Mainz

Neue Anlaufstelle in Mainz: Unterstützung für männliche Gewaltopfer

In Rheinhessen bietet die Beratungsstelle "SAFE" in Mainz seit drei Jahren Männern, die Opfer von häuslicher Gewalt geworden sind, Unterstützung und Hilfe an, da etwa 20 Prozent der Betroffenen laut Kriminalstatistik männlich sind und bisher wenig Beachtung gefunden haben.

In Rheinhessen wächst die besorgniserregende Zahl häuslicher Gewalt, und dabei sind etwa 20 Prozent der Opfer Männer. Die Beratungsstelle „SAFE“ in Mainz hat sich zur Aufgabe gemacht, diesen Männern beratend zur Seite zu stehen. Psychotherapeut Bernd Seifried, der in der Einrichtung tätig ist, spricht von einem immer noch weitgehend unbekannten Problem: „Wir haben verschiedene niederschwellige Angebote“, erläutert er. Die Männer können sich hier persönlich, telefonisch oder online beraten lassen.

Die Beratungsstelle „SAFE“ existiert seit drei Jahren und ist ein einzigartiges Pilotprojekt in Rheinland-Pfalz. Während für Frauen etablierte Hilfsangebote vorhanden sind – sie machen mit 80 Prozent die große Mehrheit der Opfer aus –, gibt es kaum Unterstützung für Männer, die unter häuslicher Gewalt leiden. Diese Ungleichheit hat dazu geführt, dass Bernd Seifried und sein Team sich gezielt an männliche Opfer richten möchten.

Die Herausforderung der Scham

Ein großes Hindernis für männliche Opfer ist die Scham, die mit dem Eingeständnis von Gewalt in der Partnerschaft einhergeht. Männer tendieren dazu, ihre Situation zu bagatellisieren und fürchten das Urteil anderer. „Die Schamschwelle ist sehr hoch. Viele meinen: Na ja, ich krieg das selber hin“, sagt Seifried. Diese Beratung ist daher ein wichtiger erster Schritt, um das Schweigen zu brechen. „Es tut mir so gut, dass mich jemand mal ernst nimmt“, beschreiben viele Männer ihre Erfahrung. Das positive Feedback motiviert auch Seifried, weiterhin an diesem sensiblen Thema zu arbeiten.

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So sad es klingt, die Sichtbarkeit männlicher Opfer ist in der Gesellschaft gering. Wenn Männer über ihre Erfahrungen in Bezug auf häusliche Gewalt sprechen, treffen sie oft auf Unglauben oder Unverständnis. Das führt dazu, dass viele Betroffene jahrelang schweigen und Hilfe scheuen. Dies verstärkt die Problematik und trägt zum sogenannten Dunkelfeld häuslicher Gewalt bei, wo viele Vorfälle unentdeckt bleiben.

Ein Anstieg der Anfragen

In den letzten Jahren hat die Beratungsstelle einen Anstieg von Anfragen bei älteren Männern verzeichnet. Diese kommen oft in einer Lebenssituation, in der sie und ihre Partnerin in den Ruhestand gehen. Die veränderten Lebensumstände führen zu vermehrten Spannungen. „Das Spannungsfeld zunimmt, wenn beide Ehepartner in Rente sind. Dann kommt es zu mehr Konflikten“, erklärt Seifried. In diesen Auseinandersetzungen können zunächst harmlose Übergriffe schnell eskalieren und sogar zu gewaltsamen Auseinandersetzungen führen.

Die monatlichen Neuaufnahmen von Betroffenen in der Beratungsstelle „SAFE“ zeigen ein wachsendes Bewusstsein und einen steigenden Bedarf. Im vergangenen Jahr wurde die Einrichtung von 36 Männern in Anspruch genommen, bis August dieses Jahres sind bereits ebenso viele Neufälle verzeichnet worden. Die steigende Nachfrage ist ein Sinnbild für die Notwendigkeit solcher wichtigen Dienste.

Seifried betont die dringende Notwendigkeit, den Unterstützungsrahmen für männliche Opfer häuslicher Gewalt auszubauen. Der Psychotherapeut fordert die Schaffung von Schutzräumen für Männer in Notlagen, die mit den Frauenhäusern vergleichbar wären – ein Angebot, das es gegenwärtig in Rheinland-Pfalz nicht gibt.

Ergebnisse und Statistiken zu häuslicher Gewalt

Die Zahlen zur häuslichen Gewalt in Rheinland-Pfalz sind alarmierend: Im Jahr 2023 wurden 13.810 Opfer gezählt, ein Anstieg von 20 Prozent in den letzten zehn Jahren. Während Frauen die Hauptopfergruppe darstellt, zeigt die Statistik auch, dass ein erheblicher Teil der Männer leidet und Unterstützung benötigt. In 2023 gab es 8.737 Fälle von Partnerschaftsgewalt, wobei fast 80 Prozent der Opfer Frauen waren. Die Dunkelziffer ist hoch, da viele Vorfälle nicht gemeldet werden.

Die fortwährenden Bemühungen von Bernd Seifried und seiner Kolleg:innen bei „SAFE“ sind entscheidend, um die betroffenen Männer zu ermutigen, ihre Stimmen zu erheben. Dies ist der erste Schritt, um aus der Isolation zu entkommen und somit Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Ein wichtiger Schritt zur Sichtbarkeit

Die Arbeit von „SAFE“ stellt einen bedeutenden Fortschritt in der Unterstützung männlicher Opfer häuslicher Gewalt dar. Die Schaffung solcher Beratungsstellen ist unerlässlich, um die betroffenen Männer ernst zu nehmen und ihnen den nötigen Raum für ihre Sorgen zu geben. Durch die Sensibilisierung und das Angebot umfassender Hilfen wird es möglich, das Schweigen zu brechen und denjenigen zu helfen, die glauben, sie seien allein in ihrem Schmerz.

Gesellschaftliche Wahrnehmung von männlicher Opferrolle

Die gesellschaftliche Wahrnehmung von Männern als Opfer häuslicher Gewalt ist oft problematisch und führt zu Stereotypen. Männer, die Gewalt erfahren, geschweige denn darüber sprechen, sehen sich häufig mit Vorurteilen konfrontiert. Viele gesellschaftliche Narrative stellen Männer als die dominierenden Täter dar, was die Sichtweise auf männliche Opfer erheblich einschränkt. Dieses Stigma hindert viele Männer daran, Hilfe zu suchen, weil sie fürchten, nicht ernst genommen zu werden oder als schwach wahrgenommen zu werden.

Eine Studie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat gezeigt, dass die überwiegende Mehrheit der Männer, die Opfer häuslicher Gewalt werden, oft unterzeichnet, dass sie sich schämen und Angst haben, als „Schwächling“ abgestempelt zu werden, was die Hemmschwelle zur Offenbarung ihrer Situation erheblich erhöht. In einer Gesellschaft, in der Männlichkeit oft mit Stärke und Unabhängigkeit assoziiert wird, gibt es einen zusätzlichen Druck, keine Unterstützung zu suchen.

Rolle der sozialen Medien und Aufklärung

In den letzten Jahren haben soziale Medien eine bedeutende Rolle in der Aufklärung über häusliche Gewalt gespielt. Plattformen wie Twitter und Instagram bieten Möglichkeiten, die Sichtbarkeit von männlichen Opfern zu erhöhen und die Debatte über ihre Unterstützung zu fördern. Initiativen, die unter dem Hashtag #NotAllMen entstanden sind, zielen darauf ab, die Stimmen männlicher Opfer zu hören und zu legitimieren.

Darüber hinaus unterstützen Organisationen wie „SAFE“ Bildungs- und Aufklärungskampagnen, um das Bewusstsein für die Probleme männlicher Opfer zu schärfen. Diese Kampagnen zielen darauf ab, die gesellschaftliche Wahrnehmung zu verändern und ein sichereres Umfeld zu schaffen, in dem Männer sich trauen, über ihre Erfahrungen zu sprechen und Hilfe zu suchen.

Gesundheitliche Folgen häuslicher Gewalt für Männer

Häusliche Gewalt hat weitreichende gesundheitliche Folgen, die oft über körperliche Verletzungen hinausgehen. Männer, die Gewalt in ihrer Partnerschaft erleben, sind ebenso wie Frauen häufig von schweren psychischen Problemen betroffen, darunter Depressionen, Angstzustände und posttraumatische Belastungsstörungen. Eine Untersuchung hat gezeigt, dass Männer, die physische oder psychische Gewalt erfahren, ein erhöhtes Risiko für Suizidgedanken oder -versuche aufweisen.

Zudem sind viele von ihnen von gesundheitlichen Beschwerden betroffen, wie Schlafstörungen oder chronische Schmerzen, die als Folge der erlittenen Gewalt entstehen. Das Verständnis dieser gesundheitlichen Auswirkungen ist entscheidend, um adäquate Hilfsangebote zu entwickeln und eine ganzheitliche Unterstützung der Betroffenen sicherzustellen.

Intervention und Unterstützung: Best Practices

In der Arbeit mit männlichen Opfern häuslicher Gewalt sind bestimmte Best Practices entscheidend, um ihnen effektiv zu helfen. Ein zentraler Aspekt ist die Schaffung eines vertraulichen und sicheren Raumes, in dem die Betroffenen offen über ihre Erfahrungen sprechen können. Dies umfasst auch die Schulung von Fachkräften in der Sensibilisierung für männliche Opfer, um Vorurteile abzubauen und die Ernsthaftigkeit ihrer Situation zu erkennen.

Eine weitere bewährte Methode ist die Etablierung von Peer-Support-Gruppen, in denen Männer, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben, sich austauschen und gegenseitig unterstützen können. Solche Gruppen fördern nicht nur das Gemeinschaftsgefühl, sondern helfen auch dabei, das Gefühl der Isolation zu verringern.

Zusätzlich zeigt die Forschung, dass präventive Maßnahmen, wie Workshops über gesunde Beziehungsgestaltung und Gewaltprävention, langfristig hilft, zukünftige Vorfälle häuslicher Gewalt zu verhindern und die Unterstützung für betroffene Männer zu verbessern.

– NAG

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