Der Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat einiges an Diskussionen ausgelöst, vor allem mit seinen Äußerungen über den Anstieg der Pflegebedürftigen in Deutschland für das Jahr 2023. Man könnte fast den Eindruck gewinnen, dass die Realität vor Ort ihm nicht ganz recht gibt. In den Pflegeeinrichtungen des Kreises Groß-Gerau, die für unsere Recherchen kontaktiert wurden, liegt der Anteil von Angehörigen der Babyboomer-Generation, die derzeit pflegebedürftig sind, noch im Promillebereich. Diese Situation ist jedoch nicht von Dauer und könnte eine gefährliche Vorahnung auf eine dramatische Wendung im Bereich der Altenpflege darstellen.
Die gegenwärtige Ruhe, so könnte man sie beschreiben, ist möglicherweise nur der harmlosere Vorgeschmack auf das, was in naher Zukunft kommen wird. Die medizinischen Fortschritte der letzten Jahre haben dazu geführt, dass die Menschen immer älter werden, was zwar erfreulich ist, allerdings bringt dieses Alter auch oft einen wachsenden Pflegebedarf mit sich. Für viele, insbesondere für dementiell erkrankte Menschen, wird die Pflege zuhaus schlicht unmöglich, was die Notwendigkeit für Pflegeeinrichtungen unvermeidlich macht.
Die Herausforderungen der Pflegebranche
Doch auch ohne steigende Zahlen ist die Branche bereits jetzt in der Klemme. Einrichtungen haben bereits Schwierigkeiten, neue Fachkräfte zu gewinnen. Ein üblicher Weg, um den anstehenden Arbeitskräftebedarf zu decken, um die demographische Entwicklung abzufedern, ist die Rekrutierung von Pflegekräften aus dem Ausland. Diese Maßnahme mag zwar eine kurzfristige Lösung darstellen, jedoch ruft sie Fragen über die langfristige Nachhaltigkeit und die damit verbundenen Herausforderungen auf.
Ein Blick auf die Prognosen des Statistischen Bundesamtes unterstreicht die Dringlichkeit dieser Situation. Bis zum Jahr 2049 werden in den deutschen Altenheimen voraussichtlich rund 240.000 zusätzliche Pflegekräfte benötigt – dies entspricht einem Anstieg von 39 Prozent verglichen mit den Zahlen von 2019. Wenn sich niemand um diesen Engpass kümmert, droht die Pflegekrise zu einem wahrhaftigen Sturm heranzuwachsen.
Angesichts dieser alarmierenden Vorhersagen bleibt die Frage, wie die Branche und die Politik darauf reagieren werden. Die Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland ist eine Möglichkeit, jedoch sollten ebenfalls Anreize geschaffen werden, um lokale Bewerber zu gewinnen. Viele Menschen ziehen eine Anstellung in einem anderen Bereich vor, da die Arbeitsbedingungen in der Altenpflege oft als wenig attraktiv wahrgenommen werden. Daher muss sich das gesamte System dringend reformieren, um der demografischen Entwicklung und den steigenden Anforderungen gerecht zu werden.
– NAG