Vor seinem Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj äußerte sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) klar und eindeutig: Deutschland plant nicht, die bestehenden Regeln für den Einsatz deutscher Waffen im Abwehrkampf gegen Russland zu lockern. Scholz hob hervor, dass die Bundesregierung bereits „ein paar Entscheidungen“ in Bezug auf die militärische Unterstützung der Ukraine getroffen habe, die seiner Meinung nach fest und unmissverständlich sind. Dazu zählt auch die Aufrechterhaltung von Reichweitenbeschränkungen. „Das ist mit meiner persönlichen Haltung nicht vereinbar. (…) Wir werden das nicht machen. Und dafür haben wir gute Gründe“, erklärte der Kanzler.
Die Debatte über die Lieferung von Waffen an die Ukraine trifft auf hohe Dringlichkeit, da Selenskyj wiederholt seine Verbündeten um leistungsfähige Bewaffnung bittet. Diese sollen es ermöglichen, kritische Ziele wie russische Logistik und Militärflugplätze auch hinter der Frontlinie und innerhalb Russlands zu attackieren. Deutschland hat bisher als weitreichendste Waffe den Raketenwerfer Mars II bereitgestellt, der Ziele in bis zu 84 Kilometer Entfernung erreichen kann. Der Einsatz dieser Waffe sowie der Panzerhaubitze 2000 gegen Ziele im unmittelbaren Umfeld von Charkiw wurde durch die Bundesregierung zumindest in gewissen Grenzen gestattet.
Scholz betont Eskalationsrisiko
Ein weiterer Punkt, den Scholz ansprach, war die Lieferung hochpräziser Langstreckenwaffen. Hier ist der Kanzler entschlossen und hat die Bereitstellung von Marschflugkörpern, etwa den Taurus mit einer Reichweite von bis zu 500 Kilometern, kategorisch ausgeschlossen. Dies begründet er mit der Einschätzung, dass dies eine „große Eskalationsgefahr“ darstellen würde. Eine solche Entscheidung könnte als erheblicher Schritt in Richtung einer intensiveren militärischen Auseinandersetzung zwischen Russland und dem Westen interpretiert werden.
Im Gegensatz zu dieser zurückhaltenden Haltung hat die NATO, konkret die USA, Großbritannien und Frankreich, Marschflugkörper mit Reichweiten bis zu 300 Kilometern geliefert. Aktuell wird in der NATO und bei den Verbündeten diskutiert, ob auch der Einsatz dieser Waffen gegen russische Ziele genehmigt werden sollte. Diese Thematik wird voraussichtlich während Selenskyjs bevorstehender Gespräche mit US-Präsident Joe Biden in Washington eine Rolle spielen.
In diesem Kontext hat der russische Präsident Wladimir Putin bereits betont, dass der Einsatz westlicher Präzisionswaffen gegen Ziele tief in Russland als eine direkte Kriegsbeteiligung der NATO gewertet würde. Diese Äußerungen verdeutlichen die Spannungen, die mit der weiteren Unterstützung der Ukraine durch westliche Länder einhergehen. Ob die Bundesregierung mit ihren Entscheidungen auch auf lange Sicht die richtige Balance findet, bleibt abzuwarten.