Westerwaldkreis. Vor 50 Jahren setzte ein bahnbrechendes Konzept in der Pflegewelt Fuß: die Gründung der ersten Caritas-Sozialstationen. In diesem Jahr feiern die Sozialstationen im Westerwaldkreis dieses beeindruckende Jubiläum mit einem Fachtag unter dem Motto „50 Jahre Sozialstationen – Aufbruch in eine neue Ära!“ im Kuppelsaal von Schloss Montabaur. Der Caritasverband Westerwald-Rhein-Lahn lud zu diesem Ereignis, das nicht nur auf die vergangenen Erfolge zurückblickt, sondern auch einen Ausblick auf die zukünftigen Herausforderungen im Pflegebereich gibt.
Zu den prominenten Gästen, die an diesem Jubiläum teilnahmen, zählten die erste Kreisbeigeordnete Gabi Wieland und Vertreter der Pflegekassen aus Rheinland-Pfalz. Eine herzliche Begrüßung galt auch Dr. Hanno Heil, einem Mitglied im Kuratorium Deutsche Altershilfe, sowie dem ehemaligen Caritasdirektor Detlef Dillmann und der Bundestagsabgeordneten Dr. Tanja Machalet. Caritasdirektorin Stefanie Krones unterstrich die Bedeutung der Veranstaltung, indem sie auf das Engagement der über 300 Mitarbeiter:innen hinwies, die täglich in rund 220 weißen Fahrzeugen zu den hilfsbedürftigen Menschen der Region aufbrechen. „Wir machen uns auf den Weg zu Ihnen, damit Sie nicht rausmüssen!“, betonte sie die Philosophie der ambulanten Pflege.
Aktuelle Entwicklungen und neue Ansätze in der Pflege
Ein zentraler Bestandteil der Fachtagung war eine Podiumsdiskussion mit der Überschrift „Gude heißt Hallo!“, in der neun Auszubildende darüber sprachen, wie internationale Pflegekräfte integriert werden können. Diese Auszubildenden aus Marokko befinden sich bereits im zweiten und dritten Ausbildungsjahr und teilten ihre Erlebnisse in Deutschland. Ihre Geschichten lockerten die Atmosphäre dieses Festtags auf und vermittelten dem Publikum einen lebendigen Eindruck von den Chancen der Internationalisierung in der Pflege.
Die Integration internationaler Fachkräfte ist nicht erst seit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz ein Thema. Der Caritasverband hat diese Möglichkeit aufgegriffen und möchte junge Menschen aus Drittstaaten in seine Einrichtungen bringen. Dies setzt auf eine umfassende, generalistische Pflegeausbildung. Interessanterweise bringen diese Auszubildenden bereits eine ordentliche Schulbildung mit und zeigen großes Interesse, den Pflegeberuf zu erlernen. Marokko hat eine hohe Jugendarbeitslosigkeit, was diese Chance umso wertvoller macht. Aus der Perspektive von Krones ist es insbesondere wichtig, den jungen Menschen mit Offenheit und Interesse zu begegnen, um ihre Integration zu fördern.
Erfolgreiches Modellprojekt zur Entbürokratisierung der Pflege
Im zweiten Teil der Veranstaltung stellte Pflegeexpertin Ruth Galler die Erkenntnisse eines zwei Jahre laufenden Modellprojekts vor, das in der Sozialstation Westerburg-Rennerod ins Leben gerufen wurde. Ziel des Projekts „Pflege ganz aktiv“ war es, die ambulante Pflege von strengen Modulen zu befreien und eine individueller gestaltete Versorgung zu ermöglichen. Dabei können die Patienten selbst mitbestimmen, was unter den vereinbarten Bedingungen möglich ist. Galler schilderte eindrücklich, wie dieses Projekt nicht nur die Pflegesituation verbessert hat, sondern auch die Zusammenarbeit zwischen Pflegekräften und Patienten stärkt.
Die positiven Rückmeldungen der Patienten und Angehörigen sprechen für sich. Eine Angehörige äußerte: „Das darf einfach nicht fehlen, dass der Mensch im Mittelpunkt steht. Und das merkt man in diesem Projekt bei der Caritas.“ Diese Einblicke zeigen, wie wichtig es ist, den Menschen in den Fokus aller Pflegemaßnahmen zu stellen. Krones berichtete, dass die Einführung des neuen Pflegemodells bereits viele qualifizierte Bewerbungen angestoßen hat. Das zeigt, dass die Caritas in dieser Region ein attraktiver Arbeitgeber ist und bleibt.
Im Rahmen des Fachtages erhielten die Anwesenden die Möglichkeit, sich miteinander auszutauschen und Kontakte zu knüpfen. Trotz der technologischen Entwicklungen in den vergangenen fünf Jahrzehnten bleibt der Grundsatz der Caritas: die verlässliche und unermüdliche Hinwendung zum Nächsten, die die ambulante Pflege ausmacht. Ein amüsanter Hinweis am Rande: Das kleine weiße Auto der Pflegekräfte ist und bleibt der zuverlässigste Begleiter in ihrer wichtigen Mission.
Ein Blick auf die Zukunft der Pflege
Die Bedeutung von Veranstaltungen wie dieser wird immer deutlicher. Sie zeigen, dass der Pflegebereich in Bewegung ist und kontinuierlich nach neuen Wegen sucht, um den Bedürfnissen der Patienten und der Gesellschaft gerecht zu werden. Im Westerwaldkreis steht die Caritas als Vorreiter für die Veränderung, bereit, innovative Ansätze zu verfolgen und den Herausforderungen in der ambulanten Pflege nicht nur zu begegnen, sondern sie aktiv zu gestalten.
Entwicklung der ambulanten Pflege in Deutschland
Die ambulante Pflege hat in Deutschland in den letzten Jahrzehnten signifikante Veränderungen durchlaufen, die durch verschiedene gesellschaftliche und politische Entwicklungen geprägt sind. Ein zentraler Aspekt ist der demografische Wandel, der dazu führt, dass die Anzahl älterer Menschen stetig steigt. Laut dem Statistischen Bundesamt wird bis 2035 der Anteil der über 65-Jährigen auf rund 27 Prozent der Bevölkerung ansteigen. Dies hat zur Folge, dass die Nachfrage nach ambulanten Pflegeleistungen zunehmen wird, um eine adäquate Versorgung zu gewährleisten.
Ein weiterer prägender Faktor ist die Reform der Pflegeversicherung, die seit ihrer Einführung im Jahr 1995 immer wieder überarbeitet wurde. Besonders relevant ist die letzte große Reform im Jahr 2017, die die Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs mit sich brachte und die Orientierung an den individuellen Bedarfen der pflegebedürftigen Menschen in den Vordergrund stellte. Dadurch wird die Notwendigkeit unterstrichen, flexible und bedarfsorientierte Lösungen in der ambulanten Pflege zu entwickeln.
Fachkräftemangel in der Pflegebranche
Trotz der positiven Ansätze zur Reformierung der Pflege sind die Herausforderungen in der Branche nicht zu leugnen. Der Fachkräftemangel ist eines der drängendsten Probleme, das die ambulante Pflege in Deutschland betrifft. Berechnungen zufolge fehlen bis 2030 etwa 500.000 Pflegekräfte. Die demografische Entwicklung und die steigenden Ansprüche der pflegebedürftigen Menschen erfordern eine kontinuierliche Rekrutierung und Ausbildung von Fachkräften. Der Caritasverband Westerwald-Rhein-Lahn hat durch die Integration internationaler Pflegekräfte, wie im Jubiläumsfachtag angedeutet, einen Lösungsansatz gewählt, um diesem Mangel entgegenzuwirken und gleichzeitig kulturelle Vielfalt in die Pflege einzubringen.
Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz bietet dabei neue Möglichkeiten und Rahmenbedingungen für die Anwerbung von Pflegekräften aus dem Ausland. Diese Initiativen sind entscheidend, um das Bildungssystem und die Pflegedienste in Deutschland nachhaltig zu stärken und an die neuen gesellschaftlichen Anforderungen anzupassen.
Positive Auswirkungen des neuen Pflegemodells
Das eingeführte Pflegekonzept von Caritas, das auf mehr Selbständigkeit der Pflegekräfte und eine individuelle Patientenbetreuung abzielt, hat bereits positive Rückmeldungen erhalten. Im Rahmen des Projekts „Pflege ganz aktiv“ zeigt sich, dass durch die Reduktion bürokratischer Hürden ein effektiverer Zugang zu pflegerischen Maßnahmen geschaffen werden kann. Diese Verbesserung wird auch durch erfreuliche Umfragen unter den betreuenden Angehörigen und den Patienten belegt, die von einer verbesserten Qualität der Pflege berichten.
Die Umstellung auf ein bedarfsorientiertes Pflegekonzept wurde nicht nur von den Pflegekräften, sondern auch von den Angehörigen positiv aufgenommen. Die Wahrnehmung, dass der Mensch im Mittelpunkt der Pflege steht, während gleichzeitig die Fachkompetenz der Mitarbeitenden gewürdigt wird, ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung belief sich der Anteil der unzufriedenen Pflegebedürftigen in Deutschland auf über 30 Prozent, was zeigt, dass die Umstellung auf ein patientenorientiertes Modell dringend notwendig war.
Der Caritasverband Westerwald-Rhein-Lahn etabliert mit seinem Modell þannig ein zukunftsfähiges und menschenzentriertes Versorgungssystem, das als vorbildlich gilt und als Modell für andere Träger dienen kann.
– NAG