwirkung am gesamten Prozess der parlamentarischen Willensbildung. Ihre Befugnisse erschöpfen sich nicht in der Mitwirkung am Gang der Beratungen über parlamentarisch-politische Gegenstände, das heißt in der Teilhabe insbesondere an der Gesetzgebungs- und Kontrollfunktion des Parlaments. Sie sind auch auf all jene Entscheidungen bezogen, die der Deutsche Bundestag in Ausübung seiner Geschäftsordnungsautonomie zur Gestaltung seiner inneren Organisation und des Geschäftsgangs trifft. In diesem Sinne hat das Bundesverfassungsgericht bereits festgestellt, dass den Abgeordneten des Deutschen Bundestages ein Recht zusteht, an den Organisationsentscheidungen des Parlaments mitzuwirken, insbesondere durch Beteiligung an Wahlakten innerhalb des Deutschen Bundestages.

Die Rechtsstellung der Fraktionen leitet sich ebenso wie die Rechtsstellung der Abgeordneten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG ab. Der Grundsatz der Spiegelbildlichkeit gilt nicht für Gremien und Funktionen lediglich organisatorischer Art.

Fraktionen werden als Zusammenschlüsse von Abgeordneten gegründet und im Deutschen Bundestag tätig. Ihr Wirken ist eine bedeutende Voraussetzung für die Effektivierung der Tätigkeit der in ihr zusammengeschlossenen Mitglieder des Deutschen Bundestages. Fraktionen sind daher anerkannte Einrichtungen des Verfassungslebens und als ständige Gliederungen des Deutschen Bundestages Teil der organisierten Staatlichkeit.

Gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG haben die Fraktionen dementsprechend ein Recht auf formal gleiche Mitwirkung an sämtlichen Gegenständen der parlamentarischen Willensbildung. Aus der durch Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleisteten Freiheit der Abgeordneten, sich zu Fraktionen zusammenzuschließen, ergibt sich, dass die Fraktionen als politische Kräfte ebenso gleich und entsprechend ihrer Stärke zu behandeln sind wie die Abgeordneten untereinander. Die Mitwirkungsbefugnis der Abgeordneten erstreckt sich auch auf die Ausschüsse des Deutschen Bundestages. Grundsätzlich muss jeder Ausschuss, soweit er Aufgaben des Plenums übernimmt beziehungsweise dessen Entscheidungen vorbereitet, ein verkleinertes Abbild des Plenums sein und in seiner Zusammensetzung dessen Zusammensetzung widerspiegeln, um dem Repräsentationsprinzip Rechnung zu tragen. Dies erfordert eine möglichst getreue Abbildung der Stärke der im Plenum vertretenen Fraktionen (Grundsatz der Spiegelbildlichkeit).

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gilt der Grundsatz der Spiegelbildlichkeit hingegen nicht für Gremien und Funktionen, die lediglich organisatorischer Art sind und daher nicht dem Einfluss des Prinzips gleichberechtigter Teilnahme an den dem Deutschen Bundestag nach dem Grundgesetz übertragenen Aufgaben unterliegen. Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG begründet folglich für sich genommen keinen Anspruch auf Zugang zu Leitungsämtern, bei denen es nicht zur inhaltlichen Vorformung der parlamentarischen politischen Willensbildung kommt. Daraus hat das Bundesverfassungsgericht den weiteren Schluss gezogen, dass sich gerade die Beschränkung der Vergabe von Vorsitzen in Ausschüssen durch die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages im Rahmen der dem Bundestag zustehenden Geschäftsordnungsautonomie hält. Bei dem Amt des Ausschussvorsitzes handelt es sich nicht um ein spezifisch mitgliedschaftliches Recht, wenn auch das Amt an das Mandat im Deutschen Bundestag gebunden ist.

Nichts anderes folgt aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 22.03.2022. In dieser Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht im Zusammenhang mit der Besetzung des Präsidiums des Deutschen Bundestages festgestellt, dass sich das Recht der Abgeordneten und daraus abgeleitet der Fraktionen aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG auf gleiche Mitwirkung an den Entscheidungen über die innere Organisation und die Arbeitsabläufe des Deutschen Bundestages einschließlich der Festlegung und Besetzung von Untergliederungen und Leitungsämtern dem Grundsatz nach auch auf den Zugang zum Präsidium erstreckt. Dieses Recht sei jedoch von vornherein durch die in Art. 40 Abs. 1 Satz 1 GG vorgesehene Wahl der Präsidenten und ihrer Stellvertreter begrenzt und könne daher nicht im Sinne eines Benennungsrechts verstanden werden; das in § 2 Abs. 1 Satz 2 GO-BT vorgesehene Recht einer Fraktion, im Präsidium mit mindestens einem Vizepräsidenten vertreten zu sein, sei deswegen nicht als unbedingter Anspruch jeder Fraktion auf Stellung eines Vizepräsidenten ausgestaltet, sondern als Recht jeder Fraktion, einen Abgeordneten zur Wahl zu stellen. Die Entscheidung betrifft damit das spezifische Zusammenwirken von Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG in Verbindung mit § 2 GO-BT mit der in Art. 40 Abs. 1 Satz 1 GG vorgesehenen Wahl der Vizepräsidenten des Parlaments. Ein sich unmittelbar aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG ergebendes Zugangsrecht zu den Leitungsämtern des Deutschen Bundestages im Sinne einer (proportionalen) Vertretung jeder Fraktion kann ihr nicht entnommen werden.

Allerdings bleibt der Deutsche Bundestag auch jenseits der Mitwirkung der Abgeordneten und ihrer Zusammenschlüsse an der parlamentarischen Willensbildung im engeren Sinne und an den Organisationsentscheidungen des Deutschen Bundestages dem Grundsatz der Gleichheit aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG verpflichtet. Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG begründet einen Status formaler Gleichheit der Abgeordneten und ihrer Zusammenschlüsse. Der Gehalt des Gleichheitsgrundsatzes erschöpft sich nicht in einem rein objektiven Rechtssatz. Er prägt den Status der Abgeordneten beziehungsweise ihrer Zusammenschlüsse und vermittelt ihnen daher ein Recht, diesem Grundsatz entsprechend behandelt zu werden. Seinen Ausdruck findet dieser verfassungsrechtliche Gleichbehandlungsanspruch unter anderem im Recht der Abgeordneten und ihrer Zusammenschlüsse auf eine faire und loyale Auslegung und Anwendung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages. Indem sich der Deutsche Bundestag eine Geschäftsordnung gibt, bindet er sich selbst und ist gehalten, von ihm eingeräumte Rechte gleichmäßig und sachgemäß zur Geltung zu bringen. Der Gleichbehandlungsanspruch erstreckt sich daher – als Teilhabeanspruch – auch auf jene Beteiligungsrechte, die über die unmittelbar in Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG wurzelnden spezifischen Statusrechte der Abgeordneten beziehungsweise ihrer Zusammenschlüsse hinausgehen. Ansonsten bestünde die Möglichkeit der jeweiligen Parlamentsmehrheit und der von ihr getragenen Organe des Deutschen Bundestages, die Beteiligungsrechte der jeweiligen Parlamentsminderheit trotz entgegenstehender geschäftsordnungsrechtlicher Vorgaben, denen sich der Deutsche Bundestag in Wahrnehmung seiner Geschäftsordnungsautonomie in Art. 40 Abs. 1 Satz 2 GG unterworfen hat, leerlaufen zu lassen. Mit dem in Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG verankerten Status der Gleichheit der Abgeordneten und daraus abgeleitet ihrer Zusammenschlüsse wäre dies nicht vereinbar.

Nach Art. 40 Abs. 1 Satz 2 GG kommt es dem Deutschen Bundestag zu, kraft seiner Geschäftsordnungsautonomie über seine innere Organisation und sein Verfahren zu entscheiden. Gestaltung, Auslegung und Anwendung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages unterliegen einer lediglich eingeschränkten verfassungsgerichtlichen Kontrolle.

Zur Wahrnehmung der dem Deutschen Bundestag durch das Grundgesetz übertragenen Aufgaben bedarf es eines Ordnungsrahmens, der die Gleichheit aller Abgeordneten und daraus abgeleitet ihrer Zusammenschlüsse sichert und zugleich der Erhaltung der Arbeits- und Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages dient. Die Konkretisierung des hierzu Erforderlichen obliegt dem Parlament kraft seiner Geschäftsordnungsautonomie zunächst selbst. Bei der Gestaltung seiner inneren Organisation und des Geschäftsgangs kommt ihm ein weiter Spielraum zu. Hierbei sind nicht nur der Erlass, sondern auch die Auslegung und Anwendung der Geschäftsordnung grundsätzlich dem Deutschen Bundestag selbst überantwortet.

Das Bundesverfassungsgericht überprüft, ob die Wahrnehmung der Geschäftsordnungsautonomie durch den Deutschen Bundestag die aufgezeigten Grenzen wahrt. Dabei beachtet es die Autonomie des Parlaments bei der Ausgestaltung seiner inneren Ordnung.

Einschränkungen der dem Mandat entspringenden spezifischen Mitwirkungsbefugnisse der Abgeordneten beziehungsweise ihrer Zusammenschlüsse durch die Geschäftsordnung unterliegen besonderen verfassungsrechtlichen Rechtfertigungsanforderungen. Sie müssen dem Schutz anderer Rechtsgüter von Verfassungsrang dienen. Diese müssen gegenüber dem freien Mandat zumindest gleichwertig sein. Die Arbeits- und Funktionsfähigkeit des Parlaments stellt ein solch gleichwertiges Rechtsgut von Verfassungsrang dar, das grundsätzlich geeignet ist, Einschränkungen der Beteiligungsmöglichkeiten der Abgeordneten zu rechtfertigen. Ausgangspunkt der verfassungsgerichtlichen Kontrolle ist dabei die Auslegung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages durch diesen selbst, es sei denn, dass diese nach Maßgabe anerkannter Auslegungsmethoden evident gegen den im Rahmen des Status der Gleichheit der Abgeordneten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG zu beachtenden Grundsatz der fairen und loyalen Anwendung der Geschäftsordnung verstößt. Ist dies nicht der Fall, ist zu prüfen, ob ein damit verbundener Eingriff in das Recht der Abgeordneten beziehungsweise ihrer Zusammenschlüsse auf gleichberechtigte Mitwirkung an der parlamentarischen Willensbildung aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG ausreichend verfassungsrechtlich legitimiert, das heißt verhältnismäßig ist.

Ist demgegenüber nicht ein unmittelbar in Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG verankertes spezifisches mitgliedschaftliches Recht betroffen, sondern geht es allein um den formalen Status der Gleichheit der Abgeordneten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG in Form der Teilhabe an Rechtspositionen, die erst die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages einräumt, findet eine verfassungsgerichtliche Überprüfung lediglich dahingehend statt, ob die einschlägigen Bestimmungen der Geschäftsordnung oder ihre Auslegung und Anwendung jedenfalls nicht evident sachwidrig und damit willkürlich sind. Liegt ein sachlicher Grund vor, orientiert sich etwa ein nach Maßgabe der anerkannten Auslegungskriterien willkürfreies Verständnis der Geschäftsordnung an dem hinter der Geschäftsordnungsautonomie des Deutschen Bundestages stehenden Anliegen, die Arbeits- und Funktionsfähigkeit des Parlaments zu sichern, ist der Gleichbehandlungsanspruch der Abgeordneten beziehungsweise ihrer Zusammenschlüsse gewahrt. Erst dann, wenn sich für die Entscheidung des Deutschen Bundestages ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonst sachlich einleuchtender Grund nicht finden lässt, ist der verfassungsrechtliche Gleichbehandlungsanspruch und damit ein organschaftliches Recht verletzt. Prüfungsmaßstab ist somit das Willkürverbot.

An diesen Maßstäben gemessen scheidet eine Verletzung des Rechts der AfD-Bundestagsfraktion auf Gleichbehandlung als Fraktion aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG in Verbindung mit dem Grundsatz der fairen und loyalen Auslegung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages aus. Die AfD-Bundestagsfraktion kann sich zwar auf das Recht auf Gleichbehandlung bei der Besetzung der Ausschussvorsitze stützen. Die Durchführung von Wahlen zur Besetzung der verfahrensgegenständlichen Ausschussvorsitze bewegt sich aber ebenso wie die angegriffene Entscheidung der Abwahl vom Vorsitz des Rechtsausschusses im Rahmen der dem Deutschen Bundestag zustehenden Geschäftsordnungsautonomie.

Der Abgeordnetenstatus und daraus abgeleitet die Rechtsstellung der Fraktionen aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleisten kein Recht auf Besetzung von Ausschussvorsitzen. Insbesondere ist entgegen dem Vortrag der AfD-Bundestagsfraktion der Spiegelbildlichkeitsgrundsatz nicht übertragbar. Die AfD-Bundestagsfraktion kann sich vorliegend indes auf das Recht auf Gleichbehandlung aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG in Verbindung mit dem Grundsatz der loyalen und fairen Auslegung der für die Besetzung der Ausschussvorsitze einschlägigen Bestimmungen der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages berufen.

Der Grundsatz der Spiegelbildlichkeit ist nicht auf die Leitungsämter des Deutschen Bundestages anzuwenden. Bei solchen Funktionen, die rein organisatorischer Art sind, kommt er nicht zum Tragen. Das Amt des Ausschussvorsitzenden dient nicht der Ausübung von mitgliedschaftlichen Befugnissen einer Fraktion. Auch wenn zum Ausschussvorsitz nur Abgeordnete des Deutschen Bundestages bestimmt werden können, unterliegt ihre Funktion für sich genommen nicht dem Grundsatz der gleichberechtigten Teilhabe an den dem Deutschen Bundestag nach dem Grundgesetz übertragenen Aufgaben. Ausschussvorsitzende haben im Wesentlichen organisatorische Aufgaben, die sie unter Wahrung des Grundsatzes der parteipolitischen Neutralität wahrnehmen. Sie berufen die Sitzungen des Ausschusses ein, leiten diese und setzen die Beschlüsse des Ausschusses um. Nach außen werden die Ausschussvorsitzenden repräsentativ tätig; hierbei haben sie die Arbeit des Ausschusses in seiner Gesamtheit zu berücksichtigen. 

Die AfD-Bundestagsfraktion kann indes aus dem Recht auf Gleichbehandlung der Abgeordneten und daraus abgeleitet ihrer Zusammenschlüsse in Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG beanspruchen, bei der Bestimmung der Ausschussvorsitze in einer Weise behandelt zu werden, die einer fairen und loyalen Auslegung und Anwendung der Vorschriften der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages betreffend die Besetzung der Ausschussvorsitze entspricht. Die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages bestimmt in § 12 Satz 1, dass die Positionen der Ausschussvorsitzenden nach dem Stärkeverhältnis der Fraktionen zuzuweisen sind. Der Vorschrift ist die grundlegende Entscheidung des Deutschen Bundestages zugunsten eines parlamentarischen Leitungsmodells zu entnehmen, demzufolge alle Fraktionen (proportional) bei der Besetzung von Leitungsämtern zu berücksichtigen sind. Zugleich legt § 58 GO-BT fest, dass die Ausschüsse ihre Vorsitzenden „bestimmen“.

Die nicht gewählten Vorsitzenden im Innen, Gesundheits- und Entwicklungsausschuss

Die Durchführung von Wahlen zum Ausschussvorsitz in dem Innen, dem Gesundheits- und dem Entwicklungsausschuss, deren Vorsitze der AfD-Bundestagsfraktion nach § 12 GO-BT grundsätzlich zustehen, verletzen das Recht der AfD-Bundestagsfraktion auf Gleichbehandlung nicht. Die Auslegung und Anwendung der Regelungen der §§ 12, 58 GO-BT in dem Sinne, dass Ausschussvorsitzende im Wege einer Mehrheitswahl durch die jeweiligen Ausschüsse bestimmt werden, wahren den Grundsatz einer fairen und loyalen Auslegung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages; sie sind nicht evident sachwidrig.

Die Regelung des Besetzungsverfahrens der Ausschussvorsitze unterfällt der Geschäftsordnungsautonomie des Deutschen Bundestages (Art. 40 Abs. 1 Satz 2 GG). Das Grundgesetz enthält keine spezifischen Vorgaben zu dieser Frage. Die Ausgestaltung des Besetzungsverfahrens stellt sich daher als eine innere Angelegenheit des Parlaments dar, die dieses im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung autonom regeln kann. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass das gewählte Leitungsmodell und seine geschäftsordnungsrechtliche Ausgestaltung (§§ 12, 58 GO-BT) diesen Rahmen überschritten haben.

Die Auslegung der §§ 12, 58 GO-BT durch den Deutschen Bundestag und die betroffenen Ausschüsse ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Bundestag und die betroffenen Ausschüsse gehen davon aus, § 58 GO-BT sei so zu verstehen, dass die Ausschüsse dazu berufen seien, die Entscheidung über die Besetzung des Vorsitzes selbst zu treffen, und dass sie sich hierzu des Mittels der Wahl eines Ausschussmitglieds ohne weitere Einschränkungen bedienen könnten. Ein Benennungsrecht der Fraktionen besteht nach dieser Ansicht nicht. Diese Auslegung ist nicht evident sachwidrig.

Der Wortlaut des § 58 GO-BT ist weit gefasst. Der Begriff des Bestimmens lässt verschiedene Vorgehensweisen zu. Es bleibt offen, wie das Verfahren abläuft; beschrieben wird lediglich das Ergebnis des Prozesses. Sowohl die geheime Mehrheitswahl als auch die Akklamation sind sprachlich von dem Begriff des Bestimmens erfasst.

Auch der systematische Vergleich legt nahe, dass die Geschäftsordnung den Fraktionen kein Benennungsrecht einräumen will. Dort, wo ein solches vorgesehen ist, wird dies ausdrücklich statuiert. So spricht § 57 Abs. 2 Satz 1 GO-BT davon, dass die Ausschussmitglieder von den Fraktionen benannt werden. Die in § 58 GO-BT verwendete Formulierung überantwortet hingegen den Ausschüssen die Entscheidungsbefugnis über den Vorsitz. Wäre der Ausschuss bei dieser Entscheidung strikt an den Vorschlag der nach den Vereinbarungen im Ältestenrat oder dem Zugriffsverfahren vorschlagsberechtigten Fraktion gebunden, so bedürfte es der Formulierung in § 58 GO-BT nicht. Die Zulässigkeit einer Wahl zum Ausschussvorsitz stellt auch die Grundentscheidung des § 12 GO-BT, wonach die Fraktionen proportional bei der Verteilung der Ausschussvorsitze zu berücksichtigen sind, nicht infrage. § 12 GO-BT weist das Vorschlagsrecht den Fraktionen zu und schließt damit ein eigenes Vorschlagsrecht innerhalb des Ausschusses aus. Gelingt die Wahl nicht, bleibt der Vorsitz vakant. Die vorschlagsberechtigte Fraktion kann weiterhin von ihrem fortbestehenden Vorschlagsrecht Gebrauch machen. Bis zu einer erfolgreichen Wahl wird die Ausschussleitung von den stellvertretenden Vorsitzenden wahrgenommen, die als sogenannte amtierende Vorsitzende fungieren.

Schließlich stützen Sinn und Zweck des § 58 GO-BT die Annahme, Wahlen zur Bestimmung des Ausschussvorsitzes seien zulässig. Eine Wahl der Ausschussvorsitzenden sichert die Arbeits- und Funktionsfähigkeit der Ausschüsse. Sie verhindert, dass dem Ausschuss ein Vorsitz aufgedrängt wird, der nicht das Vertrauen der Ausschussmehrheit besitzt. In der Wahl drückt sich das Vertrauen der Ausschussmitglieder in den Vorsitz aus. Auf das Erfordernis einer Vertrauensgrundlage zur Sicherung einer effizienten Ausschussarbeit haben die sachkundigen Dritten Prof. Dr. Hölscheidt sowie die Abgeordneten Dr. Mihalic und Thomae in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich hingewiesen. Insbesondere über Verfahrensfragen müsse Konsens hergestellt werden, um langwierige Geschäftsordnungsdebatten zu vermeiden, die die Ausschussarbeit behinderten. Erforderlich sei auch das Vertrauen des Ausschusses in die korrekte Umsetzung von Absprachen und Beschlüssen durch den Vorsitz und in ein dem Vorsitzendenamt angemessenes Verhalten nach außen. Wie aufgezeigt, kommt den Vorsitzenden im Rahmen ihrer repräsentativen Aufgaben die Funktion zu, zu der von der Ausschussarbeit betroffenen Fachöffentlichkeit Kontakt herzustellen und zu halten. So werden insbesondere Verbände, die für die Ausschussarbeit Bedeutung haben, über diese informiert und dazu angeregt, sich an ihr zu beteiligen. Für die fachliche Qualität der Ausschussarbeit ist das von hoher Bedeutung.

Gegenläufige Gesichtspunkte, die die Auffassung der Bundestagsausschüsse (Innen, Gesundheits- und Entwicklungsausschuss) als evident sachwidrig erscheinen ließen, sind nicht ersichtlich.

Insbesondere kann die bisherige parlamentarische Praxis nicht gegen die Vorgehensweise der Bundestagsausschüsse angeführt werden. Es trifft zu, dass seit der ersten Wahlperiode Ausschussvorsitzende im Deutschen Bundestag in aller Regel durch Akklamation bestimmt wurden. Anders als die AfD-Bundestagsfraktion dies darstellt, handelte es sich hierbei allerdings nicht um eine ausnahmslose Praxis. Auch in der Vergangenheit kam es, wenn auch nur vereinzelt, in Fällen, in denen Einigkeit über den Vorsitz nicht erzielt werden konnte, zu Wahlen im Ausschuss. Die parlamentarische Übung ging mithin nicht davon aus, dass eine Benennung des Ausschussvorsitzes durch die berechtigte Fraktion unabhängig von einem entsprechenden Konsens im Ausschuss möglich sein sollte. Dem entspricht auch das Vorgehen seit der 19. Wahlperiode. Eine Bestellung der Ausschussvorsitzenden durch Akklamation nach Verteilung der Posten im Ältestenrat setzt einen Konsens über den Personalvorschlag voraus. Die in der mündlichen Verhandlung angehörten sachkundigen Dritten Dr. Mihalic und Thomae haben dargelegt, dass ein solcher Konsens seit Beginn der 19. Wahlperiode wiederholt nur noch unter Schwierigkeiten zu erreichen gewesen sei und dass im Zusammenhang mit der Bestimmung der Ausschussvorsitze nach Maßgabe der im Ältestenrat beschlossenen Verteilung vermehrt Widersprüche von Ausschussmitgliedern eingelegt worden seien, woraufhin Wahlen stattgefunden hätten. Mit Beginn der 20. Wahlperiode sei die bisherige Praxis daher angepasst und für einheitliche Anforderungen an alle Kandidaten für die Ausschussvorsitze Sorge getragen worden. Dies führte dazu, dass in den Ausschüssen nunmehr – mit wenigen Ausnahmen – in den konstituierenden Sitzungen Wahlen zum Ausschussvorsitz durchgeführt wurden. Von Verfassungs wegen ist dies nicht zu beanstanden. Es steht dem Deutschen Bundestag grundsätzlich frei, innerhalb des durch die Geschäftsordnung gegebenen Rahmens seine Praxis in Hinblick auf die Besetzung von Leitungsämtern zu ändern.

Eine nach Maßgabe der Geschäftsordnung zulässige Wahl zur Besetzung eines parlamentarischen Leitungsamtes kann nur eine freie Wahl sein. Wahlen zeichnen sich gerade durch die Wahlfreiheit aus, wenngleich die Wählbarkeit von der Erfüllung bestimmter Voraussetzungen abhängen kann. Der mit einer Wahl einhergehende legitimatorische Mehrwert könnte nicht erreicht werden, wenn es eine Pflicht zur Wahl eines bestimmten Kandidaten oder einer bestimmten Kandidatin gäbe. Der Wahlakt unterliegt grundsätzlich keiner über Verfahrensfehler hinausgehenden gerichtlichen Kontrolle, weswegen sein Ergebnis auch keiner Begründung oder Rechtfertigung bedarf.

Die freie Wahl entspricht dem freien Mandat der Abgeordneten nach Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG und dem Demokratieprinzip nach Art.20 Abs. 1 und 2 GG. Nach Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG üben die Abgeordneten des Deutschen Bundestages ihr Mandat in Unabhängigkeit aus, sind an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen. Zu den Statusrechten der Abgeordneten gehört auch das Stimmrecht und insbesondere das Recht, an Wahlen mitzuwirken. Das freie Mandat der Abgeordneten manifestiert sich daher auch durch ihre freie Beteiligung an Wahlen.

Mit einer freien Wahl wäre es unvereinbar, wenn eine Fraktion das Recht auf ein bestimmtes Wahlergebnis hätte. Könnte eine Fraktion – mittels des von der AfD-Bundestagsfraktion begehrten Besetzungsrechts – einen Ausschussvorsitzenden oder eine Ausschussvorsitzende durchsetzen, wäre die Wahl ihres Sinns entleert. Das bei einer Wahl besonders geschützte freie Mandat der Abgeordneten steht deshalb einem Recht der Fraktion auf ein bestimmtes Wahlergebnis entgegen.

Die Mitwirkung einer Fraktion bei der Besetzung der Ausschussvorsitze im Deutschen Bundestag kann daher nach Maßgabe der Geschäftsordnung unter den Vorbehalt einer freien Wahl im Ausschuss gestellt werden. Sie ist dann darauf beschränkt, dass eine Fraktion einen Kandidaten für die Wahl vorschlagen kann und dass die freie Wahl ordnungsgemäß durchgeführt wird. Gelingt die Wahl nicht, bleibt auf der Grundlage der gegenwärtigen Fassung der Geschäftsordnung die Position unbesetzt, solange nicht ein von der vorschlagsberechtigten Fraktion einzubringender neuer Personalvorschlag die erforderliche Mehrheit erreicht.

Schließlich bestehen auch keine Anhaltspunkte für eine dem Grundsatz der fairen und loyalen Anwendung der Geschäftsordnung widersprechende Anwendung der §§ 12, 58 GO-BT in den hier streitigen Fällen. Insbesondere ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass der Ablauf der Wahlen vorliegend nicht ordnungsgemäß gewesen sein könnte. Auch die Vermutung der AfD-Bundestagsfraktion, die anderen Fraktionen im Deutschen Bundestag hätten sich darauf verständigt, ihre Kandidaten nicht zu wählen, führt zu keinem anderen Ergebnis. Abreden zwischen Fraktionen darüber, ob und wie über eine Vorlage abgestimmt oder wie gewählt werden soll, und entsprechende Empfehlungen einer Fraktion gegenüber ihren Mitgliedern sind bei der parlamentarischen Willensbildung nicht unüblich und als solche von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Die Abstimmungs- oder Wahlentscheidung der Abgeordneten bleibt dennoch frei und wird allein von ihnen persönlich verantwortet.

Die Abwahl des Vorsitzenden des Rechtsausschusses

Auch die Abwahl des Vorsitzenden des Rechtsausschusses am 13.11.2019 verletzt die AfD-Bundestagsfraktion nicht in ihrem Recht auf Gleichbehandlung. Die dem Abwahlvorgang zugrundeliegende Auffassung des Rechtsausschusses, die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages gestatte die Abwahl eines Ausschussvorsitzenden, entspricht einer fairen und loyalen Auslegung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages. Sie ist nicht evident sachwidrig. Ebenso wenig ist gegen die Handhabung der Geschäftsordnung bei der streitgegenständlichen Abwahl verfassungsrechtlich etwas zu erinnern.

Der Rechtsausschuss durfte davon ausgehen, zur Abwahl seines Vorsitzenden grundsätzlich befugt zu sein. Er befand sich insoweit in Übereinstimmung mit der Auffassung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung. Dieser hatte in seiner Auslegungsentscheidung vom 07.11.2019, der sich das Plenum mit Beschluss vom 19.12.2019 anschloss, die Ansicht vertreten, die Abwahl sei als Actus contrarius zu der Entscheidung, mit der ein Ausschuss seinen Vorsitz bestimme, auch ohne ausdrückliche Regelung in der Geschäftsordnung nach Maßgabe der §§ 58, 12 GO-BT zulässig. Verfassungsrechtlich sei das Amt des Ausschussvorsitzenden nicht in einer Weise geschützt, die einer Abberufung entgegenstehe. Das Recht, nach einer Abberufung einen neuen Kandidaten oder eine neue Kandidatin für den fraglichen Ausschussvorsitz vorzuschlagen, verbleibe bei der betroffenen Fraktion. Dieses Verständnis der Geschäftsordnung ist nicht evident sachwidrig.

Im parlamentsrechtlichen Schrifttum wird in Hinblick auf die Befugnis zur Abwahl ebenfalls auf den Actus-contrarius-Gedanken hingewiesen. Danach stehe das Fehlen einer ausdrücklichen geschäftsordnungsrechtlichen Regelung einer Abwahlmöglichkeit nicht entgegen. Sie sei vielmehr als implizite Befugnis der Geschäftsordnung zu entnehmen. Da jeder Ausschuss über die Besetzung seines Vorsitzes entscheide, solle er auch über die Abberufung entscheiden können. In systematischer Hinsicht werden hierfür zusätzlich das Mehrheitsprinzip (Art. 42 Abs. 2 Satz 1 GG) und das Demokratieprinzip (Art.20 Abs. 1 und 2 GG) angeführt. Demokratische Entscheidungen seien danach grundsätzlich reversibel. Ausdruck dieser Reversibilität sei die Befugnis, einen einmal gewählten Amtsinhaber abzuwählen. Ausnahmen, die etwa aus besonderen Stabilitätserfordernissen geboten sein mögen, bedürften der konkreten Normierung.

Auch Sinn und Zweck des § 58 GO-BT stützen diese Auffassung. Ziel der Regelungen der Geschäftsordnung ist die Sicherung der Arbeits- und Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages. Vorsitzende, die nicht mehr über das Vertrauen der Ausschussmehrheit verfügen, können ihr Amt nicht effektiv ausüben. Für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben, insbesondere die Sitzungsvorbereitung, die Abstimmung von Terminen und der Tagesordnung, sind Ausschussvorsitzende auf einen Konsens mit den Fraktionsvertreterinnen und -vertretern im Ausschuss, insbesondere den Obleuten, angewiesen. Gegen die Mehrheit des Ausschusses und die Obleute können Ausschussvorsitzende das Amt nicht führen. Zwar kann die Ausschussmehrheit den Ablauf der Sitzungen durch Mehrheitsentscheidung in ihrem Sinne lenken und damit den Einfluss des oder der Vorsitzenden begrenzen. Würde dies jedoch zur Regel, könnte das zu erheblichen Effizienzverlusten und damit zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der Ausschussarbeit führen.

Der Vertretbarkeit der Auslegung der §§ 58, 12 GO-BT durch den Rechtsausschuss steht nicht entgegen, dass der Deutsche Bundestag die Abwahl der von der Fraktion DIE LINKE vorgeschlagenen Vizepräsidentin in Folge der Auflösung der Fraktion DIE LINKE für unzulässig hielt. Zur Begründung wurde dort darauf verwiesen, dass die Präsidentin oder der Präsident des Deutschen Bundestages und ihre oder seine Stellvertreterinnen und Stellvertreter nach § 2 Abs. 1 GO-BT für die gesamte Dauer der Wahlperiode gewählt würden und eine Abwahl somit zum Schutz der neutralen Amtsführung unzulässig sei, weshalb ein Abwahlantrag jeder Grundlage entbehre. Die AfD-Bundestagsfraktion sieht hierin einen Widerspruch zum Vorgehen im hier streitgegenständlichen Fall. Im Falle der Ausschussvorsitze werde davon ausgegangen, dass die Abwahl als Actus contrarius zu einem Vorgang, der eigentlich ein Entsendungsvorgang sei, zulässig sei. Gehe es um Präsidiumsmitglieder, solle dieser Gedanke, obwohl tatsächlich eine Wahl stattgefunden habe, hingegen nicht gelten.

Eine unterschiedliche Handhabung der Abwahlmöglichkeit von Präsidiumsmitgliedern und Ausschussvorsitzenden ist indes jedenfalls nicht evident sachwidrig.

Es kann dahinstehen, ob die vom Deutschen Bundestag vorgenommene Auslegung der Geschäftsordnung zur Abwahl von Präsidiumsmitgliedern die einzig vertretbare Interpretation des § 2 GO-BT darstellt. Entscheidend ist insoweit allein, dass sich die Ämter der Mitglieder des Präsidiums des Deutschen Bundestages derart vom Amt des Ausschussvorsitzes unterscheiden, dass eine unterschiedliche Handhabung der Geschäftsordnung (§ 2 einerseits und §§ 58, 12 andererseits) in Hinblick auf die Möglichkeit einer Abwahl jedenfalls vertretbar ist. Dies kann zunächst auf den unterschiedlichen Wortlaut des § 2 GO-BT einerseits und des § 58 GO-BT andererseits gestützt werden. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GO-BT wählt der Deutsche Bundestag sein Präsidium „für die Dauer der Wahlperiode“. Eine derart explizite Aussage fehlt in § 58 GO-BT. Es ist jedenfalls nachvollziehbar, anzunehmen, § 2 GO-BT bringe hierdurch zum Ausdruck, dass die Mitglieder des Präsidiums in besonderer Weise vor einer Abwahl geschützt seien. Ein derartiger, im Vergleich zu den Ausschussvorsitzenden gesteigerter Schutz erscheint auch aus teleologischen Gründen nachvollziehbar. Die Mitglieder des Präsidiums des Deutschen Bundestages nehmen in sehr viel stärkerem Umfang repräsentative Aufgaben wahr als Ausschussvorsitzende; sie vertreten den gesamten Deutschen Bundestag nach außen und werden als Repräsentanten des Parlaments auch in der breiten Öffentlichkeit wahrgenommen. Ihre Abwahl kann daher zu größeren politischen Verwerfungen innerhalb wie außerhalb des Parlaments führen. Es obliegt in erster Linie dem Deutschen Bundestag, im Rahmen seiner Geschäftsordnungsautonomie zu bewerten, welche Schutzbedürfnisse bei welchen Leitungsämtern bestehen und wie diese mit dem Anliegen, Personalentscheidungen zu korrigieren, in Ausgleich zu bringen sind. Anders als die AfD-Bundestagsfraktion meint, erscheint es angesichts der vorhandenen Unterschiede im Zuschnitt der Ämter der Ausschussvorsitzenden einerseits und der Präsidiumsmitglieder andererseits nicht unvertretbar, nur für die Abwahl Letzterer eine explizite Entscheidung des Deutschen Bundestages zu verlangen, die in der Geschäftsordnung ihren Niederschlag findet.

Die Handhabung der von der Geschäftsordnung zugelassenen Abwahlbefugnis durch den Rechtsausschuss im streitgegenständlichen Fall begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

Die Annahme, der Ausschuss selbst sei für eine etwaige Abwahlentscheidung zuständig, ist vertretbar und fügt sich in das vom Deutschen Bundestag vertretene Verständnis des § 58 GO-BT ein. Da sich danach die Abwahl als Actus contrarius zu dem Rechtsakt des „Bestimmens“ des Ausschussvorsitzes darstellt, ist die Annahme, der Ausschuss habe auch über die Abberufung zu entscheiden, folgerichtig.

Das Verfahren im Rechtsausschuss vor der Entscheidung über den Abwahlantrag ist ebenfalls verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Mitglieder der AfD-Bundestagsfraktion im Ausschuss hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Abwahlantrag und die ihn tragenden Gründe waren ihnen rechtzeitig bekannt gemacht worden und über den Antrag wurde im Ausschuss ausführlich debattiert. Dabei kamen sie zu Wort und konnten ihre Haltung darlegen. Das Recht auf ein faires Verfahren, das zu den wesentlichen rechtsstaatlichen Verfahrensgrundsätzen auch außerhalb gerichtlicher Verfahren zählt und damit auch bei einer fairen und loyalen Anwendung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages Geltung beansprucht, wurde damit gewahrt.

Der Ausschuss sprach sich mit einer Mehrheit von 37 Ja-Stimmen gegen 6 Nein-Stimmen für die Abwahl aus. Mangels anderweitiger verfassungs- oder geschäftsordnungsrechtlicher Vorgaben genügt für eine Abwahl die einfache Mehrheit (Art. 42 Abs. 2 Satz 1 GG), die vorliegend bei Weitem überschritten wurde.

Im Übrigen ist die Abwahl nicht willkürlich. Dass ihr Erwägungen zugrunde gelegen hätten, die keinen sachlichen Zusammenhang zum Amt des Vorsitzes beziehungsweise zu der Befähigung des Vorsitzenden erkennen lassen, sein Amt in angemessener Weise auszuüben, ist nicht ersichtlich. Vor dem Hintergrund einer Reihe von Vorfällen, die zu erheblichen Irritationen in der allgemeinen Öffentlichkeit, aber auch der Fachöffentlichkeit geführt haben, kam die Ausschussmehrheit zu dem Schluss, der Vorsitzende des Rechtsausschusses werde sein Amt nicht in einer den Anforderungen des Amtes entsprechenden Weise ausüben und durch seine Person die Ausschussarbeit belasten. Die Ausschussmehrheit hatte erkennbar das Vertrauen in den Ausschussvorsitzenden und seine Fähigkeit zur amtsangemessenen Amtsführung verloren. Eine gedeihliche und effektive Zusammenarbeit im Ausschuss war damit aus ihrer Sicht nicht mehr möglich.

Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 18. September 2024 – 2 BvE 1/20 – 2 BvE 10/21

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Das Bundesverfassungsgericht hat kürzlich zwei Organklagen der AfD-Bundestagsfraktion abgewiesen und dabei wichtige Grundsätze hinsichtlich der Gleichbehandlung und der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages bekräftigt. Die Entscheidung, die einstimmig gefasst wurde, bezieht sich auf die Abwahl des AfD-Vorsitzenden des Rechtsausschusses sowie auf die Wahlen zu den Vorsitzenden dreier Ausschüsse während der 20. Wahlperiode.

Im Rahmen der ersten Klage kritisierte die AfD die Abwahl ihres Vorsitzenden im Rechtsausschuss, die im Jahr 2019 stattgefunden hatte. Die Abgeordneten argumentierten, dass ihre Gleichbehandlungsrechte gemäß Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes verletzt wurden. Das Bundesverfassungsgericht hob hervor, dass die Zuweisung von Ausschussvorsitzen und die Abwahl von Vorsitzenden im Rahmen der Geschäftsordnungsautonomie des Parlaments stattfinden. Daraus folgt, dass die AfD in dieser Angelegenheit keinen besonderen rechtlichen Schutz genießt.

Die Abwahl des Vorsitzenden des Rechtsausschusses

Die Abwahl des Vorsitzenden wurde als rechtmäßig angesehen, da die Geschäftsordnung des Bundestages keine speziellen Regelungen für die Abwahl von Vorsitzenden vorsieht, jedoch zur Effizienz und Funktionsfähigkeit der Ausschüsse beiträgt. Der Rechtsausschuss hatte mit 37 Ja-Stimmen gegen 6 Nein-Stimmen abgestimmt und damit die Abwahl beschlossen. Dies entspreche den Anforderungen an einen effektiven Ausschussbetrieb, so das Gericht.

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Die zweite Klage bezog sich auf die Durchführung von Wahlen zu den Vorsitzenden des Innen-, Gesundheits- und Entwicklungsausschusses, bei denen die Kandidaten der AfD keine Mehrheit erhielten. Die AfD beanstandete, dass sie aufgrund dieser Wahlen in ihrem Recht auf Gleichbehandlung benachteiligt worden sei. Auch diese Klage wurde abgewiesen, da die Wahlen im Einklang mit dem Prinzip der fairen und loyalen Anwendung der Geschäftsordnung durchgeführt wurden.

Recht auf Gleichbehandlung

Das Gericht stellte fest, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung sich nicht nur auf die Mitwirkung an der Willensbildung des Bundestages erstreckt, sondern auch auf die genaue Handhabung von Verfahrensfragen innerhalb der Ausschüsse. Die Durchführung von Wahlen und die Abwahl von Ausschussvorsitzenden sind in diesem Kontext keine spezifischen Rechte, sondern fallen unter den geschäftlichen Spielraum des Bundestages.

Hierbei wurde auch betont, dass die AfD-Fraktion, obwohl sie das Recht auf Gleichbehandlung hat, nicht bei den Vorgesprächen oder Abstimmungen zu den Ausschussvorsitzen zwingend Vorteile erwarten kann. Das Gericht hat die Entscheidung, bei den Wahlen und der Abwahl von Vorsitzenden den Mehrheitswillen des Ausschusses das entscheidende Kriterium zu lassen, für verfassungskonform angesehen.

Die Argumentation stützt sich auf den Grundsatz der parlamentarischen Demokratie, dass demokratische Entscheidungen reversibel sind und a priori keine Fraktion auf ein bestimmtes Wahlergebnis bestehen kann. Solche Regelungen sind im rechtlichen Rahmen des Bundestages fest verankert und dienen der Sicherung der Funktionsfähigkeit des Parlaments.

Diese Entscheidungen sind von erheblicher Relevanz, weil sie nicht nur für die AfD-Bundestagsfraktion, sondern für alle Fraktionen im Bundestag grundlegende Prinzipien der Gleichbehandlung und der internen Organisation des Parlaments bekräftigen.

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