Die Herausforderungen, mit denen Menschen mit Mobilitätseinschränkungen konfrontiert sind, zeigen sich besonders deutlich am Bahnhof in Neustadt an der Orla. Hier gerät die Situation eines Rollstuhlfahrers ins Rampenlicht, der nicht nur mit den physikalischen Barrieren, sondern auch mit der Ignoranz gegenüber seiner Lebensrealität zu kämpfen hat.
Die triste Realität für Rollstuhlfahrer
Helge Berger, ein Neustädter, ist seit fünf Jahren auf einen Rollstuhl angewiesen. Nach einem Schlaganfall hat sich sein Leben drastisch verändert. Trotzdem nutzt er regelmäßig die Bahn, um nach Bamberg zu reisen. Der Umstieg in Saalfeld gestaltet sich für ihn problemlos, was im Kontrast zu den Schwierigkeiten steht, denen er am Bahnhof Neustadt begegnet. „Bei schlechtem Wetter habe ich gar keine Chance, zum Zug zu kommen“, erklärt Berger frustriert.
Die unhaltbaren Bedingungen am Bahnhof Neustadt
Die Deutsche Bahn hat den Bahnhof Neustadt so eingerichtet, dass alle Züge zwischen Gera und Saalfeld ausschließlich am Gleis 2 halten. Dieses Gleis gilt als Hauptgleis und ist durchgehend zugänglich. Wer jedoch vom Busbahnhof kommt, muss den Bahnhofstunnel benutzen. Für Rollstuhlfahrer und andere mobilitätseingeschränkte Menschen ist dies unmöglich, da sie einen langen Umweg von 800 Metern über einen Bahnübergang nehmen müssen, um zum Bahnsteig zu gelangen.
Eine gefährliche Abkürzung und ihre Konsequenzen
Der Weg zum Gleis ist alles andere als sicher. Ein illegaler Trampelpfad, der von einer alten Ladestraße zum Bahnsteig führt, bietet zwar eine vermeintliche Abkürzung, ist aber mit vielen Gefahren behaftet. Hier ist der Untergrund uneben und die Wege sind oft rutschig, besonders bei schlechtem Wetter. Berger beschreibt, wie mühsam es ist, diesen Weg zu begehen: „Ein Wunder, dass der Rollstuhl nicht umkippt.“ Bei nasskaltem Wetter oder nach starkem Regen bleibt er oft zuhause, aus Angst steckenzubleiben.
Die Pflicht zur Barrierefreiheit
Eine Lösung für die Barrieresituation am Bahnhof Neustadt wird von den Verantwortlichen lauthals gefordert. Ronny Schwalbe von der Stadtverwaltung kündigt an: „Wir wollen zumindest ein Provisorium durchsetzen.“ Beratungen mit der Deutschen Bahn sind in vollem Gange, doch konkrete Pläne fehlen bisher. Aktuell muss Berger vor jeder Bahnfahrt den Mobilitätsservice der Deutschen Bahn informieren, damit ihm eine kleine Rampe bereitgestellt wird. Die Bahn selbst hat jedoch angekündigt, dass Verbesserungen erst nach 2028 realisiert werden.
Ein Appell an die Gemeinschaft
Die Situation am Bahnhof in Neustadt an der Orla wirft Fragen zur sozialen Verantwortung auf. Es ist entscheidend, dass alle Menschen, unabhängig von ihrer körperlichen Verfassung, Zugang zu den Verkehrsinfrastrukturen haben. Berger und andere Betroffene hoffen auf ein Umdenken und schnellere Lösungen, damit sie nicht weiterhin mit solchen Beeinträchtigungen leben müssen. Die Barrierefreiheit ist nicht nur ein rechtliches Gebot, sondern auch eine moralische Verpflichtung gegenüber den Mitgliedern unserer Gesellschaft, die täglich um ihre Teilhabe kämpfen.
– NAG