Im Gefängnis Remscheid-Lüttringhausen geht es nicht nur um Strafe, sondern auch um den Kontakt zu den Familien der Inhaftierten. Gökcan Bastimar zum Beispiel wartet ungeduldig auf seinen Familientag, während er in seiner kargen, grauen Zelle sitzt. Durch das vergitterte Fenster hat er einen begrenzten Blick auf die Welt draußen – eingekesselt von Zäunen und Kameras. Die Erinnerungen, die ihn begleiten, sind die Momente in seinem Leben, als er jahrelang mit Drogen dealte. Der 50-Jährige blickt zurück und sehnt sich nach den gemeinsamen Zeiten mit seinen Enkeln, anstatt dem schnellen Geld hinterherzulaufen.
In der JVA Remscheid-Lüttringhausen sind bis zu 546 Häftlinge untergebracht. Die Gründe für ihre Haftstrafen reichen von kurzzeitigen Verstößen bis hin zu schwerwiegenden Verbrechen wie Mord. Der Kontakt zu ihren Angehörigen ist ein wesentlicher Bestandteil des Strafvollzugs und wird durch regelmäßige Besuche ermöglicht. Doch bei den Familientagen, die dieses Gefängnis als eines der wenigen in Nordrhein-Westfalen anbietet, geht es über den üblichen Besuch hinaus. Hier wird eine familiensensible Besuchs- und Vollzugsgestaltung praktiziert, um den Kontakt zwischen Inhaftierten und ihren Familien zu intensivieren.
Bedeutung von Familientagen
Gino Wroblewski, 28 Jahre alt und ebenfalls wegen Drogendelikten in Haft, wartet gespannt auf den Moment, in dem er seine Frau und Kinder im Besuchsraum wiedertreffen kann. „Das ist das Schönste“, sagt er. „Es ist eine Zeit, die man sich so sehr herbeisehnt.“ Vor den Familientagen ist der Besuch oft durch strenge Regeln eingeschränkt – meist ohne Körperkontakt und unter starker Aufsicht. Doch an diesem speziellen Tag wird alles anders. Die Atmosphäre ist locker und der Raum lädt zum Spielen und Zusammenkommen ein.
Unter der Leitung von Hanne Stanjek, der Familienbeauftragten der JVA, werden kreative Aktivitäten wie Basteln und Kochen für Väter und ihre Kinder organisiert. Ziel ist es, den Kontakt zwischen den Inhaftierten und ihren Angehörigen zu stärken und den Kindern zu ermöglichen, eine Beziehung zu ihren Vätern oder Großvätern aufzubauen. Selbstverständlich müssen sich die Häftlinge an die Regeln der Anstalt halten, um an diesen besonderen Tagen teilnehmen zu dürfen.
Familie als Kraftquelle
Die Zeit, die Wroblewski mit seiner Tochter verbringen darf, ist kostbar. Während sie ihm ein Glitzerpuder ins Gesicht schminkt, strahlt er. „Ich darf hier live erleben, wie sie aufwächst“, sagt er. Diese Momente geben den Inhaftierten Kraft und Hoffnung für die Zeit des Wartens bis zum nächsten Familientag. Gitte, die Frau von Gökcan Bastimar, reist mit ihren Enkeln, „Natürlich ist es anstrengend, aber die Kinder brauchen diesen Kontakt“, erklärt sie, auch wenn sie selbst eine schwierige Zeit durchmacht. Die Emotionen sind in diesen Stunden greifbar.
Nach drei Stunden voller Freude und Tränen des Abschieds müssen sich die Familien wieder voneinander trennen. Die Häftlinge kehren in ihre Zellen zurück, während die Angehörigen nach Hause fahren – oft mit einem Lächeln auf den Lippen, aber auch mit einem schweren Herzen. Wroblewski denkt an die Zukunft: „Jeder Mensch hat eine zweite Chance verdient.“ Das Gefühl, die Familienmitglieder zu sehen und sich mit ihnen zu verbinden, ist für die Häftlinge nicht nur ein Lichtblick, sondern auch eine wichtige Grundlage für ihren weiteren Weg.
Dieses Programm hat nicht nur unmittelbare Vorteile für die Inhaftierten, sondern könnte auch langfristig eine positive Veränderung im Umgang mit straffälligen Menschen bewirken. Der Fokus auf familiäre Bindungen im Strafvollzug zeigt, dass man auch hinter Gittern an einem neuen Leben arbeiten kann, das nicht mehr von Verbrechen geprägt ist. Solche Initiativen könnten den nächsten Schritt zur Resozialisierung bedeuten, auf den viele Häftlinge warten.
Die Bedeutung des Familiensystems im Strafvollzug
Die Aufrechterhaltung von Familienbeziehungen spielt eine entscheidende Rolle im Strafvollzug. Studien zeigen, dass der Kontakt zu Familienmitgliedern positive Auswirkungen auf die Resozialisierung von Gefangenen hat. Laut einer Studie der Europäischen Kommission zur Bekämpfung von Kriminalität kann eine starke familiäre Unterstützung die Rückfallquote signifikant verringern. So wird der Gefangene emotional gestützt, was hilfreich ist, um diese schwierige Zeit zu überstehen.
Darüber hinaus ermöglicht der Kontakt zu den Familien eine bessere Integration in die Gesellschaft nach der Haft. Wenn Häftlinge in der Lage sind, Bindungen aufrechtzuerhalten und positive familiäre Beziehungen zu pflegen, sind sie oft motivierter, ein strafffreies Leben zu führen, sobald sie entlassen werden. Programme wie die Familientage in der JVA Remscheid-Lüttringhausen sind daher nicht nur für die Häftlinge, sondern auch für ihre Angehörigen von großer Bedeutung.
Aktuelle Statistiken zur Inhaftierung in Deutschland
Die Justizbehörden in Deutschland berichten eine Vielzahl relevanter Statistiken zur Haft. Zum Stichtag 30. Juni 2023 waren in Deutschland insgesamt etwa 64.000 Menschen inhaftiert. Der Anteil männlicher Insassen liegt bei etwa 93 Prozent, während weibliche Insassen nur rund 7 Prozent ausmachen. Die Anzahl der Gefangenen hat in den letzten Jahren jedoch insgesamt abgenommen, was von einer Lockerung in bestimmten Bereichen der Strafverfolgung zeugt.
Ein weiterer wichtiger Aspekt sind die Verurteilungen. Der Großteil der Inhaftierten ist wegen Diebstahl und Drogendelikten inhaftiert, während Gewaltverbrechen einen geringeren Anteil der Gefangenen ausmachen. Die Rückfallquote bei Drogendelinquenten liegt laut Studien zwischen 50 und 80 Prozent, was den Bedarf an Programmen zur Unterstützung von Drogenabhängigen während und nach der Haft deutlich macht (BKJ).
– NAG