In den letzten Monaten hat sich in Russland eine bedeutende Wendung vollzogen, die die Sichtweise auf die Opfer des Stalin-Regimes beeinflusst. Die russische Regierung hat, unterstützt von der Generalstaatsanwaltschaft, die Rehabilitierung von über 4.000 Personen zurückgenommen, die unter dem sowjetischen Diktator Josef Stalin gelitten haben. Laut Andrej Iwanow, einem Sprecher der Behörde, wurden in den vergangenen Jahren mehrere Fälle identifiziert, in denen Menschen, die in den 1990er und frühen 2000er Jahren rehabilitiert wurden, als Kollaborateure während des Zweiten Weltkriegs eingestuft wurden.
Diese Rücknahme ist besonders brisant, da sie in einem Kontext zunehmender Repression gegen die Zivilgesellschaft erfolgt. Historisch gesehen wurde Stalin von 1924 bis zu seinem Tod 1953 in der Sowjetunion als äußerst autoritär betrachtet. In dieser Zeit erlebte das Land mehrere Wellen der Repression, wobei die intensivsten zwischen 1936 und 1938 stattfanden, die als „Großer Terror“ bekannt sind. Damals wurden Millionen von Menschen willkürlich verfolgt, bestraft und viele hingerichtet oder in Straflager geschickt.
Details zur Rehabilitierung
Die betroffenen Personen, die jetzt als ehemalige Rehabilitierte eingestuft werden, waren laut Iwanow Männer und Frauen, die aktiv mit den Nazis kooperierten. Viele hätten sich freiwillig der Waffen-SS angeschlossen, während andere in lokalen Verwaltungsorganen, die von den Nationalsozialisten aufgebaut wurden, tätig waren. Dies stellt eine grundlegende Neubewertung der Geschichtserzählung dar, die in der Vergangenheit versuchte, das Bild der Rehabilitierten zu glorifizieren.
Der im Jahr 2020 begonnene Prozess der Überprüfung von Rehabilitierungen scheint ein Teil des breiteren politischen Rahmens zu sein, innerhalb dessen Russland seine Geschichte neu interpretiert und die Notwendigkeit betont, loyale Bürger hervorzuheben. Im Zuge dieser Ereignisse müssen Historiker und Geschichtsliebhaber ihre Perspektiven über die Vergangenheit überdenken und neu bewerten, wie collaborative Aktionen während des Krieges in die kollektive Erinnerung eingehen.
Diese Entscheidung sorgt nicht nur für Sorgen um die historische Aufarbeitung, sondern auch um die gegenwärtige Verquickung von Politik und Geschichtswissenschaft, die in einer Zeit, in der Meinungen und Narrative stark kontrolliert werden, besonders brisant erscheint. Dies geschieht zu einem Zeitpunkt, an dem Autoritäten im Umgang mit politischem Dissens zunehmend ernsthafte Maßnahmen ergreifen und die Zivilgesellschaft unter Druck setzen.
Die Auswirkungen dieser Entscheidung sind weitreichend und werfen Fragen über die Gültigkeit früherer Rehabilitierungen auf. Mit jedem Tag, der verstreicht, wird klarer, dass die politische Landschaft in Russland von einer tiefen Unsicherheit geprägt ist, sowohl hinsichtlich der gegenwärtigen als auch der historischen Narrative. Es bleibt abzuwarten, welche weiteren Schritte die russische Regierung unternehmen wird, um diese Geschichtsthemen mit ihrer aktuellen politischen Agenda in Einklang zu bringen.
Für diejenigen, die sich eingehender mit diesem Thema befassen wollen, bietet der Bericht auf www.radiorsg.de weitere Informationen und Analysen zu den Hintergründen dieser von der Regierung initiierten Entscheidung und deren Bedeutung für die Gesellschaft.