Die Vorbereitungen für die flächendeckende Ganztagsbetreuung in Rheinland-Pfalz laufen auf Hochtouren, jedoch stehen viele Städte vor enormen Herausforderungen. Ab August 2026 haben alle Erstklässler einen rechtlichen Anspruch auf eine tägliche Betreuung von acht Stunden in der Schule. Bis 2029 soll dieser Anspruch dann für alle Grundschüler der Klassen eins bis vier gelten. Dies bedeutet, dass eine umfassende Betreuung einschließlich Verpflegung während der Schulferien gewährleistet sein muss, was eine gewaltige logistische und finanzielle Anforderung darstellt.
In den letzten Wochen hat der Städtetag Rheinland-Pfalz Alarm geschlagen. Viele Schulen sind nicht ausreichend ausgestattet, um den neuen Anforderungen gerecht zu werden. Der Oberbürgermeister von Neustadt an der Weinstraße, Marc Weigel, führt an, dass in seiner Stadt innerhalb von zwei Jahren neun von zwölf Grundschulen dringend umgebaut oder nachgerüstet werden müssen, um die erforderliche Ganztagsbetreuung zu ermöglichen. Der Mangel an Mensen und Aufenthaltsräumen in vielen Schulen erfordert hohe Investitionen, die möglichst schnell umgesetzt werden müssen.
Fehlende Mittel und Zeitdruck für Kommunen
Der Bund hat zwar zugesagt, 70 Prozent der notwendigen Investitionskosten über ein Förderprogramm zu übernehmen, die restlichen 30 Prozent müssen jedoch die Kommunen aufbringen. Dies führt zu einem enormen finanziellen Druck, insbesondere da die Gelder bis 2028 umgesetzt und abgerechnet werden müssen. Der Städtetag fordert daher mehr Unterstützung vom Land Rheinland-Pfalz. Bisher hat das Land keinen finanziellen Beitrag zugesagt, was die Situation der Kommunen weiter verschärft.
Das Bildungsministerium von Rheinland-Pfalz verweist darauf, dass es bereits seit 2002 über 1,8 Milliarden Euro in den Ausbau von Ganztagsschulen investiert hat. Dennoch ist unklar, ob die erforderlichen räumlichen und personellen Kapazitäten bis 2026 bereitgestellt werden können. Es wird auch darauf hingewiesen, dass die Betreuung von Grundschulkindern nicht nur in Schulen, sondern auch in Horten oder durch Tagespflege organisiert werden kann. Hierbei gibt es jedoch keine Verpflichtung, dass jede Schule auch tatsächlich einen Ganztagsbetrieb anbietet.
Qualität der Betreuung in Gefahr
Der Oberbürgermeister Weigel äußert sich besorgt über die Qualität der potenziellen Angebote: „Was Bund und Länder sich da ausgedacht haben, das ist Murks,“ kritisiert er die Fragmentierung des Betreuungssystems. Gerade die Qualität der Betreuung könnte leidern, wenn Kinder in verschiedenen Einrichtungen untergebracht werden müssen. Außerdem gibt es Bedenken, ob ausreichend Fachkräfte gefunden werden können, um den neuen Anforderungen gerecht zu werden.
Der Städtetag warnt auch, dass der Frust bei den Eltern vorprogrammiert sei, da nur wenige Schulen in der Lage sind, ein echtes achtstündiges Betreuungsangebot zur Verfügung zu stellen. Die Gewerkschaften teilen ähnliche Befürchtungen und betonen, dass nicht flächendeckend genügend Fachkräfte vorhanden sind, um die neuen Standards einzuhalten. Der Landeschef des VBE Rheinland-Pfalz, Lars Lamowski, hebt hervor, dass die Qualität der Nachmittagsbetreuung zurückgehen könnte, wenn nicht genügend Personal zur Verfügung steht.
Parallel zu diesen Diskussionen gibt es im Nachbarbundesland Baden-Württemberg eine Debatte über finanzielle Unterstützung für die Kommunen bei der Ganztagsbetreuung. Während die rheinland-pfälzische Regierung bisher keine weiteren Mittel bereitstellt, setzt sich die CDU in Baden-Württemberg dafür ein, Städten und Gemeinden zu helfen, die neuen Anforderungen zu erfüllen.