Peggy Parnass, eine beeindruckende Persönlichkeit der deutschen Kultur- und Gay-Rechtsbewegung, wird am 11. Oktober 2024 97 Jahre alt. Ihre Lebensgeschichte, die von Zufällen und dramatischen Wendungen geprägt ist, ist nicht nur ein persönliches, sondern auch ein kollektives Zeugnis der Schrecken des deutschen Nationalsozialismus und der Resilienz des menschlichen Geistes.
Geboren in Hamburg als Tochter jüdischer Eltern im Jahr 1927, erlebte Peggy früh die Schrecken der Diskriminierung. Der Druck durch die nationalsozialistische Regierung führte dazu, dass ihre Eltern 1939 sie und ihren jüngeren Bruder Gerd Hans Ludwig (Gady) in einem Kindertransport nach Schweden schickten, während sie selbst in das Vernichtungslager Treblinka deportiert wurden. Diese Trennung hinterließ tiefgreifende Spuren in Peggys Leben und ihrer späteren Arbeit, die stark von ihrem Gerechtigkeitssinn geprägt war.
Ein Leben in Bewegung
Peggy Parnass verbrachte ihre Kindheit in verschiedenen Pflegefamilien und fand schließlich nach dem Krieg zu einem Onkel in London. Ihre Jahre in Schweden brachten ihr eine neue Identität und die schwedische Staatsbürgerschaft. Die Vielzahl ihrer Erfahrungen und die prägenden Erinnerungen an ihre Familie sind immer wiederkehrende Motive in ihrem Werk als Schriftstellerin und Journalistin.
Ihre Karriere begann sie als Sprachlehrerin, bevor sie sich der Journalistik zuwandte. In dem linken Magazin "konkret" arbeitete Parnass 17 Jahre lang als Gerichtsreporterin und berichtete über NS-Prozesse. Sie kritisierte stark die unzureichende Aufarbeitung der NS-Verbrechen und die Tatsache, dass viele Täter noch frei herumliefen. Ihre journalistische Arbeit war zu einem großen Teil den Themen Gerechtigkeit und Wahrheit gewidmet und blieb nie unkommentiert: "In einem Land zu leben, in dem Dinge bestraft werden, die ich nicht als strafwürdig ansehe," äußerte sie einmal, "stört mich zutiefst."
Peggy Parnass – Eine Stimme für die Schwulenbewegung
Besonders eng ist Peggy Parnass der schwulen Community verbunden. Sie wird oft als "heimliche Königin" von St. Georg bezeichnet, einem Stadtteil Hamburgs, in dem viele Homosexuelle leben. Jährlich sieht man sie beim Christopher Street Day, wo sie ihre Unterstützung für die Rechte von Minderheiten nicht nur zeigt, sondern auch leben lässt. Ihr Engagement geht weit über die Worte hinaus, sie ist ein Symbol für Solidarität und Respekt in einer oft noch diskriminierenden Gesellschaft.
Ihr berühmtes Zitat über ihre Lebensauffassung und Journalismus lautet: "Ich wüsste auch nicht wozu, ich könnte keinen Chef ertragen," was ihren unabhängigen Geist und ihren unerschütterlichen Willen widerspiegelt. Dies führt uns zu ihrer Selbstbeschreibung als "Liebes-Junkie," die eine tiefe Sehnsucht nach Nähe und zwischenmenschlichen Beziehungen hegt.
Auch im Alter gibt Peggy Parnass nicht auf. Sie bleibt aktiv und setzt sich dafür ein, dass die Erinnerungen an die Opfer der NS-Diktatur und das Engagement für Menschenrechte auch in Zukunft präsent bleiben. So nahm sie beispielsweise an der Gedenkfeier für den Widerstandskämpfer Helmuth Hübener 2022 teil. Im Jahr danach wurde zu Ehren ihrer Familie der Parnass-Platz in Eimsbüttel eingeweiht, ein Vermächtnis, das ihre bedeutende Rolle in der Gesellschaft symbolisiert.
Trotz gesundheitlicher Einschränkungen, die sie in einen Rollstuhl zwangen, nutzt sie jede Möglichkeit, für ihre Überzeugungen einzutreten und die Stimme für diejenigen zu sein, die keine haben. In der Seniorenresidenz im Hamburger Stadtteil St. Georg sorgt sie dafür, dass ihr Leben und ihr Lebenswerk auch weiterhin im Gedächtnis bleibt – sowohl als Kämpferin für Gerechtigkeit als auch als wichtige Figur in der schwulen Bewegung. Ihre Stimme hat nicht nur in ihrer Zeit als Journalistin Wellen geschlagen, sondern beeinflusst weiterhin viele, die für Gerechtigkeit und Gleichheit kämpfen.
Bezugnehmend auf ihre bewegte Vergangenheit und ihren unermüdlichen Kampf für ein gerechteres Miteinander sind ihre Geschichten und Erfahrungen eine Inspiration für viele Generationen. Mehr Informationen zu dieser außergewöhnlichen Frau finden sich hier.
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